91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Die aktuellen Nachrichten de 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Tue, 04 Feb 2025 18:00:44 +0100 Tue, 04 Feb 2025 18:00:44 +0100 News TYPO3 EXT:news news-9745 Tue, 04 Feb 2025 17:27:21 +0100 Beobachtung der Erdbebenaktivität auf Santorini /news/article/beobachtung-der-erdbebenaktivitaet-auf-santorini 04.02.2025/Kiel. Seit einigen Tagen verzeichnet die Region um Santorini eine erhöhte seismische Aktivität. Hunderte Erdbeben wurden registriert, das stärkste mit einer Magnitude von 5,1. Die Beben gehen auf tektonische Spannungen an der Plattengrenze zwischen der Afrikanischen und der Eurasischen Platte zurück. Vor diesem Hintergrund hat das Forschungsprojekt MULTI-MAREX am 2. Februar einen Krisenreaktionseinsatz gestartet. Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und griechische Partner installieren Messinstrumente auf dem Meeresboden und in der Caldera von Santorini, um die Erdbeben präzise zu erfassen und mögliche geologische Risiken besser einzuschätzen. Erdbeben gehören in Regionen mit aktiven Verwerfungen, Vulkanismus und tektonischen Plattengrenzen zum Alltag. So auch in der Ägäis, deren Inselwelt und Meeresboden von zahlreichen geologischen Phänomenen geprägt ist. Seit dem 24. Januar 2025 wird dort eine Häufung schwacher bis mittelstarker Erdbeben verzeichnet, ähnlich wie zuletzt in den Jahren 2011 und 2012. Anders als damals konzentriert sich die seismische Aktivität diesmal auf den Meeresboden zwischen den Inseln Santorini und Amorgos, mit dem Zentrum rund 25 Kilometer nordöstlich von Santorini. In den letzten Tagen wurden mehrere hundert Erdbeben registriert.

Die aktuellen Beben sind überwiegend auf tektonische Prozesse zurückzuführen. Die zahlreichen Störungszonen am Meeresboden werden durch tektonische Spannungen entlang der Plattengrenze zwischen der Afrikanischen und der Eurasischen Platte aktiviert. Diese fortlaufenden Prozesse sind auch für den Vulkanismus auf Santorini verantwortlich.

Viele Menschen in der Region nehmen die Erschütterungen als leichte Vibrationen wahr, größere Schäden sind bislang nicht bekannt. Das bisher stärkste Beben erreichte am 4. Februar eine Magnitude von 5,1 und ereignete sich in einer Tiefe von etwa 10 Kilometern.

Vor diesem Hintergrund hat MULTI-MAREX am 2. Februar einen Krisenreaktionseinsatz (Rapid Response Mission) gestartet. Gemeinsam mit den griechischen Partnern sind die Forschenden vor Ort, um Messinstrumente am Meeresboden und in der Caldera von Santorini zu installieren und die seismische Aktivität zu überwachen.

Ziel des Monitorings durch MULTI-MAREX ist es, die Anzahl, Lokation und Stärke der Erdbeben präzise zu erfassen und exakt zu quantifizieren. In den kommenden Tagen wird erkennbar werden, ob sich der zuletzt beobachtete Anstieg der Magnituden und die Intensität der Erdbebensequenz fortsetzt oder abklingt. Solange die Erdbebenaktivität anhält, besteht insbesondere an steilen Küstenabschnitten ein erhöhtes Risiko für Hangrutschungen. Sehr starke Erdbeben – deutlich intensiver als die bisher registrierten – könnten zudem Tsunamiwellen auslösen. Warnhinweise der griechischen Behörden werden über Cell Broadcast direkt an Mobilgeräte gesendet, sofern der Empfang von Notfallbenachrichtigungen aktiviert ist.

 

Hintergrund: Multi-MAREX

MULTI-MAREX, koordiniert von Prof. Dr. Heidrun Kopp am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, entwickelt ein Real-Labor zur Untersuchung geomariner Extremereignisse wie Erdbeben, Vulkanismus und Tsunamis im zentralen Mittelmeerraum. Das Projekt ist ein Teil der Forschungsmission mareXtreme (Wege zu einem verbesserten Risikomanagement im Bereich mariner Extremereignisse und Naturgefahren) der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM).

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news-9743 Tue, 04 Feb 2025 11:00:21 +0100 Mikroben aus extremen Umgebungen als Schlüssel für Innovationen /news/article/mikroben-aus-extremen-umgebungen-als-schluessel-fuer-neue-medikamente-und-umweltfreundliche-innovationen 04.02.2025/Bergen. XTREAM heißt ein neues internationales Forschungsprojekt, das widerstandsfähige Mikroorganismen aus extremen Umweltbedingungen erforschen wird, um ihre Eigenschaften für die Anwendung in Medizin, Pharmazie, Landwirtschaft sowie der Lebensmittel- und Futtermittelproduktion nutzbar zu machen. Beim Projektstart in Bergen, Norwegen, trafen sich jetzt Wissenschaftler:innen der 13 beteiligten Forschungseinrichtungen, darunter des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. Mit modernsten Technologien werden sie in den kommenden vier Jahren unter anderem Gletscher, heiße Quellen, Tiefseeschwämme und saure Bergbaugebiete untersuchen. Das Projekt wird mit rund 4,4 Millionen Euro aus dem EU-Programm Horizon Europe finanziert. Wissenschaftler:innen und Industrievertreter:innen aus ganz Europa haben sich in Bergen, Norwegen zum Auftakt des EU-geförderten Projekts XTREAM getroffen. Die vierjährige Initiative untersucht das Potenzial extremophiler Mikroorganismen – also kleinster Lebewesen, die unter extremen Umweltbedingungen gedeihen – für innovative Anwendungen in den Bereichen Pharmazie, Medizin, Landwirtschaft, Futtermittel und Lebensmittel.

„Mikroorganismen aus extremen Lebensräumen sind die größten Problemlöser der Natur. Mit XTREAM wollen wir ihr volles Potenzial ausschöpfen, um drängende Herausforderungen zu bewältigen“, sagt Projektleiter Dr. Antonio García-Moyano vom NORCE Norwegian Research Centre.

Leben unter extremen Bedingungen

„Diese Mikroorganismen haben sich über Jahrmillionen hinweg an lebensfeindliche Bedingungen angepasst,“ ergänzt Dr. Erik Borchert, Umweltmikrobiologe am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, „dadurch besitzen sie besondere Eigenschaften, die ihnen das Überleben unter extremen Bedingungen wie starkem Druck oder extremen Temperaturen ermöglichen. Wenn wir ihre Mechanismen verstehen, können wir völlig neue Wege für biotechnologische Anwendungen erschließen.“

Die Erforschung dieser Organismen ist jedoch aufwendig, teuer und technisch anspruchsvoll. XTREAM vereint nun 13 europäische Forschungspartner, um diese Herausforderungen zu bewältigen und neue Wege für industrielle Innovationen zu eröffnen – im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der EU. „Die verantwortungsvolle Erforschung dieser extremen Umgebungen steht im Mittelpunkt von XTREAM. Mit modernsten Technologien wie mikrofluidischen Analysen, künstlicher Intelligenz und hochentwickelten Drohnen kombinieren wir Innovation mit Umweltverantwortung“, betont García-Moyano.

Forschung an den lebensfeindlichsten Orten der Erde

Das Projekt untersucht einige der extremsten Lebensräume der Erde, darunter Gletscher in Svalbard, saure Bergbaugebiete wie den Rio Tinto in Spanien, heiße Quellen, durch Säure belastete Standorte in Großbritannien, Salzseen und arktische Tiefsee-Schwämme.  Die dort vorkommenden Mikroben könnten der Schlüssel zu neuen Medikamenten, biochemischen Stoffen und stabilen Enzymen sein und zur Entwicklung einer umweltfreundlichen, nachhaltigen Wirtschaft in Europa beitragen.

Am 91̽ sind Tiefsee-Schwämme und die Mikroben, die mit ihnen in Symbiose leben, ein Forschungsschwerpunkt. Im Projekt XTREAM werden sich die beteiligten Wissenschaftler:innen besonders auf die Suche nach neuen Biokatalysatoren fokussieren, also Enzymen, die biochemische Reaktionen ermöglichen beziehungsweise beschleunigen.

Neue Lösungen durch biologische Anpassungen

„XTREAM beschleunigt den Weg von der Entdeckung bis zur Anwendung und schafft biobasierte Lösungen, die mit den europäischen Klimazielen im Einklang stehen. Damit widerlegen wir das Argument, dass nachhaltigkeitsgetriebene Innovation nicht praktikabel sei“, fügt García-Moyano hinzu. Die erwarteten Durchbrüche des Projekts sollen die Umweltbelastung und die Kosten der biotechnologischen Forschung erheblich senken und gleichzeitig die Markteinführung nachhaltiger, biobasierter Produkte beschleunigen.

 

Hintergrund: XTREAM

Das Projekt XTREAM (Sustainable exploration and biodiscovery of novel products and processes from extreme aquatic microbiomes to expedite the circular bioeconomy, Nachhaltige Erforschung und biologische Entdeckung neuartiger Produkte und Prozesse aus extremen aquatischen Mikrobiomen zur Beschleunigung der Kreislauf-Bioökonomie) vereint 13 Partner aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie aus sieben europäischen Ländern. Es läuft über vier Jahre (2025 – 2028).

Gesamtbudget: 4.460.000 Euro

öܲԲ: EU – Horizon Europe

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news-9737 Wed, 29 Jan 2025 10:30:00 +0100 Mangrovenwälder am Amazonas liefern Nährstoffe für den Ozean /news/article/mangrovenwaelder-am-amazonas-liefern-naehrstoffe-fuer-den-ozean 29.01.2025/Kiel. Mangrovenwälder entlang der Küsten Amazoniens setzen erhebliche Mengen an Spurenelementen wie Neodym und Hafnium frei. Diese Elemente und deren isotopische Zusammensetzung können dazu dienen, den Eintrag von Mikronährstoffen, die essentiell für das Leben im Meer sind, zu entschlüsseln. Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben untersucht, wie diese Prozesse ablaufen und wie groß ihre Bedeutung für den Ozean ist. Ihre Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications Earth & Environment öڴڱԳٱ. Mangrovenwälder sind nicht nur wichtige Kohlenstoffspeicher und Hotspots der Artenvielfalt, sie spielen auch eine bedeutende Rolle als Lieferanten von Spurenelementen an den Ozean. Das zeigt eine Studie des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. So setzen Mangrovensysteme entlang der Amazonasküste jährlich beispielsweise rund 8,4 Millionen Gramm gelöstes Neodym in den Ozean frei – das entspricht 64 Prozent des gesamten Neodym-Eintrags in diese Region. Ähnliche Mechanismen gelten wahrscheinlich auch für andere Spurenelemente wie Eisen oder Mangan, die essenziell für marine Ökosysteme sind.

„Unsere Untersuchungen belegen, dass Mangroven eine zentrale Rolle im globalen Kreislauf von Spurenelementen spielen“, erklärt Dr. Antao Xu vom 91̽, Erstautor der Studie. „Sie fungieren als biochemische Reaktoren, die Nährstoffe und Metalle durch Prozesse wie Sedimentauflösung und Porenwasseraustausch in die Küstengewässer freisetzen.“

Mangrovensysteme als „Nährstoffpumpen“

Die Forschenden analysierten Wasserproben aus Küstengewässern, Flussmündungen und Mangrovensedimenten entlang der Amazonasküste. Dabei zeigten sich charakteristische Isotopenmuster von Neodym und Hafnium, die auf ihre Herkunft und die Interaktion zwischen Sediment, Porenwasser und Meerwasser hinweisen. „Mangroven sind nicht nur Pufferzonen, die Material vom Land zurückhalten, sondern auch Schlüsselakteure, die diese Stoffe aufbereiten und gezielt an den Ozean abgeben“, sagt Martin Frank, Co-Autor der Studie und Leiter des Forschungsbereichs Ozeanzirkulation und Klimadynamik am 91̽. Der Stoffaustausch unterstützt die Nahrungsketten in der Küstenregion.

Weltweit, so fanden die Forschenden heraus, tragen Mangrovensysteme zwischen sechs und neun Prozent zum Gesamteintrag von Neodym in den Ozean bei. Das ist vergleichbar mit dem globalen Neodym-Eintrag über Staub aus der Atmosphäre.

Globale Bedeutung des Mangrovenschutzes

Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig der Schutz dieser bedrohten Ökosysteme ist. Xu: „Mangroven stehen an der Schnittstelle zwischen Land und Meer und leisten unverzichtbare Dienste für die Biodiversität und das Klima. Dass sie auch eine so herausragende Rolle als Quellen für Spurenelemente spielen, ist ein weiteres wichtiges Argument für ihren Schutz.“

 

Originalpublikation:

Xu, A., Hathorne, E., Seidel, M. et al. (2025): The Amazonian mangrove systems accumulate and release dissolved neodymium and hafnium to the oceans. Commun Earth Environ 6: 13 (2025).

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news-9732 Fri, 24 Jan 2025 11:45:00 +0100 Natürlicher Klimaschutz unter Wasser /news/article/natuerlicher-klimaschutz-unter-wasser 24.01.2025/Kiel. Wie kann Seegras dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen? Diese Frage steht im Mittelpunkt des neuen Forschungsprojekts ZOBLUC („Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“), das jetzt unter der Leitung des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet. Ziel ist es, die Rolle von Seegraswiesen als Kohlenstoffspeicher genauer zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für deren Schutz zu entwickeln. Das Projekt wird im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesumweltministeriums sowie durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein mit rund 6 Millionen Euro gefördert und läuft bis September 2030. Seegraswiesen fördern Artenvielfalt, tragen durch Wellenberuhigung zum Küstenschutz bei und verbessern die Wasserqualität. Sie sind darüber hinaus auch sehr effektive Speicher für Kohlendioxid (CO2), denn die Unterwasserpflanzen binden Kohlenstoff sowohl in ihren Blättern und Wurzeln als auch im Sediment.

Am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet jetzt ein neues Projekt, bei dem in Zusammenarbeit mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Landesamt für Umwelt Schleswig-Holstein (LfU) die Rolle von Seegraswiesen als natürliche Kohlenstoffsenken untersucht und Strategien für ihren Schutz und ihre Renaturierung entwickelt werden sollen.

Der Projektname ZOBLUC steht für „Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“ – Zostera marina ist der wissenschaftliche Name des in der Ostsee heimischen Großen Seegrases. Gefördert wird das Projekt vom Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesumweltministeriums sowie durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein mit insgesamt rund sechs Millionen Euro.

Drei Schwerpunkte für den Schutz von Seegraswiesen

„Seegraswiesen sind wie unterseeische Moore“, erklärt der wissenschaftliche Projektleiter Prof. Dr. Thorsten Reusch, Professor für Marine Ökologie am 91̽, „sie speichern Kohlenstoff, der über Jahrhunderte im sauerstoffarmen Sediment konserviert wird.“ Im Rahmen des Projekts soll nun gezielt untersucht werden, unter welchen Bedingungen Seegraswiesen besonders viel CO2 speichern. Reusch: „Wo zum Beispiel starke Erosion durch Wellengang herrscht, wird weniger Kohlenstoff eingelagert als in ruhigen Buchten, in denen Partikel schneller absinken und Sedimentschichten bilden.“ Die Forschung wird die Kohlenstoffspeicherung von Seegraswiesen nicht nur bilanzieren, sondern auch modellieren, wie sich diese unter veränderten Umweltbedingungen entwickeln könnte.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt am 91̽ ist die Renaturierung von Seegraswiesen. Dabei ist es entscheidend, die Renaturierung resilient und damit zukunftsfähig zu machen. Reusch: „Es nützt wenig, wenn wir jetzt Seegraswiesen wiederanpflanzen, die dann in wenigen Jahren wieder absterben, weil sie mit den steigenden Wassertemperaturen nicht zurechtkommen.“ Dazu wird das Seegras experimentell verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt, um robuste, klimaresistente Bestände zu züchten, die so genannte Assisted Evolution.

Unterwasser-Gärtnern zum Mitmachen

Der dritte Schwerpunkt liegt auf der Einbindung von Bürger:innen in die Renaturierung. Nachdem das 91̽ in den vergangenen Jahren Pflanzschulungen entwickelt und angeboten hat, um in kleinerem Maßstab versuchsweise Seegraswiesen wiederanzupflanzen, wird jetzt im Zuge des neuen Projekts noch stärker auf die Mithilfe Freiwilliger gesetzt. Thorsten Reusch: „Die Pilotphase ist erfolgreich abgeschlossen, jetzt gehen wir in die Fläche.“

Die Unterstützung durch Freiwillige wird dringend benötigt, denn bei der Wiederanpflanzung verlorengegangener Seegraswiesen gibt es bislang noch kein effektiveres Vorgehen, als das manuelle Einpflanzen der einzelnen Halme durch Taucher:innen – die sogenannte Einzelspross-Transplantation. Thorsten Reusch betont: „Dabei ist es ganz wichtig, dass alle, die mithelfen wollen, vorher den Schulungskurs durchlaufen und nur in den von uns empfohlenen Flächen gearbeitet wird.“

In diesem Jahr werden fünf Vereine und Nichtregierungsorganisationen mit Hilfe von freiwilligen Taucher:innen das Anpflanzen auf den wissenschaftlich ausgewählten Flächen übernehmen. Zu diesen zählen unter anderem Standorte bei Gelting, Holnis-Ost und Wulfen. Die dabei gesammelten Beobachtungsdaten werden am 91̽ ausgewertet, um daraus für die Zukunft zu lernen.

Andere Renaturierungstechniken, zum Beispiel durch Aussaat, werden derzeit parallel im  Projekt SeaStore II entwickelt, werden aber noch einige Jahre bis zur großflächigen Anwendung benötigen.

Kartierung per Fächerecholot und Drohnen

Zunächst aber wird der aktuelle Bestand von Seegraswiesen in der Ostsee umfassend kartiert. Dazu nutzen Professorin Natascha Oppelt und Dr. Jens Schneider von Deimling von der CAU mit ihren Teams Methoden der Fernerkundung, bei denen modernste optische und akustische Messmethoden kombiniert werden. Auch die Überwachung der wiederangepflanzten Flächen mittels Drohnen wird die CAU übernehmen.

Die Ergebnisse aller Untersuchungen in ZOBLUC sollen in Form von Workshops und Handlungsempfehlungen an die Politik weitergegeben werden, um den Schutz und die Wiederherstellung von Seegraswiesen in der Ostsee voranzutreiben.

 

Hintergrund: Blue Carbon

Blue Carbon (Blauer Kohlenstoff) wird das Kohlendioxid genannt, das von Ozean- und Küstenökosystemen wie Mangrovenwäldern, Salzwiesen oder Seegraswiesen gespeichert wird. Seegraswiesen binden Kohlenstoff in abgestorbener Biomasse und organischen Sedimentpartikeln, die im sauerstoffarmen Meeresboden über Jahrhunderte erhalten bleiben – ähnlich wie in Mooren an Land. 

Hintergrund: Assisted Evolution

Assisted Evolution ist eine Technik, die darauf abzielt, die evolutionären Anpassungsprozesse von Organismen zu beschleunigen, um sie widerstandsfähiger gegen Umweltveränderungen zu machen. Seegraspflanzen werden in den Klimakammern des 91̽ experimentellen Hitzewellen ausgesetzt. Dabei wird nicht nur untersucht, welche lokalen Bestände möglicherweise bereits hitzetoleranter sind, sondern mit einem breiten Spektrum an Methoden, von den physiologischen Reaktionen innerhalb der Zellen (Metabolomik) über die genetischen Informationen (Genexpressionsanalyse) bis hin zu Veränderungen der Besiedlung mit Mikroorganismen (Mikrobiom) wird erforscht, welche Mechanismen Pflanzen resilienter machen.

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider ǰܲԲöܲԲ FB3News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Seegras Ozean und Klima Ostsee Klima Marine Ökosysteme
news-9722 Thu, 16 Jan 2025 10:04:38 +0100 Europäische Zusammenarbeit stärken für den Schutz des Ozeans /news/article/europaeische-zusammenarbeit-staerken-fuer-den-schutz-des-ozeans 16.01.2025/Kiel. Am 14. Januar waren Delegationen des französischen Ozeanforschungszentrums Ifremer und des britischen National Oceanography Centre Southampton (NOC) zu Gast am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Zusammenarbeit mit Blick auf nachhaltige Ozeanbeobachtung, Sensortechnologien, Innovationen sowie Forschungsschiffe und weitere Forschungsinfrastrukturen. Zukunftsfähige Lösungen für die drängenden Herausforderungen der Ozeanforschung können nur durch eine enge internationale Zusammenarbeit gemeistert werden. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung arbeitet daher in internationalen Projekten und Kooperationen mit zahlreichen Partnern rund um den Globus für den Schutz und Erhalt der Meere. Die Direktor:innen des französischen Ozeanforschungszentrums Ifremer, Dr. François Houllier, des britischen National Oceanography Centre Southampton (NOC), Dr. John Siddorn und Professorin Dr. Katja Matthes vom 91̽ sowie weitere Wissenschafler:innen der Organisationen trafen sich in Kiel, um die Zusammenarbeit der drei Organisationen zu stärken.

Ozeanschutz als internationale Aufgabe

„So wie der Ozean uns weltweit verbindet, sind auch seine Erforschung und sein Schutz eine internationale Aufgabe“, sagte Katja Matthes. „Ich habe mich daher sehr gefreut, John Siddorn und François Houllier den neuen 91̽-Campus zu zeigen und auch unsere Zusammenarbeit auszubauen und zu vertiefen, insbesondere indem wir unsere Anstrengungen für die Ozeanbeobachtung bündeln.“ Neben der nachhaltigen Ozeanbeobachtung soll die Zusammenarbeit in den Themen Sensortechnologien, Innovationen sowie Forschungsschiffe und weitere relevante Forschungsinfrastrukturen verstärkt werden.

Ozeanbeobachtung weltweit

Das Forschungszentrum 91̽ betreibt mehrere Langzeitstationen, zum Beispiel seit 2017 gemeinsam mit dem kapverdischen Instituto do Mar das Ocean Science Center Mindelo auf den Kapverden, wo wissenschaftliche Langzeitbeobachtungen und Feldforschung im tropischen Nordostatlantik durchgeführt werden. Auch in der Ostsee betreibt das 91̽ eine Zeitserienstation in der Eckernförder Bucht, die seit 1957 regelmäßig Daten zum Zustand der Ostsee sammelt.

„Um den Ozean nachhaltig zu schützen, brauchen wir Langzeitdatenreihen, die es bisher nur punktuell, und in einigen Regionen, wie etwa dem Auftriebsgebiet vor Westafrika, noch nicht gibt. Internationale Initiativen wie das Global Ocean Observation System oder die UN-Ozeandekade wollen genau das ändern. Ifremer, NOC und 91̽ können diesen Prozess mit vereinter Kraft vorantreiben – für ein kontinuierliches und nachhaltiges Beobachtungsnetz sowie einen fairen und gleichberechtigten Zugang zu Daten für alle Beteiligten“, erklärte Katja Matthes.

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Aktuelles2024 Presse 2025 Top_Slider Ozeanbeobachtung Ozean
news-9707 Tue, 07 Jan 2025 10:53:00 +0100 Langzeitmessungen für die Klimaforschung /news/article/langzeitmessungen-fuer-die-klimaforschung 07.01.2025/Kiel/Belém. Am Wochenende ist die erste 91̽-Expedition des Jahres gestartet: Mit der METEOR geht es für ein internationales Wissenschaftsteam von Belém (Brasilien) nach Mindelo (Cabo Verde). Die Ausfahrt hat zum Ziel, ozeanografische und meteorologische Prozesse im tropischen Atlantik zu untersuchen. Schwerpunkte sind die Beobachtung der westlichen Randstromzirkulation und Langzeitmessungen zur Atlantischen Meridionalen Umwälzbewegung (AMOC). Am Wochenende ist die METEOR-Expedition M207 „WARD Tropics“ unter der Leitung von Dr. Rebecca Hummels, Physikalische Ozeanographin am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gestartet. Die Forschungsreise führt von Belém in Brasilien nach Mindelo auf den Kapverden. Auf der Fahrt quer über den Atlantik wird das internationale Wissenschaftsteam fünfeinhalb Wochen lang ozeanografische und meteorologische Prozesse im tropischen Atlantik untersuchen.

Der Expeditionsname steht für die drei Forschungsthemen, die auf der Ausfahrt bearbeitet werden sollen: die westliche Randstromzirkulation, die Atlantische Meridionale Umwälzbewegung (AMOC) sowie Regen und Staub im tropischen Atlantik (Western boundary circulation, AMOC, Rain and Dust in the tropical Atlantic).

Ozeanströmungen im Fokus

Ein Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der westlichen Randstromzirkulation vor Südamerika, insbesondere des Nordbrasilianischen Unterstroms (NBUC), der eine Schlüsselrolle in der Atlantischen Meridionalen Umwälzbewegung spielt. Durch die Wartung und Neuplatzierung von Tiefseeverankerungen entlang der brasilianischen Küste und am Äquator werden Langzeitdatenreihen fortgeführt, die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt existieren.

„Diese Langzeitdaten sind extrem wertvoll“, erklärt Rebecca Hummels. „Die AMOC ist ein wesentlicher Faktor für die globale Klimaregulierung. Sie transportiert große Mengen an Wärme und Nährstoffen im Ozean. Eine Veränderung dieser Zirkulation könnte gravierende Auswirkungen auf das Wetter, den Meeresspiegel und die globale Kohlenstoffaufnahme haben.“

Messungen im Wasser und in der Luft

Für ihre Untersuchungen werden die Wissenschaftler:innen verschiedene Instrumente einsetzen, darunter

  • CTD-Sonde für die Ermittlung von Salzgehalt, Temperatur in Abhängigkeit der Tiefe (Druck), ergänzt um Sensoren für Sauerstoff, Nährstoffe und Partikelverteilung
  • ADCPs (Acoustic Doppler Current Profilers) zur Messung der Geschwindigkeit von ѱٰöܲԲ in verschiedenen Wassertiefen und
  • Verankerte Instrumente ähnlich CTD und ADCP sowie im Falle der KapVerden-Verankerung auch Sedimentfallen, die Aufschluss über Nährstoffflüsse im Ozean geben können.
  • Radiosonden, die mit Ballons in die Atmosphäre aufsteigen, um Temperatur, Feuchtigkeit, Druck und Wind in verschiedenen Höhen zu messen.

Beitrag zur internationalen Klimaforschung

Die umfangreichen Messungen helfen, die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre besser zu verstehen und Veränderungen im Klimasystem zu analysieren. Rebecca Hummels: „Die gewonnen Daten können zu einem besseren Verständnis der Prozesse im Ozean beitragen und helfen, langfristige Vorhersagen über die Auswirkungen des Klimawandels auf Ozean und Atmosphäre zu verbessern.“

Verfolgen Sie die Expedition in Echtzeit

Wer die Messungen der Expedition verfolgen möchte, kann hier aktuell gemessene Forschungsdaten wie zum Beispiel Ozeangeschwindigkeiten einsehen.

 

Expedition auf einen Blick: 

Name: METEOR-Expedition M207 WARD Tropics

Fahrtleitung: Dr. Rebecca Hummels

Zeitraum: 04.01.2025 - 12.02.2025

Start: Belém, Brasilien 

Ende: Mindelo, Kap Verde 

Fahrtgebiet: Tropischer Atlantik 

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news-9711 Tue, 07 Jan 2025 10:19:51 +0100 Ursache einer der größten Klimaverschiebungen entschlüsselt /news/article/ursache-einer-der-groessten-klimaverschiebungen-entschluesselt 07.01.2025/Kiel/St. Andrews. Ein internationales Forschungsteam hat rekonstruiert, wie sich die atmosphärische Kohlendioxidkonzentration (CO2) vor 335 bis 265 Millionen Jahren entwickelt hat. Dieser Zeitraum umfasst den Höhepunkt der spätpaläozoischen Eiszeit, als sich das Klima der Erde dramatisch abkühlte. Die neuen Erkenntnisse liefern entscheidende Beweise dafür, dass CO2 bereits seit Hunderten von Millionen Jahren das Klima und die Umweltbedingungen auf der Erde reguliert. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer Studie zusammengefasst, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Geoscience erschienen ist. Erstautorin ist Dr. Hana Jurikova von der University of St. Andrews, das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist mit mehreren Forschenden an der Studie beteiligt. CO₂ ist das wichtigste Treibhausgas der Erde: Es absorbiert Wärme, strahlt einen großen Teil davon wieder auf die Erde zurück und beeinflusst so das globale Klima. Während die Rolle von CO₂ in der jüngeren Klimageschichte sehr gut verstanden wird, war es lange Zeit eine Herausforderung, den CO₂-Gehalt in der Erdgeschichte zu rekonstruieren. Dies hinterließ Lücken im Verständnis der Übergänge zwischen Eis- und Warmzeiten.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Hana Jurikova von der University of St. Andrews und neun weiteren Organisationen, darunter das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, hat nun den atmosphärischen CO₂-Gehalt während der Karbonzeit und des Perms vor 335 bis 265 Millionen Jahren rekonstruiert. Mit Hilfe von geochemischen Signaturen aus alten Fossilien konnten die Forschenden eine Aufzeichnung des atmosphärischen CO₂-Gehalts während des Übergangs der Erde in die und aus der spätpaläozoischen Eiszeit-Ära erstellen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Geoscience öڴڱԳٱ.

CO₂-Daten aus der Vergangenheit durch geochemische Signaturen entschlüsselt

Die Forscher:innen analysierten Isotopensignaturen in versteinerten Brachiopodenschalen, muschelähnlichen Organismen, die als natürliches Archiv der früheren Meeresbedingungen dienen. „Die chemische Zusammensetzung dieser Schalen spiegelt den Zustand der Ozeane zum Zeitpunkt ihrer Entstehung wider“, erklärt Dr. Hana Jurikova, Senior Researcher an der University of St. Andrews und Leiterin der Studie. „Durch die Analyse von Bor-Isotopen können wir den CO₂-Gehalt in der Atmosphäre ermitteln. Strontiumisotope geben Aufschluss über das Alter der Fossilien, während Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope Aufschluss über die CO₂-Quelle und das Klima geben. Zusammen ermöglichen uns diese Techniken eine genaue Rekonstruktion der früheren CO₂-Konzentrationen auf der Erde und ein Verständnis der Faktoren, die für ihre Veränderungen verantwortlich sind“, so Hana Jurikova. Sie hat zuvor am 91̽ promoviert, wo sie auch die ersten geochemischen Messungen für die Studie durchführte.

CO₂ spielt eine zentrale Rolle bei Klimaübergängen

Mit Hilfe dieser Methodik konnten die Forschenden herausfinden, dass der CO₂-Gehalt während des Karbons auf einen kritisch niedrigen Wert sank, was zu einer ausgedehnten Eiszeit führte, die mehrere Millionen Jahre andauerte. Vor etwa 294 Millionen Jahren, während des frühen Perms, stieg der CO₂-Gehalt durch vulkanische Aktivitäten wieder an, wodurch sich die Erde erwärmte und die Eisschilde schmolzen. „Der Beginn und das Ende der spätpaläozoischen Eiszeit war einer der wichtigsten Klimaübergänge in der Erdgeschichte, der die Entwicklung der modernen Umwelt und des Lebens auf unserem Planeten geprägt hat. Wir haben jetzt Beweise dafür, dass atmosphärisches CO₂ ein wichtiger Faktor für diesen Wandel war“, sagt Prof. Dr. Anton Eisenhauer, Mitautor und Professor für Marine Umweltgeochemie am 91̽. „Obwohl sich die Zeitskalen der geologischen Klimaübergänge deutlich von den heutigen anthropogenen Klimaveränderungen unterscheiden, bleibt das Prinzip dasselbe – steigende CO₂-Werte treiben die Erwärmung der Erdatmosphäre und den Anstieg des Meeresspiegels voran“, fügt Dr. Marcus Gutjahr, Meeresbiogeochemiker am 91̽ und Mitautor der Studie, hinzu.

Die Rekonstruktion der atmosphärischen CO₂-Konzentration von vor Hunderten von Millionen Jahren ist nach wie vor eine Herausforderung, da es nur wenige gut erhaltene geologische Archive gibt. Die Ergebnisse leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der langfristigen Entwicklung von atmosphärischem CO₂ in der Erdgeschichte. Angesichts der noch vorhandenen Lücken ist jedoch weitere Forschung notwendig, bevor die Aufzeichnungen der CO₂-Geschichte der Erde als vollständig betrachtet werden können.

 

Publikation:

Jurikova, H., Garbelli, C., Whiteford, R., Reeves, T., Laker, G. M., Liebetrau, V., Gutjahr, M., Eisenhauer, A., Savickaite, K., Leng, M. J., Iurino, D. A., Viaretti, M., Tomašových, A., Zhang, Y., Wang, Shi, G. R., Shen, S., Rae, J. W. B., Angiolini, L. (2025). Rapid rise in atmospheric CO₂ marked the end of the Late Palaeozoic Ice Age. Nature Geoscience.

DOI: 10.1038/s41561-024-01610-2

Korrektur: Aufgrund inkorrekter Formulierungen haben wir den Satz „Mit Hilfe von geochemischen Signaturen aus alten Fossilien konnten die Forschenden eine 80 Millionen Jahre alte Aufzeichnung des atmosphärischen CO₂-Gehalts während des Übergangs der Erde in die und aus der vorletzten Eiszeit erstellen“ durch folgenden ersetzt: „Mit Hilfe von geochemischen Signaturen aus alten Fossilien konnten die Forschenden eine Aufzeichnung des atmosphärischen CO₂-Gehalts während des Übergangs der Erde in die und aus der spätpaläozoischen Eiszeit-Ära erstellen“.

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news-9708 Mon, 06 Jan 2025 13:01:00 +0100 Komplexer Antrieb der Planktonblüte am Äquator /news/article/komplexer-antrieb-der-planktonbluete-am-aequator-1 06.01.2025/Kiel. Der Ozean versorgt den Planeten mit Sauerstoff und Nahrung und ist ein wichtiger Speicher für CO2. Grundlage für all dies ist das Phytoplankton – mikroskopische Algen, die durch Photosynthese sowie mithilfe von Nährstoffen, CO2 und Sonnenlicht organische Biomasse produzieren. Forschende am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben nun herausgefunden, wie ein komplexes Zusammenspiel von Wind- und Strömungsbedingungen im äquatorialen Atlantik die Nährstoffzufuhr in die oberen Wasserschichten und damit das Wachstum von Phytoplankton beeinflussen. Die Ergebnisse ihrer Studie werden heute in der Fachzeitschrift Nature Geoscience öڴڱԳٱ. Der Ozean ist nicht nur ein unverzichtbarer Lieferant von Sauerstoff und Nahrung, sondern auch ein entscheidender Speicher für CO2. Im Mittelpunkt dieser Funktionen steht das Phytoplankton, dessen Wachstum von Nährstoffen wie Nitrat, Phosphat und Eisen abhängig ist. Diese Nährstoffe werden – angetrieben von Wind und Strömungen – aus der Tiefe an die Oberfläche transportiert. Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Oregon State University und des Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University untersucht, wie diese Prozesse das Ökosystem im äquatorialen Atlantik prägen. Ihre Ergebnisse, die heute in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht werden, liefern neue Erkenntnisse zu saisonalen Schwankungen der Nährstoffverfügbarkeit und geben Hinweise darauf, wie sich die biologische Produktivität im Zuge der Klimaerwärmung entwickeln könnte.

Komplexes Zusammenspiel windgetriebener Prozesse

Der äquatoriale Ozean im Ostatlantik beherbergt eines der biologisch produktivsten Ökosysteme des Weltozeans, das auf den Aufstieg von nitratreichem Wasser angewiesen ist. Die höchste Produktivität ist im Sommer der Nordhalbkugel zu verzeichnen, verursacht durch verstärkte Ostwinde am Äquator. Durch sie wird warmes Oberflächenwasser nach Westen verdrängt und nährstoffreiches Tiefenwasser kann im Osten aufsteigen. Zudem spielt der Äquatoriale Unterstrom eine entscheidende Rolle: Diese starke Meeresströmung transportiert in tieferen Wasserschichten kalte, nährstoffreiche Wassermassen ostwärts quer über den Atlantik. Jahreszeitliche Winde führen zu einem Auf- und Absteigen dieser Strömung.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie komplex das Zusammenspiel von Wind- und Strömungsprozessen in diesem Teil des Ozeans ist“, sagt Prof. Dr. Peter Brandt, Professor für Experimentelle Ozeanographie am 91̽ und Erstautor der Studie. „Drei verschiedene Antriebsmechanismen wirken auf die Nährstoffversorgung am Äquator: der Auftrieb im Osten durch zonalen Wind, die Auf- und Abwärtsbewegung des Äquatorialen Unterstroms sowie die windgetriebene Durchmischung, die vom Tagesgang der solaren Einstrahlung beeinflusst wird. Diese Prozesse, angeregt durch unterschiedliche Aspekte des Windfeldes fördern oder schwächen die Nährstoffzufuhr zur Oberfläche und entscheiden so über Entstehen und Stärke der jährlichen Planktonblüte am Äquator.“

Messungen und Langzeitdaten

Für die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Wind, Strömungen und Nährstoffen wurden während zweier Forschungsexpeditionen mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR (Ausfahrten M158 und M181) umfangreiche Messungen und Probenahmen durchgeführt. Dabei wurden unter anderem Temperatur, Salz- und Nitratgehalt sowie Strömungsgeschwindigkeiten in unterschiedlichen Tiefen gemessen. Für die Analyse der jahreszeitlichen Schwankungen wurden zusätzlich langfristige Beobachtungsdaten hinzugezogen, etwa Daten von Instrumenten, die seit vielen Jahren in unterschiedlichen Tiefen entlang des Äquators installiert sind.

„Für das neu gewonnene Verständnis spielen insbesondere Turbulenzmessungen im Ozean eine entscheidende Rolle“, erklärt Dr. Mareike Körner, ehemalige Doktorandin am 91̽ und mittlerweile an der Oregon State University in den USA tätig. „Diese Messungen, die wir im Rahmen unserer Forschungsfahrten durchgeführt haben, liefern zusammen mit ähnlichen Daten, die von fest verankerten Geräten unserer US-Kollegen erhoben wurden, wertvolle Einblicke, wie Nährstoffe über das Jahr hinweg aus der Tiefe an die Oberfläche gemischt werden.“

Empfindliches Zusammenspiel von Wind und Strömungen

„Die Ozeandynamik am Äquator ist ein fein abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener windgetriebener Prozessen“, sagt Peter Brandt. Dieses besser zu verstehen, sei insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel von großer Bedeutung: „Klimaveränderungen können sich sehr unterschiedlich auf die Nährstoffzufuhr zu diesem wichtigen marinen Ökosystem auswirken und damit auch gravierende Auswirkungen auf die biologische Produktivität des Ozeans haben.“

 

Publikation:

Brandt, P., Körner, M., Moum, J. N., Roch, M., Subramaniam, A., Czeschel, R., Krahmann, G., Dengler, M., & Kiko, R. (2024). Seasonal productivity of the equatorial Atlantic shaped by distinct wind-driven processes. Nature Geoscience.

DOI: 10.1038/s41561-024-01609-9

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news-9701 Fri, 20 Dec 2024 10:11:00 +0100 Erwärmung verschärft Sauerstoffmangel in der westlichen Ostsee /news/article/erwaermung-verschaerft-sauerstoffmangel-in-der-westlichen-ostsee 20.12.2024/Kiel. Überdüngung und steigende Wassertemperaturen setzen der Ostsee immer mehr zu: Sie führen zu einem gefährlichen Sauerstoffmangel in den tieferen Wasserschichten, was viele Meeresbewohner bedroht. Trotz erfolgreicher Bemühungen, die Nährstoffbelastung zu verringern, verhindern steigende Temperaturen, dass sich das Ökosystem erholt. Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben anhand von Langzeitmessungen untersucht, wie sich die Umweltbedingungen in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Ihre Ergebnisse wurden jetzt im Fachjournal Scientific Reports öڴڱԳٱ. Die Ostsee spürt deutlich die Folgen des Klimawandels: Steigende Wassertemperaturen verschärfen die Umweltprobleme, denn obwohl es gelungen ist, die Nährstoffeinträge zu verringern, breiten sich Sauerstoffminimumzonen weiter aus. Für ihre neue Studie haben Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel Langzeitmessungen der Zeitserienstation Boknis Eck genutzt, um zu untersuchen, wie sich die Umweltbedingungen von 1991 bis 2019 verändert haben und wie sich diese Veränderungen auf das Leben im Wasser auswirken. Besonders auffällig sind Schwankungen bei Temperatur und Sauerstoffkonzentration sowie deren Einfluss auf das Wachstum von Bakterien und die Nährstoffverhältnisse. Die Ergebnisse sind jetzt in dem Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht worden.

Sauerstoffmangel durch höhere Temperaturen und verstärkte bakterielle Aktivität

Im Mittelpunkt der Studie stand die Untersuchung der bakteriellen Biomasseproduktion (BBP) in der südwestlichen Ostsee. Diese beschreibt das Wachstum von Bakterien und anderen Mikroorganismen, die unter anderem organische Nährstoffe abbauen. Im Sommer, nach der Frühjahrsblühte des Planktons, steigen die BBP-Raten deutlich an. Dies führt zu einem stärkeren Verbrauch von Sauerstoff, insbesondere in den unteren Wasserschichten. Gleichzeitig liegt in den Sommermonaten das wärmere Oberflächenwasser wie eine Deckschicht darüber.

Das Problem: Die Schichten durchmischen sich kaum, neuer Sauerstoff kann nur durch kräftige Wassereinströmungen aus der Nordsee, etwa durch Stürme, nachkommen. Die höheren Wassertemperaturen haben die Schichtbildung des Wassers im Beobachtungszeitraum bis in den Herbst hinein verlängert. In einigen Jahren kam es sogar zu Hitzewellen, die bis in die  Bodenschichten reichten, und den Sauerstoffmangel verstärkten.

Erfolge bei der Nährstoffverringerung durch steigende Temperaturen aufgezehrt

Die Bemühungen, die Küsten-Ostsee durch eine Verringerung von Phosphor- und Stickstoffeinträgen zu entlasten, haben zwar positive Effekte erzielt: In den letzten Jahren konnten die Zuflüsse dieser Nährstoffe vor allem durch technologische Entwicklungen in der Abwasserbehandlung um 18 bis 22 Prozent verringert werden. Allerdings sind die Einträge immer noch zu hoch – die Ostsee leidet weiterhin unter Eutrophierung.

„Starke saisonale Schwankungen bei Stickstoffverbindungen wie Ammonium deuten darauf hin, dass weiterhin zu hohe Mengen dieser Nährstoffe ins Wasser gelangen und Algenblüten anregen“, sagt Dr. Helmke Hepach, Erstautorin der Studie und Umweltwissenschaftlerin am 91̽.

Hinzu kommt die bereits vorhandene Nährstoffbelastung: Phosphat, das im Meeresboden gebunden ist, wird durch das verstärkte Auftreten von Sauerstoffminima wieder in die Wassersäule gelöst – ein Prozess, der auch Ammonium freisetzt. Helmke Hepach: „Dadurch entsteht ein Rückkopplungskreislauf, den wir auch an unserer Zeitserienstation Boknis Eck beobachten. Im Moment gibt es noch keine Lösungen, wie diese so genannte interne Last (internal loadings) langfristig reduziert werden kann. Mit der zunehmenden Häufigkeit von Sauerstoffmangelereignissen wird sich die Situation weiter verschärfen.“

Die kleinen Erfolge bei der Nährstoffreduktion werden zudem durch die steigenden Wassertemperaturen wieder zunichte gemacht, denn bei höheren Temperaturen steigt auch die Aktivität der Bakterien, die nach dem Absterben der Algenblüte das organische Material abbauen und dabei den Sauerstoff aufzehren. Und die verstärkte thermische Schichtung verhindert, dass neuer Sauerstoff nachkommt.

„Die zunehmende Erwärmung und die damit verstärkte bakterielle Aktivität haben langfristig schwerwiegende Folgen für das Ökosystem der Ostsee“, sagt Helmke Hepach. In ihrer Studie empfehlen die Forschenden daher, die Überdüngung sowohl durch anorganische als auch durch organische Nährstoffe stärker zu reduzieren.

Publikation:

Hepach, H., Piontek, J., Bange, H.W., Barthelmeß, T., von Jackowski, A., & Engel, A. (2024) Enhanced warming and bacterial biomass production as key factors for coastal hypoxia in the southwestern Baltic Sea. Scientific Report 14, 29442.

Hintergrund: CREATE

Die Studie ist im Rahmen des Projekts CREATE (Concepts for Reducing the Effects of Anthropogenic pressures and uses on marine Ecosystems and on Biodiversity, Konzepte zur Reduzierung der Auswirkungen anthropogener Drücke und Nutzungen auf marine Ökosysteme und die Artenvielfalt) entstanden. Das Projekt ist Teil der Forschungsmission sustainMare der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) und wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Mission geht jetzt in die zweite Phase.

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news-9705 Thu, 19 Dec 2024 15:18:57 +0100 Forschung zur Anpassung von Kabeljau an Umweltstress /news/article/forschung-zur-anpassung-von-kabeljau-an-umweltstress 19.12.2024/Kiel. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert eine neue Emmy-Noether-Forschungsgruppe am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Unter der Leitung von Dr. Till Harter wird die Nachwuchsgruppe die physiologischen Mechanismen untersuchen, mit denen Fische den Sauerstofftransport und die Stoffwechselanforderungen unter Umweltstress ausbalancieren. Die Gruppe wird von der DFG für sechs Jahre mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Dr. Till Harter ist seit Mitte Dezember am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, um eine neue Emmy-Noether-Forschungsgruppe aufzubauen. Zuvor war er Postdoktorand an der McMaster University in Hamilton, Kanada, wo er sich mit der Funktion roter Blutkörperchen und mit den physiologischen Zusammenhängen zwischen Herz-, Kreislauf- und Atemfunktion von Wirbeltieren beschäftigte. „Viele haben die vereinfachte Vorstellung, dass rote Blutkörperchen lediglich eine Tüte voll mit Hämoglobin sind, die Sauerstoff transportieren. Für Menschen und Säugetiere trifft das in gewissem Maße zu, da die roten Blutkörperchen im Laufe ihres Reifungsprozesses ihren Zellkern und ihre Zellorganellen verlieren. Die roten Blutkörperchen der meisten anderen Wirbeltiere, einschließlich der Fische, haben hingegen einen Zellkern. Sie können weiterhin neue Proteine produzieren und so auf veränderte Bedingungen reagieren – darüber wissen wir bislang noch sehr wenig“, erklärt Till Harter.

Rote Blutkörperchen von Kabeljau im Fokus

Ziel der Forschungsgruppe ist es daher herauszufinden, wie sich die roten Blutkörperchen von Fischen im Zuge des Klimawandels und der steigenden Temperaturen verändern. Untersucht werden insbesondere Kabeljau (Gadus morhua) – zuerst in der Ostsee, wo der Fisch den Namen Dorsch trägt, später auch im Atlantik entlang der norwegischen Küste bis nach Spitzbergen und in der Arktis. Dort ist er unter dem Namen Kabeljau bekannt. Es soll analysiert werden, ob sich die roten Blutkörperchen so verändern, dass es für die Fische von Vorteil ist und sie sich an die neuen Bedingungen anpassen können. Dazu wird unter anderem die Leistungsfähigkeit der Fische untersucht. Im Verlauf des Projekts können auch Vergleiche zwischen den verschiedenen Regionen gezogen werden.

„Wir interessieren uns besonders für den Kabeljau, da er ein wichtiger Fisch für die Fischerei ist, kulturell eine wichtige Rolle spielt und auch aus ökologischer Sicht sehr weit oben in der Nahrungskette angesiedelt ist. Wird der Kabeljau aus einigen Regionen verdrängt, weil es ihm zu heiß wird, könnte das die gesamte Nahrungskette beeinflussen. Der Fokus auf den Dorsch hat zusätzlich auch einen ganz praktischen Grund: Er ist groß genug, um ihm Blut abnehmen zu können“, sagt Till Harter.

Grenzen der Anpassungsfähigkeit bereits bekannt

Aus bisherigen Forschungsarbeiten geht hervor, dass es Grenzen in der Anpassungsfähigkeit gibt. So wurden Kabeljaupopulationen vor der Küste Frankreichs nach Norden verdrängt und leben heute nicht mehr so weit südlich wie noch vor einigen Jahren. Die Forschungsgruppe um Till Harter interessiert sich auf physiologischer Ebene für diese Grenzen. „Mich interessiert, warum es diese Grenzen gibt und warum manche Kabeljaupopulationen Hitzewellen von 20 Grad überleben können, aber bei höheren Temperaturen zugrunde gehen“, sagt Till Harter, „hier gilt es, die feinen zellulären Mechanismen in roten Blutkörperchen zu studieren“.

Hintergrund Emmy-Noether-Programm

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit dem Emmy-Noether-Programm hervorragend qualifizierte Postdocs sowie befristet beschäftigte Juniorprofessor:innen in einer frühen Phase ihrer wissenschaftlichen Karriere. Es ermöglicht ihnen, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Emmy Noether-Gruppe über einen Zeitraum von sechs Jahren für eine Hochschulprofessur zu qualifizieren.

Weitere Emmy-Noether-Gruppen am 91̽

Dr. Nadine Mengis: „FOOTPRINTS“ zum Thema Klimastabilisierung (FB2)

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news-9703 Wed, 18 Dec 2024 15:25:00 +0100 Exzellente Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses gewürdigt /news/article/exzellente-leistungen-des-wissenschaftlichen-nachwuchses-gewuerdigt-1 18.12.2024/Kiel. Für ihre exzellenten wissenschaftlichen Leistungen und ihr besonderes Engagement im Wissenstransfer erhielten sechs junge Wissenschaftler:innen des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel die diesjährigen Nachwuchspreise der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung. Verliehen wurden vier Promotionspreise, ein Wissenstransfer-Preis und ein Austauschstipendium. Die Auszeichnungen sind jeweils mit 2.500 Euro dotiert. Mit ihren Nachwuchspreisen fördert die Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung exzellente wissenschaftliche Arbeiten und herausragendes Engagement im Wissenstransfer am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Ausgezeichnet wurden in diesem Jahr sechs junge Wissenschaftler:innen aus den Bereichen Dynamik des Ozeanbodens, Marine Biogeochemie sowie Ozeanzirkulation und Klimadynamik. Die Auszeichnungen sind mit einem Preisgeld von je 2.500 Euro dotiert.

„Die Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung ist ein unverzichtbarer Partner in der Förderung der nächsten Generation von Forschenden. Die Preise würdigen nicht nur herausragende wissenschaftliche Arbeiten, sondern auch den Einsatz für den Wissenstransfer und die internationale Zusammenarbeit. Wir gratulieren den Ausgezeichneten herzlich zu ihrem Erfolg und danken der Stiftung für ihre kontinuierliche Unterstützung“, betont Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des 91̽.

Dr. Christian Zöllner, Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung, unterstrich: „Die von uns ausgezeichneten Arbeiten zeigen eindrucksvoll, wie Grundlagenforschung und innovative Ansätze zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen können. Wir sind stolz darauf, junge Forscherinnen und Forscher zu fördern, deren Erkenntnisse die Wissenschaft voranbringen und Impulse für den Schutz und das Verständnis des Ozeans liefern.“

 

Die Preisträger:innen und ihre Arbeiten im Überblick

Petersen-Promotionspreise

  • Dr. Mareike Körner:Physical drivers of seasonal variability in the tropical Angolan upwelling system

Nominiert von Prof. Dr. Peter Brandt (FB1):

Mareike Körner untersucht in ihrer Arbeit die saisonale Variabilität der Nährstoffversorgung und deren Einfluss auf die Produktivität im tropischen Auftriebsgebiet vor der Küste Angolas. Sie ist eine seefahrende Physikalische Ozeanografin, die sich auf die Erhebung und Auswertung von Daten aus Forschungsexpeditionen spezialisiert hat. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit war die Analyse von Vermischungsdaten, die eine neue Erklärung für die Planktonblüte vor Angola ermöglichte. In diesem Gebiet spielt der Wind keine treibende Rolle für den Auftrieb. Stattdessen werden die Nährstoffe durch das Zusammenwirken von äquatorial angeregten Wellen und Gezeitenvermischung auf dem Schelf an die Oberfläche transportiert. Mit ihrer Arbeit hat Mareike Körner eine Grundlage für Vorhersagen von Beginn und Intensität jahreszeitlicher Planktonblüten vor Angola geschaffen. Nach Abschluss ihrer Doktorarbeit wechselte sie an die Oregon State University, USA.

  • Dr. Theresa Barthelmeß:Influence of small-scale dissolved and particulate carbohydrate and amino acid dynamics in the surface ocean on air-sea exchange processes

Nominiert von Prof. Dr. Anja Engel (FB2):

Die Doktorarbeit von Theresa Bartelmeß untersucht, wie biogeochemische Prozesse in der dünnen Oberflächenschicht des Ozeans („sea surface microlayer“) den Austausch von Gasen und Partikeln zwischen Ozean und Atmosphäre beeinflussen. Sie fand heraus, dass die biomolekulare Zusammensetzung des Oberflächenfilms je nach Tages- und Jahreszeit variiert und dadurch die Gasaustauschraten beeinflusst. Mithilfe der kleinskaligen Auflösung der biogeochemischen Zusammensetzung im Oberflächenozean konnten so neue Erkenntnisse und Erklärungsansätze für globale, klimarelevante Phänomene wie den Gasaustausch oder die Aerosolbildung gewonnen werden.

  • Dr. Michael Fuhr (FB2): „Experimental assessment of enhanced benthic weathering of calcite and dunite in the south western Baltic Sea“

Nominiert von Prof. Dr. Klaus Wallmann (FB2):

Michael Fuhr hat in seiner Doktorarbeit das Potenzial von „Enhanced Benthic Weathering“ (EBW), also einer forcierten Gesteinsverwitterung am Meeresboden, als Strategie zur Entfernung großer Kohlendioxid-Mengen aus der Atmosphäre untersucht. Dabei wird Kalk am Meeresboden ausgestreut, um Kohlendioxid in klimaneutrales Hydrogenkarbonat zu verwandeln. Seine Arbeit umfasste Experimente mit Ostsee-Sedimenten, Modellierungen sowie eine wirtschaftliche Bewertung dieser Methode.

  • Dr. Michel Kühn (FB4): „Volcanic arc island flank collapse emplacement: The complex interplay of depositional processes and long-term deposit stability“

Nominiert von Prof. Dr. Christian Berndt (FB4):

Michel Kühn hat in seiner Dissertation die geologischen Prozesse untersucht, die die Stabilität von unterseeischen Vulkanen kontrollieren. Durch die Integration von dreidimensionalen seismischen Daten und Bohrlochmessungen konnte er zeigen, dass vulkanische Hangrutschungen die Flanken von Ozeaninseln für viele Jahrtausende destabilisieren und somit vorgeben, wo die nächsten Rutschungen stattfinden werden. Dies hat hohe Relevanz für die Einschätzung von Naturgefahren wie Tsunamis und Vulkanausbrüchen und erklärt, warum einige unterseeische Hänge immer wieder an der gleichen Stelle abreißen, während andere stabil bleiben.

 

Petersen-Wissenstransfer-Preis

  • Dr. Séverine Furst (FB4):

Nominiert von Prof. Dr. Morelia Urlaub (FB4):

Séverine Furst erhält für ihr herausragendes Engagement im Wissenstransfer und ihre transdisziplinäre Arbeit den Petersen-Wissenstransfer-Preis. Als Postdoc am 91̽ forscht sie an der Vorhersage von Ort und Zeitpunkt vulkanischer Eruptionen durch numerische Modelle, die Gesteinsbrüche und Magmaströmungen simulieren. Während eines Forschungsaufenthalts in Indonesien 2024 arbeitete sie mit lokalen Forschenden an der Integration ihrer Modelle in Frühwarnsysteme und zeigte bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit und Engagement.

Als Leiterin des EngageCom-Projekts WAVES (underWater geohAzards: Volcanoes, Earthquakes and tSunamis) entwickelte sie ein 3D-Modell eines Vulkans, um geowissenschaftliche Prozesse verständlich zu machen, z. B. bei öffentlichen Veranstaltungen und im „Rent-a-Scientist“-Programm. Zudem engagierte sie sich auf politischer Ebene, etwa bei einer Delegation im Europäischen Parlament, und vertiefte ihre Fähigkeiten in Wissenschaftskommunikation beim Helmholtz-Programm „Bridging Spheres“. Dr. Furst verbindet exzellente Forschung mit wirkungsvollem Wissenstransfer.

 

Petersen-Austauschstipendium

  • Dr. Tianfei Xue

Nominiert von Prof. Dr. Andreas Oschlies. (FB2):

Dr. Tianfei Xue wird einen Forschungsaufenthalt an der Universität Bern in der Schweiz verbringen. Der Austausch dient der Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe für Klima- und Umweltphysik zu Fragen der Modellierung von planktischen Ökosystemen in der Arktis. Damit erweitert sie ihr wissenschaftliches Portfolio nach ihren erfolgreichen Modellierarbeiten zur Planktondynamik im Auftriebsgebiet vor Peru und zum Südlichen Ozean um eine weitere Region, die vom Klimawandel besonders stark betroffen ist. Ein weiterer Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe in Bern ist die Modellierung der vertikalen Migration von Zooplankton. Die aus dieser Zusammenarbeit gewonnenen wissenschaftlichen Einblicke und Fachkenntnisse sollen auch ihren DFG-Antrag stärken, der eine mechanistische Untersichtung der biogeochemischen Auswirkungen vertikaler Wanderungsmuster von Zooplankton und deren potenzielle Verschiebungen im Klimawandel zum Ziel hat. Die Einreichung des Antrags ist für Anfang 2025 geplant.

 

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news-9699 Wed, 18 Dec 2024 13:03:00 +0100 Lichtverschmutzung: unterschätzte Umweltbelastung auch im Meer /news/article/lichtverschmutzung-unterschaetzte-umweltbelastung-auch-im-meer 18.12.2024/Kiel. Wie beeinflusst nächtliche Beleuchtung das Wachstum, die Photosyntheseleistung und die Verteidigungsfähigkeit von Makroalgen? Diese Fragestellung haben 16 Studierende gleichzeitig an acht Standorten auf der ganzen Welt untersucht. Die Teilnehmer:innen des diesjährigen GAME-Projekts am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel präsentieren ihre Ergebnisse zum Abschluss an mehreren norddeutschen Hochschulen. Ihre Forschung belegt, dass Lichtverschmutzung auch in marinen Ökosystemen eine unterschätzte Umweltbelastung darstellt. 16 Studierende, acht Länder und die Frage, wie Kunstlicht das Wachstum von Algen beeinflusst – das war das GAME-Projekt 2024. GAME, der „Globale Ansatz durch Modulare Experimente“ (Global Approach by Modular Experiment), bietet deutschen und internationalen Studierenden die Möglichkeit, ein Jahr lang gemeinsam an experimentellen Fragestellungen zu arbeiten und darüber eine Abschlussarbeit zu schreiben. Das weltweit einzigartige Forschungs- und Ausbildungsprogramm für Studierende der Meereswissenschaften wird seit 21 Jahren am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel angeboten. In diesem Jahr wurde es von der Klaus-Tschira-Stiftung gefördert.

Die Forschungsfrage 2024: Makroalgen unter Kunstlicht

Die Fragestellung für den Jahrgang 2024 lautete: „Wie beeinflusst künstliches Licht bei Nacht das Wachstum, die Photosynthese-Leistung und die Verteidigungsfähigkeit von Makroalgen?“ Projektleiter Dr. Mark Lenz, Meeresökologe am 91̽, erläutert die wissenschaftliche Bedeutung: „Künstliches Licht als Form der Umweltverschmutzung wird im marinen Bereich zunehmend anerkannt. Mit GAME können wir durch den global vergleichenden Ansatz Erkenntnisse gewinnen, die sonst kaum möglich wären.“ 

Insgesamt 14 Algenarten wurden jeweils drei Wochen lang nächtlichem Kunstlicht (Artificial Light at Night, ALAN) mit einer Intensität von 30 Lux ausgesetzt. Dabei kamen zwei Lichtfarben – weiß und gelb – zum Einsatz.

Gemessen wurde:

  • Die dzäԻܲԲ: Sieben der 14 Arten zeigten deutliche Reaktionen auf das nächtliche Kunstlicht. Diese Effekte waren standort- und artspezifisch: An einigen Standorten führte das Licht zu einem erhöhten Wachstum, an anderen hingegen zu einer Reduktion der Biomasse.
  • Attraktivität für Fraßfeinde: In anschließenden Fraßversuchen wurde untersucht, wie stark die Algen von Weidegängern wie Seeigeln, Schnecken oder Asseln befressen wurden. Bei zwei der 14 Arten erhöhte nächtliches Kunstlicht die Attraktivität für Fraßfeinde.

Globales Experiment: Von Kiel aus in die Welt

Im Frühjahr hatten sich die Teilnehmenden erstmals in Kiel getroffen, um während einer intensiven Workshopzeit den einheitlichen Versuchsaufbau für ihre Forschungsfrage zu entwickeln. In Tandems von je einem deutschen Teammitglied und einem von einem der internationalen Partnerinstitute  ging es dann ab April an die verschiedenen Forschungsstandorte auf der ganzen Welt: nach Japan, Malaysia, auf die Kapverden, nach Wales, Finnland, Kroatien, Spanien und Madeira (Portugal). Nach sechs Monaten Feldforschung wurden die Ergebnisse seit Oktober in Kiel zusammengetragen und ausgewertet. 

Mark Lenz: „Die Ergebnisse zeigen, dass Lichtverschmutzung je nach Art und Standort sowohl positive als auch negative Effekte haben kann. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Effektstärken teilweise so groß waren, dass sie die Bestandsentwicklung von Makroalgen beeinflussen könnten.“

Warum die Ergebnisse wichtig sind

Makroalgen sind entscheidend für die Stabilität und Funktionalität von Küstenökosystemen. Die Ergebnisse des GAME-Projekts belegen, dass Lichtverschmutzung an Küsten Einfluss auf diese wichtigen Lebensräume hat.

„Diese Effekte wurden bislang nur selten untersucht“, sagt Lenz. „Unsere Studie ergänzt die einzige, erst kürzlich veröffentlichte Arbeit, die sich mit zwei Algenarten beschäftigte. Unsere Erkenntnisse unterstreichen, dass wir Lichtverschmutzung als Umweltfaktor in Küstenökosystemen stärker zu berücksichtigen müssen.“

 

Vorträge zu den Ergebnissen an norddeutschen Hochschulen:

  • 18.12. (Universität Oldenburg): 10:00 Uhr, Campus Wechloy, Gebäude W15, Carl-von-Ossietzky-Straße 9-11, Raum W01-015
  • 18.12. (Universität Bremen): 15:15 Uhr, Naturwissenschaften 2, Raum C300, Universität Zentralbereich
  • 15.01. (Universität Hamburg): 11:15 Uhr, Kowwigsaal, Biozentrum Grindel, Martin-Luther-King-Platz 3

 

Hintergrund: GAME

GAME ist ein internationales Forschungs- und Ausbildungsprogramm für junge Meereswissenschaftler:innen und steht für „Globaler Ansatz durch Modulare Experimente“. Zu einer ökologischen Fragestellung werden im Rahmen von themengebundenen Forschungsprojekten zeitgleich identische Experimente an verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt durchgeführt. Dieser Ansatz liefert global vergleichbare Ergebnisse über biogeographische Räume und Ökosystemgrenzen hinweg.

Jedes Jahr können bis zu 20 Studierende betreut werden, die Experimente in binationalen Teams an jährlich bis zu zehn Standorten auf der Welt durchführen. Die Vor- und Nachbereitung jedes Projektes findet gemeinsam mit allen Teilnehmenden am 91̽ in Kiel statt.

Der nächste GAME-Jahrgang 2025 wird sich mit dem Einfluss von nächtlichem Kunstlicht auf Epiphyten beschäftigen, also Aufsitzerpflanzen, die auf Makroalgen wachsen. Bewerbungen sind noch bis zum 31. Januar möglich. 

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Aktuelles2024 Karriere und Campus Presse2024 Top_Slider FB3News Lebensraum Ozean Marine Ökosysteme
news-9696 Tue, 17 Dec 2024 09:00:00 +0100 „Guter Fisch“ zum Weihnachtsfest /news/article/guter-fisch-zum-weihnachtsfest 17.12.2024/Kiel. Weihnachten steht vor der Tür und damit auch die Frage nach dem Festessen. Gerade Fisch ist beliebt, doch „guter Fisch“ ist immer seltener zu haben. Überfischung, Zerstörung von Lebensräumen und hohe Beifangmengen sorgen dafür, dass die nachhaltige Wahl beim Einkauf immer schwerer fällt. Deshalb haben die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), der World Wide Fund For Nature (WWF) und die Verbraucherzentralen die gemeinsame Liste „Guter Fisch“ aktualisiert. Für eine gute Wahl sollten Verbraucher:innen, Händler:innen und Restaurantbetreiber:innen vorrangig Fische und Muscheln kaufen, die mit der Liste übereinstimmen. – Gemeinsame Pressemitteilung der Verbraucherzentralen, des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Deutschen Umwelthilfe, des Naturschutzbunds Deutschland und des World Wide Fund For Nature –

Die Liste Guter Fisch” ist abermals kürzer geworden: Nur noch neun Arten sind uneingeschränkt, drei weitere bedingt empfehlenswert. Auf der Liste finden sich allerdings weiterhin regionale Plattfische wie Scholle, Kliesche und Flunder aus der Ostsee, dazu ausgewählte Bestände von Thunfisch, Seelachs, Stöcker und Miesmuscheln sowie erstmals Schellfisch. Anlass zur Sorge geben Wildlachs und Hering, so dass nur noch je ein Bestand bedingt empfohlen werden kann. Für alle Empfehlungen gilt, dass die Fische mit den in der Liste beschriebenen Fangmethoden gefangen worden sein müssen. 

Zustand der Heringsbestände deutlich verschlechtert

Nachdem im letzten Jahr schon Makrele und Sprotte von der Liste gestrichen werden mussten, hat sich nun der Zustand der Heringsbestände deutlich verschlechtert. Heringe aus der Nordsee und der nördlichen Irischen See sollten überhaupt nicht mehr verzehrt werden, Ostseeheringe aus dem Golf von Riga sind nur noch bedingt empfehlenswert. Auch die einst empfehlenswerten Lachsbestände in Alaska geben Anlass zur Sorge, so dass Rotlachs gar nicht mehr und Ketalachs nur noch bedingt empfehlenswert ist. 

Dr. Rainer Froese, Meeresökologe und Fischereiwissenschaftler am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, erklärt: „Leider wird es immer schwieriger, nachhaltige Bestände für die ,Guter Fisch‘-Liste zu finden, denn die Überfischung unserer Meere hält an. Ein trauriges Beispiel ist der Nordseehering: Schon im letzten Jahr stand er nur als ,bedingt empfehlenswert‘ auf der Liste, und trotzdem sind die Fänge erneut viel zu hoch. Der Bestand schrumpfte weiter und musste folglich komplett von der Liste gestrichen werden.“ 

Isabel Seeger, Fachreferentin Meeresschutz bei der Deutschen Umwelthilfe, erläutert: „Zusätzlich zu der anhaltenden Überfischung setzen Sauerstoffmangel und die Klimakrise den Fischbeständen zu. Der schlechte Umweltzustand der Meere behindert auch die Erholung von schon überfischten Beständen, wie zum Beispiel dem dezimierten Ostseedorsch, einem der einstigen ,Brotfische‘ unserer Ostseefischerei.“

Dr. Kim Detloff, NABU-Leiter Meeresschutz, sagt: „Fischpopulationen kollabieren, Fischereibetriebe geben auf. Die Fischereipolitik der letzten Jahre ist gescheitert. Wir brauchen endlich ein ökosystembasiertes Fischereimanagement, ausgerichtet auf Nachhaltigkeit und Qualität statt auf kurzfristige wirtschaftliche Interessen. Wenn ,Guter Fisch‘ auf den Tellern landet, dann leisten Verbraucher:innen hierzu einen wichtigen Beitrag.“

Dr. Philipp Kanstinger, WWF-Fischereiexperte, fügt hinzu: „Es ist besorgniserregend, dass keine Heringe, Sprotten oder Makrelen mehr uneingeschränkt zu empfehlen sind. In einem gesunden Ökosystem wären diese kleinen Schwarmfische reichlich vorhanden und damit sowohl eine nachhaltige Wahl für Verbraucher:innen, als auch Nahrungsgrundlage für Seevögel, Schweinswale, Robben und größere Fische, die auf sie als Nahrung angewiesen sind. Stattdessen werden diese Arten weiter überfischt, wobei die Fänge oftmals als Fischmehl an Nutztiere verfüttert werden.“

Die Nachfrage entscheidet mit, was der Markt liefert. Nachhaltige Kaufentscheidungen können deshalb helfen, die Umweltverträglichkeit der Fischerei zu beeinflussen. Auf Anfrage bei den wichtigsten Händlern und Anbietern von Fischprodukten antworteten Rewe und Edeka, dass sie einige Thunfisch-Konserven im Sortiment haben, die die Kriterien der Liste „Guter Fisch“ erfüllen. Netto führt in einem Tiefkühlprodukt den bedingt empfehlenswerten Keta-Lachs, Frosta verweist auf einige Alaska Seelachs-Angebote, die die Vorgaben zum allergrößten Teil einhalten.

Dr. Britta Schautz, Expertin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Berlin: „Viele Verbraucher:innen essen gerne Fisch und kennen auch allgemein das Problem der Überfischung. Aber es fehlt ihnen an konkreten Hinweisen, welche Bestände davon betroffen sind. Mit Hilfe dieser Liste kann jeder einfach selbst entscheiden, welcher Fisch noch zu Weihnachten auf dem Tisch landen kann.“

So funktioniert die Liste

Für unverarbeiteten Fisch und Tiefkühlprodukte sind Angaben zu Fischart, Fangmethode und Fanggebiet verpflichtend. Diese sollten genau mit der Liste verglichen werden, damit am Ende kein Fisch aus einem stark bedrohten Bestand im Einkaufswagen landet. Allerdings ist die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung nicht immer ausreichend detailliert, um bewerten zu können, ob ein Produkt „guter Fisch“ ist. Im Zweifel ist eine gezielte Nachfrage zu empfehlen.

Neben der Herkunft ist die Fangmethode ein wichtiges Kriterium. Verschiedene Geräte wirken sich unterschiedlich auf die Bestände, den Meeresboden und die anderen Tiere im Ökosystem aus. Besonders schädlich sind Grundschleppnetze, da sie viel Beifang haben und den Meeresboden zerstören. Trotzdem werden sie vielerorts sogar noch in Meeresschutzgebieten eingesetzt.

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news-9694 Fri, 06 Dec 2024 20:00:00 +0100 Wie reagieren marine Nahrungsnetze auf Alkalinitätserhöhungen? /news/article/zooplankton-toleriert-alkalinitaetserhoehung 06.12.2024/Kiel. Um den Klimawandel einzudämmen, müssen die vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen so schnell und umfassend wie möglich reduziert werden. Zusätzlich muss ein Teil des von uns bereits ausgestoßenen CO2 sicher aus der Atmosphäre entfernt werden. Ein Lösungsansatz dafür ist, die natürliche CO2-Aufnahme des Ozeans durch Alkalinitätserhöhung zu beschleunigen. Dabei wird der Prozess der Gesteinsverwitterung nachgeahmt, indem gemahlenes oder gelöstes Gestein direkt dem Meerwasser zugegeben wird. Bislang ist noch wenig über die Auswirkungen bekannt, die diese Methode auf das Leben im Meer hat. Jetzt konnte eine Studie des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen, dass die Auswirkungen auf Zooplankton unter bestimmten Voraussetzungen gering wären und das Nahrungsnetz stabil bliebe. Die Ergebnisse erscheinen heute in dem Fachjournal Science Advances. Der Ozean nimmt bereits heute ein Viertel bis ein Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf, doch dieser Prozess führt auch zur Versauerung des Wassers. Durch den gezielten Eintrag von bestimmten Mineralien kann die Alkalinität des Meerwassers erhöht werden. Das bedeutet, dass das Wasser dann mehr CO2 chemisch binden kann, ohne weiter zu versauern. Welche Auswirkungen eine Alkalinitätserhöhung (Ocean Alkalinity Enhancement, OAE) auf die Umwelt hätte, ist noch wenig erforscht. Wissenschaftler:innen aus der Gruppe von Professor Dr. Ulf Riebesell am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben nun im Rahmen des europäischen Projekts OceanNETs in einem Experiment auf Gran Canaria erstmals die Reaktion von Zooplankton und mögliche Auswirkungen auf das Nahrungsnetz untersucht. Ihre Ergebnisse erscheinen heute in der Fachzeitschrift Science Advances.

Experiment im Riesen-Reagenzglas

Die Studie hat einen Ansatz gewählt, der die Meereschemie nur geringfügig stört: die CO₂-equilibrierte Alkalinitätserhöhung – eine Form von OAE, bei der der zu bindende Kohlenstoff bereits vom alkalisierten Wasser absorbiert wurde, bevor er in die Meeresumwelt freigesetzt wird. Für ihr Experiment setzten die Wissenschaftler:innen sogenannte KOSMOS-Mesokosmen ein (Kiel Off-Shore Mesocosms for Ocean Simulations) – große Behälter, die direkt ins Meerwasser gelassen werden und dort jeweils acht Kubikmeter Wassersäule isolieren. In diese wurden verschiedene Konzentrationen von Natriumkarbonat und -hydrogenkarbonat (auch als Soda, bzw. Backpulver bekannt) eingebracht – von keiner Alkalinitätssteigerung bis hin zur Verdopplung der natürlichen Alkalinität. Über einen Zeitraum von 33 Tagen wurde untersucht, wie sich die Alkalinisierung auf das Zooplankton auswirkt, das eine zentrale Rolle im marinen Nahrungsnetz spielt. Dafür analysierten die Forschenden eine Vielzahl von Parametern wie Biomasse, Produktion, Diversität und Fettsäuren des Zooplanktons.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Planktongemeinschaften stabil blieben und das Zooplankton die moderaten chemischen Veränderungen durch die CO2-equilibrierte OAE weitgehend tolerierte. Zwar verschlechterte sich während des Experiments die Nahrungsqualität der Schwebstoffe, von denen sich das Zooplankton ernährt, doch dies schien die Konsumenten nicht zu beeinträchtigen. Die Forschenden vermuten, dass die nährstoffarmen Bedingungen im Untersuchungsgebiet – ein charakteristisches Merkmal subtropischer Gewässer – mögliche indirekte Auswirkungen der OAE auf das Zooplankton abgemildert haben könnten.

Potenzial im Klimaschutz und weiterer Forschungsbedarf

Die Alkalinitätserhöhung könnte eine bedeutende Rolle bei der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Wenn der Ozean mehr CO2 aufnehmen kann, ohne saurer zu werden, könnte er ein noch stärkerer Puffer gegen die globale Erwärmung werden und den Weg in eine Zukunft ebnen, in der kohlenstoffintensive Industrien durch erneuerbare Energien ersetzt, die Emissionen von Industrien, die nicht dekarbonisiert werden können, neutralisiert und historische Kohlenstoffemissionen sicher entfernt und gelagert werden. Es besteht jedoch noch dringender Forschungsbedarf, um die Auswirkungen auf das gesamte marine Ökosystem zu klären.

„Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass die CO2-equilibrierte Alkalinitätserhöhung das Zooplankton in dem untersuchten nährstoffarmen subtropischen Gebiet nur geringfügig beeinflusst und das Nahrungsnetz insgesamt stabil bleibt“, erklärt Erstautor Nicolás Sánchez, Doktorand am 91̽, „das sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie andere marine Umgebungen darauf reagieren oder wie sicher andere, technisch besser umsetzbare OAE-Ansätze sind, die größere chemische Veränderungen im Meerwasser verursachen.“

Die Wissenschaftler:innen empfehlen daher, die Methode in verschiedenen Ökosystemen weiter zu erforschen, da es keinen universellen OAE-Ansatz geben wird, der überall anwendbar ist. Die Methode müsse an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Sánchez: „Unsere Studie ist ein vielversprechender erster Schritt zur Definition eines verantwortungsvollen Rahmens für die Anwendung der Alkalinitätserhöhung.“

 

Originalpublikaton:

Sánchez, N., Goldenberg, S., Brüggemann, D., Taucher, J., & Riebesell, U. (2024). Plankton food web structure and productivity under Ocean Alkalinity Enhancement. Science Advances. 

öܲԲ:

Das Projekt OceanNETs (Ocean-based Negative Emission Technologies; Ozeanbasierte Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid) läuft von 2020 bis 2025 und wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union gefördert. Die Studie wurde co-finanziert von dem Helmholtz European Partnering Projekt Ocean-CDR.

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news-9687 Tue, 03 Dec 2024 11:23:23 +0100 Datensammlung für Tsunami-Frühwarnsysteme /news/article/datensammlung-fuer-tsunami-fruehwarnsysteme 03.12.2024/Kiel/Catania. Ein internationales Team von Forschenden ist heute mit der MARIA S. MERIAN in die Ägäis aufgebrochen, um das Vulkansystem Kolumbo bei Santorini zu untersuchen und die geologischen Prozesse zu verstehen, die Hangrutschungen, Vulkanausbrüche und Tsunamis auslösen können. Ziel ist es, ein Frühwarnsystem zu entwickeln, um die Sicherheit von Küstengemeinden verbessern. Die Ausfahrt unter Leitung des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in Zusammenarbeit mit der Nationalen und Kapodistrianischen Universität von Athen ist Teil der Forschungsmission mareXtreme („Wege zu einem verbesserten Risikomanagement im Bereich mariner Extremereignisse und Naturgefahren“) der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Die Inselgruppe Santorini in der griechischen Ägäis, bekannt für ihre weißen Häuser mit den blauen Dächern, ist nicht nur ein beliebtes Reiseziel, sondern auch ein Schlüsselgebiet für die Vulkanforschung. Die ringförmigen Inseln markieren den Rand einer vom Meer überfluteten Caldera, die durch die gewaltige minoische Eruption vor etwa 3600 Jahren entstanden ist. Sieben Kilometer nordöstlich von Santorini befindet sich der aktive untermeerische Vulkan Kolumbo. Er gehört zu einer Kette von mehr als 20 überwiegend unter Wasser liegenden Vulkanen, die das Santorin-Kolumbo-Vulkanfeld bilden.

Ein internationales Team von Forschenden hat sich heute von Italien aus mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN auf den Weg in die Ägäis gemacht, um die Risiken des Vulkanfeldes und insbesondere des Kolumbo zu untersuchen. Die Wissenschaftler:innen wollen untersuchen, wie Extremereignisse ineinandergreifen können – etwa, wie ein Vulkanausbruch einen Tsunami auslöst. Ziel ist es, Erkenntnisse zu gewinnen, die langfristig die Sicherheit von Küstenregionen verbessern können. 

„Mit der Expedition MSM132 erforschen wir eines der aktivsten und gefährlichsten Vulkansysteme Europas. Aus der Vergangenheit sind zahlreiche, zum Teil hochexplosive Ausbrüche bekannt“, sagt Fahrtleiter Professor Dr. Christian Berndt, Professor für Marine Geophysik am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Wir wollen besser verstehen, was Erdbeben, Hangrutschungen und Tsunamis auslösen kann. Gleichzeitig testen wir neue Überwachungssysteme, die dabei helfen sollen, die Bevölkerung vor diesen Gefahren zu schützen.“ 

Vier zentrale Fragen leiten die Forschenden: 

  • Können Hangrutschungen durch Erdbeben ausgelöst werden?

Mit Hilfe von hochauflösenden Unterwasserkarten und seismischen Messungen wird untersucht, ob tektonische Bewegungen Hänge destabilisieren und zum Abrutschen bringen können. 

  • Wie beeinflusst vulkanische Aktivität die Stabilität des Vulkans?

Die intensive hydrothermale Aktivität im Kolumbo-Krater, bei der heißes Wasser und Gase das Gestein verändern, wird kartiert. Ziel ist es, Schwachstellen im Vulkangebäude zu erkennen, die zu Gefahren führen könnten. 

  • Wie hängen Erdbeben und Vulkanausbrüche zusammen?

Seismische Messungen in zwei und drei Dimensionen sollen zeigen, wie sich Bruchlinien im Gestein und vulkanische Prozesse gegenseitig beeinflussen – ein Schlüssel, um mögliche Auslöser von Extremereignissen besser zu verstehen. 

  • Wie lässt sich vulkanische Aktivität frühzeitig erkennen?

Die Forschenden testen ein innovatives Frühwarnsystem, das modernste Sensoren auf dem Meeresboden nutzt, um Echtzeitdaten zu Erdbeben, Bodenbewegungen und vulkanischen Gasen zu sammeln. So soll eine zuverlässige Überwachung unterseeischer Vulkane möglich werden. 

Die Expedition MSM132 ist die erste von drei geplanten Forschungsfahrten im Rahmen des Forschungsprojektes MULTI-MAREX, das sich mit marinen Extremereignissen und Naturgefahren im Mittelmeer beschäftigt. Das Projekt ist eines von vier Projekten der dritten Forschungsmission der Deutschen Forschungsallianz mareXtreme, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den fünf norddeutschen Bundesländern gefördert wird 

 

Expedition auf einen Blick:

Name: MARIA S. MERIAN-Expedition MSM132

Leitung: Prof. Dr. Christian Berndt

Zeitraum: 03.12.2024 - 02.01.2025

Start: Catania, Italien

Ende: Heraklion, Griechenland

Fahrtgebiet: Mittelmeer, Ägäis

 

Hintergrund: MULTI-MAREX

Im Rahmen der DAM-Forschungsmission mareXtreme („Wege zu einem verbesserten Risikomanagement im Bereich mariner Extremereignisse und Naturgefahren“) koordiniert das 91̽ das Verbundprojekt MULTI-MAREX: Unter der Leitung von Prof. Dr. Heidrun Kopp arbeiten 50 Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Disziplinen daran, die Risiken durch geomarine Extremereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis zu reduzieren. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Ägäis.

MULTI-MAREX verbindet innovative Technologien wie KI-gestützte Überwachungssysteme und Unterwasserkommunikation mit gesellschaftlicher Zusammenarbeit vor Ort. Ziel ist es, Risiken präziser vorherzusagen, Frühwarnsysteme zu verbessern und gemeinsam mit Behörden und der Bevölkerung Schutzmaßnahmen zu entwickeln.

Die DAM-Forschungsmission mareXtreme wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie den Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer (Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) mit insgesamt rund 20 Millionen Euro gefördert.

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news-9677 Thu, 21 Nov 2024 16:00:00 +0100 Datensammler am Meeresgrund /news/article/datensammler-am-meeresgrund 21.11.2024/Kiel. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957 werden hier vom Schiff aus regelmäßig Daten zum Zustand der Ostsee gesammelt, seit 2016 zusätzlich auch mit einem Unterwasser-Observatorium am Meeresgrund. Nachdem dieses 2019 verschwunden war, hat das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel heute mit dem Forschungsschiff ALKOR einen neuen, modernisierten Messknoten ausgebracht. Schon in Kürze wird die Unterwasserstation nun wieder kontinuierlich Daten zu wichtigen Umweltparametern wie Temperatur, Salzgehalt und Strömungsverhältnissen liefern. Der Messknoten wird in Zusammenarbeit mit den beiden Helmholtz-Zentren Hereon und AWI betrieben. Seit 1957 werden bei Boknis Eck monatlich Daten zum Zustand der Ostsee gesammelt. Damit ist die Messstation am Ausgang der Eckernförder Bucht eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit und ein wichtiger Bestandteil der internationalen Meeresforschung.

Sechzig Jahre lang erfolgten die Messungen von Forschungsschiffen aus, und auch heute macht sich noch jeden Monat eine kleine Crew von Wissenschaftler:innen mit der FK LITTORINA von Kiel aus auf den Weg nach Boknis Eck, um mit dem Kranzwasserschöpfer Wasserproben aus verschiedenen Wassertiefen zu nehmen und diese anschließend im Labor zu analysieren. Gemessen werden zum Beispiel Temperatur und Salzgehalt, Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration. Die Datenreihen sind von unschätzbarem Wert für die Forschung und helfen dabei, langfristige Umweltveränderungen im Ozean zu erkennen.

Diskrete und kontinuierliche Datensammlung

„Diese Methode nennt man diskrete Datensammlung“, erklärt Dr. Helmke Hepach, Umweltwissenschaftlerin am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und seit Dezember 2021 zuständig für die Messstation Boknis Eck. „Die Daten sind eine Grundlage für die Untersuchung der komplexen ökologischen Zusammenhänge.“ Im Jahr 2016 wurde die Datensammlung auf ein neues Level gehoben: In enger Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon und dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) wurde ein fest auf dem Meeresboden installiertes Unterwasser-Observatorium in rund 15 Metern Tiefe installiert. Die Finanzierung übernahm das Hereon, betreut und betrieben wurde es vom 91̽. Das Observatorium bestand zunächst aus zwei tischgroßen Gestellen, die im Januar 2019 durch einen acht Meter hohen Turm ergänzt wurde. Dieser so genannte Messknoten enthielt Sensoren, die neben den anderen Parametern auch Strömungsgeschwindigkeit und -richtung aufzeichneten. Helmke Hepach: „Durch das Observatorium hatten wir erstmals die Möglichkeit, kurzfristige Veränderungen oder dynamische Prozesse wie die Auswirkungen von Stürmen oder die Entstehung von Sauerstoffminimum-Ereignissen hochaufgelöst zu dokumentieren.“

Observatorium verschwindet 2019

Doch am 21. August 2019 hörte das Unterwasserobservatorium plötzlich auf, Daten zu senden. Professor Dr. Hermann Bange, als Leiter der Arbeitsgruppe Biogeochemie der Spurengase am 91̽ Koordinator von Boknis Eck, vermutete zunächst einen technischen Defekt. Was dann aber die eingesetzten Taucher vorfanden, stellte sich als weit dramatischer heraus: Das Stromkabel war abgerissen, und zwei der drei Gestelle spurlos verschwunden. Nur der acht Meter hohe Turm war noch an seinem Platz.

„Wir standen vor einem Rätsel“, erinnert sich Bange. Trotz intensiver Suche, auch mit Hilfe der Polizei und weiterer Forschungsschiffe, konnte nur eines der beiden verschwundenen Gestelle im Februar 2020 geborgen werden. Es lag stark beschädigt etwa 200 Meter nordnordöstlich seiner ursprünglichen Position. Der Verbleib des zweiten Gestells ist bis heute ungeklärt. „Das war ein herber Verlust“, sagt Bange, „nicht nur die Geräte, sondern auch wertvolle Daten für die Zeitreihenforschung sind verloren gegangen.“

2024: Ein neuer Messknoten für Boknis Eck

Nach dem Verlust des Observatoriums wurde gemeinsam mit Hereon und AWI ein Ersatzsystem entwickelt: Ein gebrauchtes Unterwasserobservatorium von Professor Dr. Philipp Fischer (AWI) aus Helgoland wurde für die speziellen Anforderungen von Boknis Eck umgebaut, mit modernsten Sensoren ausgestattet und umfassend getestet. Auch ein neues Unterwasserkabel wurde verlegt. Heute wurde der neue Messknoten von der FS ALKOR aus an seine Position gebracht und mit Hilfe von Forschungstaucher:innen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel auf dem Meeresgrund verankert.

„Sobald die Datenübertragung steht, können wir endlich wieder Datensätze aus der kontinuierlichen Messung gewinnen“, sagt Helmke Hepach. „Um ein vollständigeres Bild von den dynamischen Prozessen in der Ostsee zu erhalten, sind diese unverzichtbar.“ Die erhobenen Daten fließen nicht nur in die eigene Forschung ein, sondern auch in internationale Netzwerke wie das Coastal Observing System for Northern and Arctic Seas (COSYNA), das am Hereon von Dr. Holger Brix koordiniert wird, oder das Projekt CREATE, in dem die Sensordaten auf ihre Eignung für administrative Umweltzustandsbewertungen getestet werden. Die Daten dokumentieren Umweltveränderungen in der Ostsee und leisten einen wichtigen Beitrag zur internationalen Meeres- und Klimaforschung.

„Wir hoffen, dass die Geräte diesmal über viele Jahre hinweg ungestört arbeiten können“, sagt Professor Bange.

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news-9665 Fri, 15 Nov 2024 18:26:00 +0100 Night of the Profs | 15.11.2024 /news/article/night-of-the-profs-2024 Vortrag von Arne Biastoch: Ein Meer voller Extreme, 21:00 Uhr im CAP 3, Hörsaal 3 der CAU
Der Ozean ist voll von Extremen. Meeresspiegelschwankungen und Sturmfluten bedrohen die Küsten, der mögliche Kollaps des Golfstroms und marine Hitzewellen verändern das Klima und marine Ökosysteme. Aber wie wahrscheinlich sind diese marinen Extreme? Und wie gefährlich sind sie wirklich? In diesem Vortrag werden die üblichen Katastrophenmeldungen rund um den Ozean aus Sicht der physikalischen Ozeanographie eingeordnet.

Über Prof. Dr. Arne Biastoch
Prof. Dr. Arne Biastoch ist seit 2018 Professor für Ozeandynamik. Am 91̽ leitet er die gleichnamige Forschungsabteilung, die sich mit globalen ѱٰöܲԲ und Hydrographie sowie deren Rollen im Klima beschäftigt. Methodisch verwendet die Arbeitsgruppe hochauflösende Ozean- und Klimamodelle, die auf nationalen Höchstleistungsrechnern gerechnet werden, sowie Methoden der künstlichen Intelligenz.


Die lange Vorlesungsnacht steht 2024 unter dem Motto: "Extreme" Auch in diesem Jahr bleibt die Night of the Profs kostenlos. Während der Veranstaltung können im Audimax und auf dem Audimax-Vorplatz Getränke und Speisen erworben werden. Die Night of the Profs wird gemeinsam veranstaltet vom Präsidium, dem Allgemeinen Studierendenausschuss und der Fachschaftsvertreterkonferenz der CAU Kiel.


Weiterer 91̽-Beitrag Night of the Profs | 15.11.2024
Stephan Juricke: Extreme Weather – Predictions in a Changing Climate
15.11.2024, 20:00 h, Audimax, Hörsaal C

 

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news-9673 Thu, 14 Nov 2024 12:00:00 +0100 Europäische Initiative zur Bergung von Altmunition aus den Meeren /news/article/europaeische-initiative-zur-bergung-von-altmunition-aus-den-meeren 14.11.2024/Kiel. Mit einem großen Kick-off-Meeting startet am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel das EU-Projekt MMinE-SwEEPER. Unter der Leitung von Professor Dr. Jens Greinert werden 20 internationale Partner in dem Projekt daran arbeiten, innovative und sichere Strategien für die Bergung von Munitionsaltlasten aus dem Meer zu entwickeln. Mit einem Fördervolumen von knapp sechs Millionen Euro wird MMinE-SwEEPER in den nächsten dreieinhalb Jahren Lösungen für dieses drängende Umweltproblem in europäischen Gewässern erarbeiten. Ob Ost- oder Nordsee, Mittel- oder Schwarzes Meer – es gibt kein europäisches Meer, in dem sich nicht große Mengen an Munitionsaltlasten befinden. Die Hinterlassenschaften der Kriege gefährden nicht nur Fischerei, Schifffahrt und andere Nutzungen, sondern stellen auch eine zunehmende Bedrohung für das marine Ökosystem und die menschliche Gesundheit dar. Metallhüllen rosten mit der Zeit durch, Sprengstoffe liegen offen auf dem Meeresboden und Giftstoffe gelangen in die Umwelt. Die Bergung ist jedoch komplex und kann selbst ein potenzielles Risiko für die Meeresumwelt darstellen.

Mit MMinE-SwEEPER startet nun erstmals ein großes Projekt, das dieses Problem auf europäischer Ebene gemeinsam angehen will. Unter der Leitung von Professor Dr. Jens Greinert vom 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sollen wissenschaftlich fundierte technische Lösungen für die Munitionsbergung in europäischen Gewässern entwickelt und getestet werden. Die EU fördert das Projekt mit knapp sechs Millionen Euro.

„Die Bergung von Munition aus unseren Gewässern ist nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen“, sagt Professor Dr. Jens Greinert, Meeresgeologe und Experte für Munitionsaltlasten am 91̽ „Mit MMinE-SwEEPER wollen wir einer europäische Lösung näher kommen, Wissen austauschen, Technologien weiterentwickeln und insbesondere die Kommunikation zwischen EU-Staaten bei diesem auch sicherheitstechnisch sensiblen Thema vorantreiben.“

Heute treffen sich die internationalen Projektpartner zum Kick-off-Meeting in Kiel, um die ersten Schritte des ehrgeizigen Projekts einzuleiten. Ziel ist es, einen systematischen Ansatz zur Erkundung, Bewertung und Bergung von Munitionsaltlasten zu entwickeln, der die Risiken für Mensch und Umwelt minimiert und damit die biologische Vielfalt und die Menschen schützt. Die Ergebnisse von MMinE-SwEEPER sollen nicht nur die wissenschaftliche Grundlage für eine nachhaltige Munitionsbergung schaffen, sondern auch als Vorlage für EU-weite Standards und Richtlinien dienen.

Mit dabei sind auch Vertreter:innen zweier Generaldirektionen der Europäischen Kommission: „Maritime Angelegenheiten und Fischerei“ (GD MARE, Maritime Affairs and Fisheries) und die für Migration und Inneres zuständige Generaldirektion (GD HOME, Migration and Home Affairs). Ihre Aufgabe ist die Entwicklung, Umsetzung und Verwaltung von Strategien, Rechtsvorschriften und Förderprogrammen der EU.

Professor Greinert: „Ich hoffe und bin sehr zuversichtlich, dass dieses Projekt endlich zu einem wirklich europäischen Ansatz bei der Behandlung dieses Themas führen wird, und zwar rechtzeitig, um die ernsten Probleme zu entschärfen.“

Kernziele des Projekts MMinE-SwEEPER:

  • Zusammenführen von Wissen und Managementansätzen: Das Projekt sammelt bestehende Erkenntnisse und Erfahrungen aus verschiedenen Ländern und internationalen Projekten. Es bezieht relevante Akteure aus Behörden, Unternehmen und der Zivilgesellschaft ein, um Lösungen für die Munitionsräumung zu entwickeln.
  • Förderung technologischer Fortschritte: Ein Schwerpunkt liegt auf der Weiterentwicklung von Robotik, 3D-Bildgebung und KI-gestützten Analysetools für die Detektion und Klassifikation von Munition. Unter anderem werden autonome Unterwasserfahrzeuge (AUVs) entwickelt, die mit intelligenten Algorithmen ausgestattet sind, um Munitionsobjekte zu identifizieren.
  • Erprobung und Validierung unter realen Bedingungen: Neue Technologien und Methoden werden auf künstlichen Testgeländen und an realen Verklappungsgebieten in Europa getestet.
  • Kapazitätsaufbau und Stärkung der Zusammenarbeit: Das Projekt fördert den Wissensaustausch zwischen europäischen Ländern und verschiedenen Interessengruppen durch die Organisation von Schulungen, Webinaren und Workshops. Ziel ist es, eine dauerhafte Gemeinschaft von Expert:innen zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Hand zu intensivieren.
  • Förderung der europäischen Zusammenarbeit: Das Projekt fördert die Zusammenarbeit in Europa, indem es neue Technologien zur Munitionsräumung vorstellt und politische Entscheidungsträger bei der Entwicklung von Lösungen berät.

öܲԲ:

Das Projekt MMinE-SwEEPER (Marine Munition in Europe - Solutions with Economic and Ecological Profits for Efficient Remediation) wird von der EU im Rahmen des Forschungsförderprogramms Horizon Europe (Cluster 3: Civil Security for Society) bis März 2028 mit knapp sechs Millionen Euro gefördert.

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news-9669 Wed, 13 Nov 2024 18:30:00 +0100 Von winzigen Organismen und ihrer Riesenleistung im Ozean /news/article/von-winzigen-organismen-und-ihrer-riesenleistung-im-ozean 13.11.2024/Kiel. Professorin Dr. Susanne Neuer, renommierte Meeresbiogeochemikerin und Professorin an der Arizona State University, wurde heute mit der 31. Exzellenzprofessur der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung geehrt. Die feierliche Verleihung fand am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel statt. In ihrem Fachvortrag beleuchtete Susanne Neuer, wie Phytoplankton und Bakterien durch die biologische Kohlenstoffpumpe zum globalen Kohlenstoffkreislauf beitragen. Diese Prozesse spielen eine Schlüsselrolle im Klimaschutz und stehen im Fokus der aktuellen Forschung der Professorin. Der Ozean nimmt etwa ein Viertel der jährlichen Kohlendioxidemissionen auf. Einer der Mechanismen, der dies bewirkt, wird als biologische Kohlenstoffpumpe bezeichnet. Dieser Mechanismus beginnt mit der Photosynthese winziger mikroskopischer Algen, dem Phytoplankton, die schwebend in der sonnenbeschienenen Schicht des Ozeans leben.

Professorin Dr. Susanne Neuer erforscht gemeinsam mit ihrem Team die biologische Kohlenstoffpumpe, vor allem die Rolle von Planktonorganismen in der Bildung von sinkenden Partikeln, im Labor wie auch im Meer. Sie ist seit 2004 Professorin der Meeresbiogeochemie an der Arizona State University in Tempe, USA. Seit 2022 leitet sie dort als Gründungsdirektorin die neue School of Ocean Futures. Für ihre Arbeit wird sie heute mit der 31. Exzellenzprofessur der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung ausgezeichnet. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung ist mit einem sechswöchigen Forschungsaufenthalt am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel verbunden.

Dr. h. c. Klaus Wichmann, Vorsitzender der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung, sagte: „Im Namen der Stiftung freue ich mich sehr, heute eine weitere herausragende Wissenschaftlerin mit einer Exzellenzprofessur auszeichnen zu dürfen. Die Exzellenz-Initiative ist seit ihrer Gründung 2009 ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Mission, wissenschaftliche Exzellenz in Schleswig-Holstein zu fördern und den Austausch auf internationaler Ebene zu intensivieren. Es ist uns eine Ehre, dies auch weiterhin zu unterstützen, und ich wünschte mir, dass diese Initiative auch für andere beispielgebend wirkt.“

Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des 91̽, gratulierte der Preisträgerin: „Ich freue mich sehr darüber, dass wir heute Susanne Neuer mit dieser verdienten Auszeichnung ehren. Mit ihrer herausragenden Forschung zur biologischen Kohlenstoffpumpe leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Prozesse, die unser Klima beeinflussen. Professorin Neuer hat nicht nur als Wissenschaftlerin, sondern auch als Mentorin große Erfolge erzielt. Sie setzt sich mit Nachdruck für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft ein und hat in führenden Rollen bei der Association for Women in Science und an der Arizona State University, viel bewegt. Ihre Expertise und ihre außergewöhnlichen Leistungen haben sie zu einer führenden Stimme auf internationaler Ebene gemacht. Wir sind stolz, sie heute hier am 91̽ begrüßen zu dürfen und freuen uns auf die inspirierenden Impulse, die sie hier während ihres Gastaufenthaltes setzen wird.“

In ihrer Laudatio ging Professorin Dr. Anja Engel, Leiterin des Forschungsbereichs Marine Biogeochemie am 91̽, auf die Bedeutung der Forschung der Preisträgerin ein: „Professorin Neuer nimmt eine führende und international sichtbare Rolle in den Bereichen der marinen Biogeochemie, des Kohlenstoffkreislaufs und des Partikelexports ein. Ihre vielfach ausgezeichneten Arbeiten haben erheblich zum aktuellen Verständnis der biologischen Kohlenstoffpumpe im Ozean beigetragen. Ihre Analysen ozeanischer Zeitserien legten das Fundament für vergleichende Studien zur Effizienz dieses zentralen Mechanismus im Kohlenstoffkreislauf.“

Einblicke in die Arbeit der biologischen Kohlenstoffpumpe des Ozeans

In ihrem Fachvortrag schilderte Susanne Neuer, welch herausragende Bedeutung die biologische Kohlenstoffpumpe für das Klima unseres Planeten hat. Ein faszinierender Aspekt dieses Mechanismus ist die Bildung von so genanntem Meeresschnee. Dabei handelt es sich um klebrige Aggregate aus Phytoplankton, Bakterien und anderen organischen Stoffen, die von größeren Partikeln wie Staubkörnern zusammengehalten werden. Diese können groß genug werden, um mit bloßem Auge sichtbar zu sein, und bilden die Grundlage für den Transport von Kohlenstoff in die Tiefsee. Planktonische Tiere wie Krill und Ruderfußkrebse tragen zusätzlich zum Kohlenstoffexport bei, indem sie Phytoplanktonpartikel in der Dämmerungszone absondern, wo das Licht kaum mehr ausreicht und die Meereswelt in Dunkelheit gehüllt ist.

„Die Prozesse, die Phytoplankton und Bakterien in der oberen Wasserschicht initiieren, sind ein wesentlicher Baustein für die langfristige CO2-Speicherung und somit bedeutend im Kontext des Klimawandels“, betont Prof. Neuer. „Der Ozean verbirgt in seinen tiefen Wasserschichten ein faszinierendes Zusammenspiel von winzigen Zellen, das nicht nur Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt, sondern auch das Leben im gesamten Ozean ermöglicht“, sagte Prof. Dr. Neuer. „Wenn Sie das nächste Mal auf den Ozean schauen, denken Sie an all das mikroskopische Leben im Wasser und alles, was es für das Wohl unseres Planeten tut.“

Zurück zu den Wurzeln: Wiedersehen mit Kiel und Chance für neue Kooperationen

Kiel ist für Susanne Neuer kein Neuland: Vor rund 40 Jahren hat sie hier ihre Ausbildung zur Meereswissenschaftlerin am damaligen Institut für Meereskunde (IfM) begonnen, bevor sie zum weiteren Studium in die USA ging. Es ist aber auch nicht das erste Mal, dass sie nach Kiel zurückkehrt, um über ihre Forschung zu sprechen. Auf Einladung des Women Executive Boards am 91̽ hat sie bereits 2016 im Rahmen der Marie Tharp Lectures einen Vortrag gehalten und mit Nachwuchswissenschaftlerinnen über Karrierefragen diskutiert.

„Die Verleihung der Exzellenzprofessur ehrt mich sehr“, sagt sie, „diese wird mir erlauben, meine Zusammenarbeit mit dem 91̽ und besonders mit Prof. Dr. Anja Engel, auszubauen, und Synergien in unserer Forschung zur Biologie im globalen Kohlenstoffkreislauf zu entwickeln.“ Besonders freue sie sich auf den Austausch mit Nachwuchswissenschaftler:innen am 91̽. Susanne Neuer: „Es ist wichtig, dass die nächste Generation besondere Unterstützung in ihrem Karriereverlauf erhält, damit sie nicht nur erfolgreich sein kann, sondern auch nachhaltig zu Lösungen der Umweltprobleme beiträgt.“

 

Hintergrund: Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung

Die Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung mit Sitz in Schleswig-Holstein hat sich die Förderung von Wissenschaft, Forschung, Technik und Kultur zum Ziel gesetzt. Ein zentrales Fördergebiet ist die Exzellenz-Initiative, die in enger Kooperation mit dem 91̽ herausragende Wissenschaftler:innen mit internationaler Reputation würdigt. Im Rahmen der Exzellenz-Initiative können hochkarätige Meereswissenschaftler:innen aus aller Welt für Gastaufenthalte von sechs Wochen nach Kiel eingeladen werden.

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news-9671 Wed, 13 Nov 2024 10:00:00 +0100 Wendepunkt bei den fossilen CO2-Emissionen noch nicht erreicht /news/article/wendepunkt-bei-den-fossilen-co2-emissionen-noch-nicht-erreicht 13.11.2024/Kiel/Baku. Trotz Fortschritten bei der Nutzung erneuerbarer Energien steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an. Für das Jahr 2024 rechnet das internationale Global Carbon Project mit einem Anstieg der Emissionen um 0,8 Prozent auf insgesamt 37,4 Milliarden Tonnen CO2. Getrieben wird diese Zunahme vor allem durch den steigenden Verbrauch von Erdgas und Öl. Der aktuelle Bericht des GCP, der heute auf der internationalen Klimakonferenz in Baku vorgestellt wird, unterstreicht die Dringlichkeit schneller und umfassender Emissionsreduktionen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Für den Bericht haben Wissenschaftseinrichtungen aus aller Welt zusammengearbeitet, darunter auch das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das seit Jahren Daten zur CO2-Aufnahme des Ozeans beisteuert. Die Koordination der Beiträge zu marinen Kohlenstoffsenken lag beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung. Der Wendepunkt beim weltweiten CO2-Ausstoß ist noch immer nicht erreicht. Das geht aus dem Global Carbon Budget-Bericht 2024 hervor, der heute auf der internationalen Klimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, vorgestellt wird. Laut Prognosen des Global Carbon Project (GCP), das den Bericht jährlich veröffentlicht, werden die Emissionen im Jahr 2024 voraussichtlich rund 37,4 Milliarden Tonnen CO2 erreichen – ein Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2004 bis 2013 lag die Steigerung bei durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr. Das deutet zwar auf Fortschritte auf dem Weg zu den Pariser Klimazielen hin, reicht aber bei weitem nicht aus, um die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten und die weltweiten Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu bringen. Dazu müssten die Gesamtemissionen um durchschnittlich 1,6 Gigatonnen pro Jahr sinken.

Der Bericht, der heute in der Fachzeitschrift Earth System Science Data veröffentlicht wird, untersucht Emissionen aus fossilen Brennstoffen, Landnutzungsänderungen wie Abholzung von Wäldern und die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean und Land. Er schätzt ab, wie viel Kohlenstoff von  Pflanzen, Böden und Meeren aufgenommen oder freigesetzt wird. Die zukünftige Entwicklung der Kohlenstoffflüsse wird projiziert und das verbleibende CO2-Budget berechnet, das für das Erreichen der globalen Klimaziele entscheidend ist.

Die marine CO2-Senke bleibt stabil – aber die Herausforderungen wachsen

Der Bericht zeigt, dass der Ozean nach wie vor etwa 26 Prozent der globalen CO2-Emissionen aufnimmt – eine wichtige Funktion, die jedoch durch den Klimawandel zunehmend gefährdet ist. Ein Grund dafür: Steigende Wassertemperaturen verringern die Löslichkeit von CO2 und damit die Aufnahmefähigkeit der Ozeane. „Der Klimawandel hat die CO2-Aufnahmefähigkeit der Ozeane in den letzten zehn Jahren um etwa sechs Prozent verringert“, erklärt Professorin Dr. Judith Hauck, Umweltforscherin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Der El-Niño-Zyklus führte 2023 zu einer vorübergehenden Erholung der Ozeansenke, da weniger kohlenstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gelangte, doch die fortschreitende Erwärmung könnte den Ozean langfristig als Kohlenstoffspeicher schwächen.

CO2-Messungen im Nordatlantik – ein Langzeitprojekt des 91̽

Die Ozeansenke – also wie viel CO2 der Ozean aus der Atmosphäre aufnimmt und speichert – wird aus Messungen des CO2-Gehalts im Oberflächenozean und Simulationen mit globalen Ozeanmodellen abgeschätzt. Wissenschaftler:innen des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung tragen mit ihren Messungen zu diesen Daten bei. Im Mittelpunkt steht dabei eine Langzeitmessung im Nordatlantik, die bereits seit mehr als 20 Jahren von der CO2-Gruppe am 91̽ existiert: In Zusammenarbeit mit der Reederei Atlantic Container Lines (ACL) hat das 91̽ auf dem Containerschiff MS ATLANTIC SAIL Messgeräte installiert, die im Liniendienst zwischen Nordamerika und Europa kontinuierlich Daten zu Temperatur, Salzgehalt, gelöstem Sauerstoff und CO2 im Oberflächenwasser sammeln. Die Messungen sind Teil der europäischen Forschungsinfrastruktur Integrated Carbon Observation System (ICOS), die jährlich Daten für das Global Carbon Budget liefert.

Die Messanlagen an Bord werden von Dr. Tobias Steinhoff, Chemischer Ozeanograph und Mitautor des Global Carbon Budget Reports, betreut. „Im vergangenen Jahr mussten wir die Messgeräte von Bord nehmen, weil sie nach zehn Jahren kontinuierlichem Einsatz überholt und auf den neusten technischen Stand gebracht werden mussten“, sagt Dr. Steinhoff, „dadurch waren in diesem Jahr leider weniger Daten verfügbar.“

Datenplattform SOCAT: Schlüssel für Kohlenstoffforschung und Klimapolitik

Neben den eigenen Messungen ist Dr. Tobias Steinhoff aktiv an der Plattform Surface Ocean CO2 Atlas (SOCAT) beteiligt, einer internationalen Initiative zur Sammlung und Qualitätskontrolle von CO2-Oberflächenmessdaten. Die SOCAT-Daten liefern eine Vorababschätzung der Kohlenstoffaufnahme der Ozeane und fließen ebenfalls in das Global Carbon Budget ein. Dr. Steinhoff: „Unsere Arbeit in SOCAT stärkt das globale Verständnis der CO2-Dynamik im Ozean und verdeutlicht seine Rolle als CO2-𾱳.“

 

Hintergrund: Über das Global Carbon Project

Das Global Carbon Project (GCP) ist ein Projekt der internationalen Forschungsinitiative Future Earth. Es hat zum Ziel, ein umfassendes Bild des globalen Kohlenstoffkreislaufs, seiner biophysikalischen und menschlichen Dimensionen sowie deren Wechselwirkungen zu entwickeln. Klimaforscher:innen aus aller Welt arbeiten an dem jährlichen Bericht zum globalen Kohlenstoffbudget. Das Global Carbon Budget 2024 ist die 19. Auflage. Die erste erschien im Jahr 2006. Veröffentlicht wird der Bericht jeweils in der Fachzeitschrift Earth System Science Data.

Viele Forschende aus dem deutschsprachigen Raum waren am Global Carbon Budget 2024 beteiligt. Sie kommen vom Alfred-Wegener-Institut (Bremerhaven), der ETH Zürich, dem 91̽ (Kiel), dem Helmholtz Zentrum Hereon (Geesthacht), dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), dem Karlsruher Institut für Technologie, dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung (Warnemünde), der Ludwig-Maximilians-Universität (München), dem Max-Planck-Institut für Meteorologie (Hamburg), dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie (Jena), dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und von den Universitäten Bremen, Bern und Hamburg.

Originalpublikation

Friedlingstein et al. (2024) Global Carbon Budget 2024. Earth System Science Data.

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news-9667 Mon, 11 Nov 2024 13:01:48 +0100 Lücken in der Ozeanbeobachtung schließen /news/article/luecken-in-der-ozeanbeobachtung-schliessen 11.11.2024/Kiel/Baku. Die europäischen Meeresforscher:innen plädieren dringend für eine Verbesserung und Vereinheitlichung der Ozeanüberwachung. Ein Appell, der sich auch an die internationale Gemeinschaft richtet, die sich von heute an in Baku zur Weltklimakonferenz COP29 trifft. Um den Ozean als wichtigen Partner im Kampf gegen den Klimawandel zu erhalten, sei es dringend notwendig, seinen Zustand umfassend zu überwachen. Darauf weisen die Forschenden in zwei kürzlich veröffentlichten Berichten hin, in denen die zentralen Lücken und Herausforderungen in Europa beschrieben, aber auch Lösungen aufgezeigt werden, wie Überwachung und Schutz europäischer Gewässer verbessert werden können. Die Positionspapiere sind aus dem EU-Projekt EuroSea hervorgegangen, das am 91̽-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wurde. Ein gesunder Ozean bildet die Grundlage für vieles, was unser Leben prägt. Er versorgt uns mit Sauerstoff und Nahrung und bietet Lebensraum für unzählige Arten – vor allem aber wirkt er wie ein Puffer gegen den Klimawandel, indem er große Mengen CO2 und überschüssige Wärme absorbiert. Doch dem Ozean geht es schlecht. Verschmutzung, Versauerung, Überfischung und die zunehmende Erwärmung setzen ihm zu und beeinträchtigen seine Fähigkeit, das Klima zu stabilisieren. Um den Ozean als Klimapartner zu erhalten, ist es daher wichtig, seinen Zustand möglichst umfassend und gut koordiniert zu überwachen.

Lücken in der Ozeanbeobachtung: Technologische und finanzielle Defizite

Die Mitglieder des EU-Projekts EuroSea haben die Ozeanbeobachtung in Europa unter die Lupe genommen. In ihren beiden kürzlich erschienenen Berichten „Urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade“ und „Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system“ werden die gravierendsten Lücken in der Überwachung von mariner Biodiversität, invasiven Arten und Ozeanphänomenen wie der Erwärmung und dem Anstieg des Meeresspiegels identifiziert. Viele dieser Lücken entstehen demnach durch technologische Defizite oder durch unzureichende Finanzierung.

„Wir brauchen dringend eine nachhaltigere und effektivere Ozeanbeobachtung, um Veränderungen im Zustand der Ozeane zu verfolgen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern“, sagt Dr. Toste Tanhua, Chemischer Ozeanograph am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Leiter des nun abgeschlossenen Projekts EuroSea, aus dem die beiden Berichte hervorgegangen sind. Er nimmt selbst an der heute beginnenden UN-Weltklimakonferenz COP29 in Baku teil und wird dort dem Thema Ozeanbeobachtung auf internationaler Ebene seine Stimme leihen. Im Ocean Pavilion, an dem sich das 91̽ in diesem Jahr als Partner beteiligt, diskutiert er auf einem Panel über die Beteiligung von nicht-wissenschaftlichen Akteur:innen, wie etwa Segler:innen, an der Ozeanbeobachtung.

In ihren Positionspapieren unterstreichen die Wissenschaftler:innen die Notwendigkeit, die Datensammlung zu verbessern, innovative Technologien wie Umwelt-DNA und mehr autonome Geräte einzusetzen sowie die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Besonders hervorgehoben wird die Förderung der langfristigen Finanzierung und die Schaffung zentraler Koordinationsstellen, um die Effektivität der Meeresbeobachtung langfristig zu sichern.

„Die Empfehlungen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, richten sich sowohl an die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch an politische Entscheidungsträger und die Industrie“, sagt Dr. Tanhua. „Die Herausforderungen sind groß, aber die Lösungen, die wir vorschlagen, bieten klare Handlungsansätze. Wir müssen möglichst umfassende Informationen generieren, um marine Ökosysteme besser zu verstehen und besser schützen zu können. Das ist ein ganz wichtiger Baustein in den Bemühungen, die Klimakrise abzumildern. Zwar reduziert die Beobachtung allein nicht die Auswirkungen des Klimawandels, doch sie ermöglicht uns, zu verstehen und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Denn: Man kann nur managen, was man auch messen kann.“

Empfohlene Maßnahmen zur Verbesserung der Ozeanbeobachtung

Beispielswiese wird empfohlen, umfassende Programme zur Überwachung der marinen Biodiversität zu entwickeln. Insbesondere der Einsatz innovativer Technologien wie Umwelt-DNA (eDNA) könnte dazu beitragen, invasive Arten frühzeitig zu identifizieren und die Datensammlung zu verbessern.

Der Einsatz autonomer Geräte (z.B. Argo-Floats und Sensoren) sollte erhöht werden, um die Daten von Satelliten zu validieren und die Beobachtung des tiefen Ozeans zu verbessern. Dies ist besonders wichtig für schwer zugängliche extrem kalte Regionen.

Weiterhin sollten einheitliche Verfahren zur Überwachung von Eutrophierungsindikatoren wie Nährstoffkonzentrationen und Sauerstoffgehalt entwickelt werden, um die negativen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Meeresumwelt besser zu überwachen und zu reduzieren.

Gerade in Gebieten mit hohem Nährstoffeintrag sollte der Einsatz von autonomen Sensoren gefördert werden. Diese Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung von Algenblüten und der Versauerung der Ozeane.

Empfehlungen für die Koordination und das Management der Ozeanbeobachtung

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und Akteuren wird empfohlen, um die Überwachungsstrategien zu harmonisieren und den Austausch von Daten zu erleichtern. Für die Koordination braucht es eine verantwortliche Stelle, die für das Management und die strategische Planung der Ozeanbeobachtungsaktivitäten verantwortlich ist. Diese Struktur würde die Effizienz fördern und länder- und disziplinenübergreifende Kooperationen erleichtern.

Um sicherzustellen, dass die Ozeanbeobachtungssysteme nachhaltig arbeiten und kontinuierlich aktualisiert werden können, sollte vor allem eine Finanzierungsstrategie für langfristige Beobachtungsprogramme entwickelt werden. „Unsere Forschungs­förderungs­strukturen unterstützen – völlig zu Recht – die Generierung von Wissen, nicht aber das Monitoring“, erklärt Dr. Abed El Rahman Hassoun, Erstautor des ersten Positionspapiers. „Um diese Lücke zu schließen, bräuchte es eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Kofinanzierung zwischen verschiedenen Ministerien. Dies ist ein Problem, das wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der EU sehen.“

 

Hintergrund: EuroSea-Projekt

Das EU-Projekt EuroSea brachte von 2019 bis 2023 unter der Leitung von Dr. Toste Tanhua vom 91̽ mehr als 150 Expert:innen von 53 Partnerinstitutionen aus 16 Ländern zusammen, um die bestehenden Systeme der Ozeanbeobachtung besser zu integrieren und die Bereitstellung von Ozeaninformationen zu verbessern. Der Fokus lag auf der gesamten Wertschöpfungskette der Ozeanbeobachtung, von den Messungen bis zu den Nutzern der Daten. Die Europäische Union förderte das Projekt mit 12,6 Millionen Euro.

Originalpublikationen:

Hassoun A.E.R., Tanhua T., Lips I., Heslop E., Petihakis G. and Karstensen J. (2024) The European Ocean Observing Community: urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade. Frontiers in Marine Sciences. 11:1394984.

Tanhua T , Le Traon P-Y , Köstner N et al. (2024) Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system Frontiers in Marine Science. 11:1394549.

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news-9663 Wed, 06 Nov 2024 10:00:00 +0100 Vulkanasche als Nährstofflieferant /news/article/vulkanasche-als-naehrstofflieferant 06.11.2024/Kiel. Der Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Inselstaat Tonga im Januar 2022 hat riesige Mengen vulkanischen Materials freigesetzt. Wie dieses die biogeochemische Zusammensetzung des Oberflächenwassers im Südpazifik veränderte, haben Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel untersucht. Im Rahmen einer GEOTRACES-Expedition konnten sie nachweisen, dass mit dem vulkanischen Material große Mengen an Spurenelementen ins Meer gelangten, die das Wachstum von Phytoplankton verstärkten. Dieser Nährstoffeintrag könnte das Leben im Meer nachhaltig beeinflussen und die CO₂-Bindung im Ozean erhöhen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications öڴڱԳٱ. Der Ausbruch des untermeerischen Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai (HTHH) im Januar 2022 hat rund 2,9 Milliarden Tonnen vulkanisches Material in die Atmosphäre und in den Südpazifik freigesetzt. Kurz nach dem Ausbruch untersuchte eine wissenschaftliche Expedition die Auswirkungen dieses gewaltigen Ereignisses auf die Biogeochemie des Oberflächenwassers. Die Wissenschaftler:innen konzentrierten sich dabei besonders auf die Veränderungen in der Konzentration von Spurenelementen im Ozean und deren Einfluss auf das marine Leben. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer Studie zusammengefasst, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist.

Per Computer und per Schiff: Nachweis des vulkanischen Einflusses auf den Südpazifik

Zur Analyse der Auswirkungen des Ausbruchs setzten die Wissenschaftler:innen auf eine Kombination aus moderner Computersimulation und spezialisierter Probenanalyse. Um die Ausbreitung der Vulkanasche nach dem Ausbruch zu simulieren, nutzten sie das Computermodell HYSPLIT der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), einer US-amerikanischen Bundesbehörde. Das Modell simuliert den Transport von Stoffen in der Atmosphäre. Damit konnte die Ausbreitung der Vulkanasche in verschiedenen Höhen für 72 Stunden und die Flugbahnen der Asche für bis zu 315 Stunden berechnet werden.

Während der SONNE-Expedition SO289 im Rahmen des internationalen GEOTRACES-Programms von Februar bis April 2022 sammelten die Forschenden Wasserproben entlang einer festgelegten Route im Südpazifik, um die Verteilung von Spurenelementen und ihre biogeochemischen Auswirkungen zu analysieren. Große Mengen schwimmenden vulkanischen Materials, hauptsächlich Bimsstein, wurden während der Expedition beobachtet und beprobt. Außerdem kamen Meerwasseranalysen von Neodym-Isotopen und Seltenen Erden zur Nachverfolgung des vulkanischen Eintrags und von Chlorophyll-a als Indikator für Phytoplankton zum Einsatz.

Phytoplankton profitiert von Spurenelementen aus dem vulkanischen Material

Im westlichen Südpazifik fanden die Forschenden erhebliche Mengen an Spurenelementen wie Eisen und Neodym, die normalerweise nur in geringen Mengen als Staubeintrag in den Ozean gelangen. Durch den Vulkanausbruch wurden beispielsweise rund 32.000 Tonnen Eisen und 160 Tonnen Neodym zusätzlich freigesetzt. Die Menge an Eisen entspricht dem Eintrag, den die Region normalerweise in einem Jahr erhält, während die Neodym-Menge dem weltweiten Eintrag eines gesamten Jahres entspricht.

„Gleichzeitig haben wir in der Region erhöhte Werte von Chlorophyll-a gemessen, was auf ein verstärktes Wachstum des Phytoplanktons und damit auf eine höhere biologische Produktivität hinweist“, sagt Dr. Zhouling Zhang, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungseinheit Paläo-Ozeanographie und Erstautorin der Studie.

Langfristige Auswirkungen auf das Klima

Damit konnte das Team zeigen, dass durch Vulkanausbrüche freigesetzte Spurenelemente eine wichtige Rolle für das Leben im Meer spielen. Diese Elemente, insbesondere der Mikronährstoff Eisen, wirken im Ozean als Nährstoffe, die das Wachstum von Phytoplankton anregen. Phytoplankton spielt eine wesentliche Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf, da es durch die Photosynthese CO₂ aus der Atmosphäre aufnimmt und im Ozean speichert. Durch die Erhöhung der biologischen Produktivität wird somit möglicherweise auch die Fähigkeit des Ozeans, CO₂ aus der Atmosphäre aufzunehmen verbessert – ein Prozess, der sich langfristig auf das Klima auswirken könnte.

Die Forschenden schätzen, dass die Freisetzung des Mikronährstoffs Eisen durch den HTHH-Ausbruch vergleichbar ist mit der Eisendüngung durch den Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991. Damals wurden rund 40.000 Tonnen vulkanischen Materials freigesetzt, und etwa zwei Jahre nach dem Ausbruch konnte eine Verlangsamung des CO₂-Anstiegs in der Atmosphäre um 1,5 ppm (parts per million) gemessen werden. Zhouling Zhang: „Wir gehen davon aus, dass auch der Ausbruch des Hunga Tonga einen ähnlichen Effekt haben könnte.“

 

Publikation:

Zhang, Z., Xu, A., Hathorne, E. et al. (2024): Substantial trace metal input from the 2022 Hunga Tonga-Hunga Ha’apai eruption into the South Pacific. Nat Commun 15, 8986.

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Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB1News FE-PalOz Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Naturgefahren aus dem Ozean Klima Plattentektonik Naturgefahren
news-9661 Mon, 04 Nov 2024 13:23:25 +0100 Durch die „Wasserwüste“ von Afrika nach Australien /news/article/durch-die-wasserwueste-von-afrika-nach-australien 04.11.2024/Kiel/Durban. Eine internationale Forschungsexpedition unter Leitung des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ist mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE in den noch weitgehend unerforschten Südindischen Ozean aufgebrochen. Dieses Meeresgebiet ist von großer Bedeutung für das globale Klima und die Nährstoffkreisläufe im Ozean. Auf der knapp achtwöchigen Fahrt von Afrika nach Australien wird das Forscherteam untersuchen, wie Spurenelemente und ihre Isotope – darunter lebenswichtige Mikronährstoffe wie Eisen, Kobalt, Kupfer und Zink – marine Ökosysteme und ihre Fähigkeit zur CO₂-Aufnahme beeinflussen. Der Südindische Ozean mit seinem großen nährstoffarmen Wirbel gilt als oligotrophe Zone – quasi eine „Wasserwüste“ mit extrem geringen Nährstoffkonzentrationen im Oberflächenwasser. Gleichzeitig treten südwestlich von Madagaskar regelmäßig starke Phytoplanktonblüten auf, die eine wichtige Rolle für die Produktivität des Ozeans und den Kohlenstoffkreislauf spielen. Phytoplankton nutzt Spurenelemente wie Eisen und Stickstoff für sein Wachstum und hilft so, CO₂ aus der Atmosphäre zu binden. Auf einer Expedition von Mosambik bis nach Australien wird erstmals im Detail untersucht, wie diese Mikro- und Makronährstoffe hier in den Ozean gelangen, zirkulieren und für das marine Leben verfügbar gemacht werden.

„Die Ergebnisse dieser Expedition werden unser Wissen über den Südindischen Ozean erheblich erweitern und zeigen, wie diese Meeresregion globale Kreisläufe und das Klima beeinflusst“, sagt Fahrtleiter Eric Achterberg, Professor für Chemische Ozeanographie am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Verteilung, Herkunft, Transport und Bedeutung von Spurenelementen

Die Expedition verfolgt vier zentrale Forschungsziele. Zum einen soll die Verteilung und chemische Zusammensetzung von Spurenelementen und Isotopen bestimmt werden. Dazu nimmt das Team Proben von der Wasseroberfläche bis in Tiefen von 5.000 Metern, um den exakten Gehalt und die chemischen Bindungsformen von Mikronährstoffen wie Eisen, Mangan und Zink sowie von Isotopen wie Neodym, Thorium und Plutonium zu bestimmen.

Ein weiteres Ziel ist es, die Quellen dieser Spurenelemente zu identifizieren: Durch den Eintrag von Staub aus der Atmosphäre, durch kontinentale Zuflüsse wie den Sambesi, aus Meeressedimenten oder durch hydrothermale Quellen aus der ozeanischen Kruste gelangt eine Vielzahl von Spurenelementen in den Ozean. Die Wissenschaftler:innen wollen untersuchen, welchen Anteil diese verschiedenen Quellen am gesamten Spurenelementevorrat des Ozeans haben.

Ein dritter Schwerpunkt der Expedition liegt auf der Untersuchung des Transports dieser Spurenelemente im Ozean. Mit Hilfe von chemischen Tracern und ozeanographischen Messungen wird analysiert, wie die Zirkulationsströmungen im Südindischen Ozean die Nährstoffe über weite Strecken transportieren, bis sie schließlich das Oberflächenwasser erreichen und dem marinen Nahrungsnetz zur Verfügung stehen.

Schließlich beschäftigt sich das Forscherteam mit der ökologischen und klimatischen Bedeutung der Spurenelemente. Da Phytoplankton als Basis der marinen Nahrungskette auf Mikro- und Makronährstoffe angewiesen ist, wird die Expedition untersuchen, wie Nährstoffflüsse und Planktonaktivität zusammenhängen und welche Rolle der Südindische Ozean als Kohlenstoffsenke spielt.

Route der Forschungsreise: Von Durban nach Fremantle

Die Route führt das Forschungsteam zunächst von der Küste Mosambiks nach Madagaskar und dann auf einer schnurgeraden Ost-West-Strecke von Madagaskar nach Australien. An rund 50 Stationen werden die Nährstoffquellen und Flüsse von Spurenelementen und Isotopen dokumentiert. An insgesamt 15 so genannten Superstationen werden besonders aufwändige Probenahmen durchgeführt. Hier kommen unter anderem In-situ-Pumpen zum Einsatz, die Partikel direkt in verschiedenen Tiefen bis zu 800 Metern filtern. Darüber hinaus werden an jeder Station Sedimentkerne entnommen.

„Der Südindische Ozean ist ein Schlüsselsystem für die globale Tiefenwasserzirkulation und die Versorgung der oberflächennahen Wasserschichten mit Mikronährstoffen,“ erklärt Professor Achterberg. „Dennoch sind die Spurenelemente-Biogeochemie und die chemische Ozeanographie in dieser Region unterrepräsentiert. Unsere Expedition wird entscheidende Daten liefern, um die chemische Struktur und Dynamik des Südindischen Ozeans besser zu verstehen und seinen Beitrag für das Klima und die marine Nahrungskette einzuordnen.“

 

Expedition auf einen Blick:

Name: SONNE-Expedition SO308 

Fahrtleitung: Prof. Dr. Eric Achterberg 

Zeitraum: 31.10.2024-22.12.2024 

Beginn und Ende: Durban (Südafrika) – Fremantle (Australien) 

Fahrtgebiet: Südindischer Ozean

Wissenschaftliche Crew: 40 Wissenschaftler:innen aus 14 Nationen

Die Ausfahrt ist Teil des international koordinierten GEOTRACES-Programms.

Beteiligte Institutionen: 91̽, Constructor University Bremen, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), Helmholtz-Zentrum Hereon, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Woods Hole Oceanographic Institution, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH), International Atomic Energy Agency (IAEA) Monaco, Zhejiang University, Stanford University, University of Chicago, University of Tasmania, Universität Rostock.

 

Hintergrund Spurenelemente und Isotope

Spurenelemente und Isotope, englisch Trace Elements and Isotopes (TEI), sind Stoffe, die im Meerwasser nur in geringen Konzentrationen vorkommen, aber eine entscheidende Rolle im Ozean spielen: Einige sind wichtige Nährstoffe für mikroskopisch kleine Organismen und beeinflussen biogeochemische Prozesse. So benötigt zum Beispiel Phytoplankton Spurenelemente wie Eisen für das Wachstum, was wiederum Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette und die Fähigkeit des Ozeans hat, Kohlenstoff zu binden. In der Wissenschaft werden Isotope von Elementen wie Thorium oder Neodym als sogenannte Tracer (englisch trace = Spur) verwendet, um die Bewegung von Wassermassen und Stoffkreisläufe im Ozean zu verstehen.

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news-9659 Wed, 30 Oct 2024 11:43:58 +0100 Wie tragen Blasen zum Gasaustausch zwischen Luft und Meer bei? /news/article/wie-tragen-luftblasen-zum-gasaustausch-zwischen-luft-und-meer-bei 30. Oktober 2024/Kiel. Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen ausländischen und deutschen Forschenden durch ihre Forschungsstipendien. Diese Förderungen ermöglichen es Expert:innen aus dem Ausland, Zeit an deutschen Forschungseinrichtungen zu verbringen und dort eigene Projekte umzusetzen. In der Forschungseinheit Chemische Ozeanografie am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist derzeit der Humboldt-Stipendiat Dr. Yuanxu Dong bei Dr. Christa Marandino zu Gast. Für zwei Jahre wird er hier die Rolle von Blasen im CO2-Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre erforschen. Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert mit ihren Forschungsstipendien die wissenschaftliche Kooperation zwischen ausländischen und deutschen Forschenden. Die Förderung ermöglicht es herausragenden Postdoktorand:innen aus dem Ausland, ihre Projekte an deutschen Forschungseinrichtungen zu bearbeiten. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konnte in diesem Jahr einen neuen Stipendiaten begrüßen: Dr. Yuanxu Dong wird für zwei Jahre in der Forschungsabteilung Chemische Ozeanographie von Dr. Christa Marandino betreut.

Dr. Yuanxu Dong stammt ursprünglich aus China und hat zuletzt in Norwich, England, studiert, wo er an der University of East Anglia promovierte. Am liebsten wäre der frischgebackene Ozeanograph sofort nach der Promotion mit seiner jetzigen Gastgeberin in See gestochen: Dr. Christa Marandino, Privatdozentin und Leiterin der Arbeitsgruppe Luft-Wasser-Austausch von Spurengasen am 91̽, leitete im vergangenen Dezember eine fünfwöchige Expedition in die Labradorsee. Während dieser Winterexpedition untersuchte sie den Beitrag von Luftblasen zum Gasaustausch zwischen Atmosphäre und Ozean. Dies ist genau das Thema, das Dr. Yuanxu für sein Postdoc-Forschungsprojekt am 91̽ gewählt hat.

„Mich interessiert der globale CO2-Fluss zwischen Luft und Ozean“, sagt er. Es sei bekannt, dass der Ozean einen großen Teil der CO2-Emissionen aufnehme, die Rolle der Blasen in diesem Prozess sei aber noch ein Rätsel.

Seine Gastgeberin, Dr. Marandino, umreißt die Problematik: „Die Quantifizierung erfolgt oft mathematisch auf der Grundlage von Laborergebnissen. Labortests sind nützlich, um Mechanismen zu verstehen, aber das Labor ist keine realistische Meeresumgebung.“ Die realistische Meeresumgebung, das sind sich brechende Wellen, die Blasen ins Wasser schlagen, je höher, desto mehr. Und hier liegt die Herausforderung: Je stärker der Wind und je höher die Wellen, desto schwieriger sind Messungen an der Meeresoberfläche. Es überrascht daher nicht, dass es noch keine Messdaten zum Gasaustausch unter Sturmbedingungen gibt, also bei Windgeschwindigkeiten von 20 bis 30 Metern pro Sekunde (etwa 70 bis 100 Kilometer pro Stunde). Da jedoch aufgrund des Klimawandels mit einer Zunahme von Stürmen zu rechnen ist, wird es immer wichtiger, die Rolle der Blasen beim Gasaustausch zwischen Luft und Meer zu verstehen.

Erst kürzlich hat Dr. Yuanxu Dong dazu eine bedeutende Studie in der renommierten Fachzeitschrift Science Advances öڴڱԳٱ. Zusammen mit einem internationalen Team konnte er zeigen, dass das Südpolarmeer rund um die Antarktis etwa 25 Prozent mehr Kohlendioxid aufnimmt als bisher angenommen. Für die neue Studie wurde eine hochpräzise Messmethode namens „Eddy-Kovarianz“ eingesetzt, die die Bewegung atmosphärischer Wirbel misst, um aus dem Verhältnis von vertikaler Windgeschwindigkeit und Gasfluss-Schwankungen den Netto-Gasfluss zu berechnen. Dies ermöglicht eine direkte Bestimmung des CO2-Austauschs zwischen Ozean und Atmosphäre. Ausgewertet wurden Daten, die mit dieser Methode während sieben Forschungsfahrten im Südlichen Ozean gewonnen wurden. Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Fortschritt im Verständnis der Rolle dieses Meeres bei der Regulierung des globalen Klimas dar, wenngleich auch hier noch Winterdaten fehlen.

Seit diesem Sommer arbeitet Dr. Yuanxu Dong im Rahmen des Forschungsprojekts MUSE (Marine Environmental Robotics and Sensors for Sustainable Research and Management of Coasts, Seas and Polar Regions) an der Entwicklung und dem Bau eines innovativen Eddy-Kovarianz-Systems mit, das auf einer Boje installiert werden soll. Dieses hat das Potential, die direkten Messungen des CO₂-Flusses zwischen Luft und Meer erheblich zu verbessern.

Im März und September war Dr. Yuanxu Dong bei seinem Co-Gastgeber Prof. Dr. Bernd Jähne am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg zu Gast. Im dortigen Aeolotron, einem der größten und modernsten ringförmigen Wind-Wellen-Kanäle der Welt, führte er Experimente zu blasenvermittelten Transferprozessen durch. Diese Laborergebnisse wird er nun mit den Daten aus seinen Feldexperimenten verknüpfen, um die Mechanismen des blasenvermittelten Gasaustausches zu verstehen.

Pünktlich zum Beginn der dunklen Jahreszeit ist Dr. Yuanxu wieder zurück in Kiel. Doch den norddeutschen Winter fürchtet er nicht: „Ich habe Norwich überlebt“, sagt er lachend, „und Kiel liegt ja nur ein bisschen weiter nördlich.“

 

Originalpublikation:

Yuanxu Dong et al. (2024): Direct observational evidence of strong CO2 uptake in the Southern Ocean. Sci. Adv.10.

DOI:10.1126/sciadv.adn5781

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news-9654 Tue, 29 Oct 2024 11:29:14 +0100 Mikrobengemeinschaften auf Seegräsern reduzieren Krankheitserreger /news/article/mikrobengemeinschaften-auf-seegraesern-reduzieren-krankheitserreger 29.10.2024/Kiel. Seegraswiesen sind nicht nur Kinderstube für Fische, Küstenschützer und CO2-Speicher. Sie reduzieren auch sehr effektiv Krankheitserreger im Meer. Wie genau das funktioniert, haben jetzt Wissenschaftler:innen der Forschungseinheit Marine Naturstoffchemie am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersucht. Sie analysierten die mikrobiellen Gemeinschaften, die auf Ostsee-Seegras leben und stellten fest, dass insbesondere Bakterien auf gesunden Pflanzen stark antibiotisch wirken. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment öڴڱԳٱ. Seegräser sind etwas ganz Besonderes: Sie sind die einzigen Blühpflanzen, die den Weg vom Land zurück ins Meer gegangen sind. Wegen ihrer Photosyntheseleistung werden sie auch „Lungen der Meere“ genannt. Und mit Ausnahme der Antarktis kommen sie auf allen Kontinenten vor, wo sie in Küstenregionen ausgedehnte Unterwasserwiesen bilden. Neben diesen außergewöhnlichen Merkmalen haben Seegraswiesen eine enorme ökologische und ökonomische Bedeutung: Sie sind Laichplatz für Fische, Versteck für Jungfische und Lebensraum für Muscheln, Schnecken und Krebse. Damit gehören sie neben Korallenriffen und Regenwäldern zu den produktivsten und vielfältigsten Ökosystemen der Erde. Vor den Küsten beruhigen sie die Brandung und stabilisieren mit ihren Wurzeln das Sediment. Außerdem speichern sie unter dem Sand sehr schnell und effektiv Kohlendioxid.

Seegraswiesen sind natürliche Wasserreiniger

Vor einigen Jahren wurde eine weitere bemerkenswerte Ökosystemleistung entdeckt: Seegraswiesen reduzieren die Anzahl krankheitserregender Bakterien im Wasser um sie herum. Die Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass die Konzentration schädlicher Bakterien, die für Meerestiere und Menschen gefährlich sind, in indonesischen Seegraswiesen nur etwa halb so hoch war, wie im Wasser außerhalb der Seegraswiesen. Folgestudien, unter anderem am 91̽, konnten die Reduktion von Krankheitserregern wie E. coli, Enterokokken, Salmonellen und Vibrionen in der Nähe von Seegraswiesen bestätigen.

Wissenschaftler:innen der Forschungseinheit Marine Naturstoffchemie am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersuchen die verschiedenen Mechanismen hinter diesem Effekt seit vielen Jahren. Die Ergebnisse des ersten Teils ihrer Studie wurden nun in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment öڴڱԳٱ.

Wie bekämpfen Seegräser Krankheitserreger?

„Die Beseitigung von Krankheitserregern aus dem Wasser ist ein sehr komplexes Phänomen, das physikalische, mikrobiologische, biologische und chemische Mechanismen umfasst“, sagt Dr. Deniz Tasdemir, Professorin für marine Naturstoffchemie und Hauptautorin der Studie. Zunächst analysierten die Forschenden das kultivierbare Mikrobiom von Zostera marina, einer in der Ostsee weit verbreiteten Seegrasart, und die von ihm produzierten natürlichen Moleküle. Dazu isolierten sie fast 90 Bakterien und Pilze von der Oberfläche und aus dem Gewebe von Seegrasblättern und -wurzeln und testeten ihre Extrakte auf antibiotische Aktivität. Diese Tests wurden gegen eine große Zahl von aquatischen, menschlichen und pflanzlichen Krankheitserregern durchgeführt, darunter Vibrio-Arten, die schwere Krankheiten und sogar den Tod verursachen können, wenn sie durch rohe oder nicht durchgegarte Meeresfrüchte oder durch Hautschäden bei Freizeitaktivitäten auf den Menschen übertragen werden.

Dabei zeigte sich, dass insbesondere Bakterien von gesunden Blattoberflächen eine starke und breit wirksame antibiotische Aktivität aufweisen, die in einigen Fällen sogar kommerzielle Antibiotika übertrifft. „Das hat unsere Hypothese bestätigt“, sagt Prof. Tasdemir. Zusätzlich zu den bekannten antimikrobiellen Verbindungen entdeckte das Team in diesen Bakterien zahlreiche neue Verbindungen. Diese neuen Moleküle werden nun isoliert, also chemisch gereinigt, ihre chemische Struktur identifiziert und ihr Potenzial als zukünftige Antibiotika bewertet. Professorin Tasdemir: „Für uns ist das nur die Spitze des Eisbergs. Wir arbeiten jetzt in einem internationalen Team intensiv an weiteren chemischen und mikrobiombezogenen Mechanismen und wie sie zur Hygienewirkung von Seegräsern im Labor und im Meer beitragen können.“

Antibiotika aus dem Meer: das Potenzial des Mikrobioms von Seegräsern

Die klimawandelbedingte Erwärmung der Meere erhöht in den Sommermonaten die Belastung der Küstengewässer mit Krankheitserregern wie Vibrionen. Dies stellt auch an der deutschen Ostsee ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Die erregerregulierende Wirkung von Seegraswiesen wird daher für die Gesundheit der Meere und des Menschen immer wichtiger. Darüber hinaus birgt das Mikrobiom der Seegräser ein großes Potenzial für die Entdeckung neuer Antibiotika, was im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen von enormer Bedeutung ist. Der Schutz und die Wiederherstellung von Seegraswiesen ist daher wichtiger denn je.

 

ԲöڴڱԳٱܲԲ:

Tasdemir, D., et al. (2024). Epiphytic and endophytic microbiome of the seagrass Zostera marina: Do they contribute to pathogen reduction in seawater? Science of the Total Environment, 908, 168422.

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news-9652 Mon, 28 Oct 2024 11:11:02 +0100 Baku Ocean Declaration zur UN-Klimakonferenz /news/article/baku-ocean-declaration-zur-un-klimakonferenz 28.10.2024/Kiel. Die Partner des Ozean-Pavillons fordern Staats- und Regierungschefs auf, solide und langfristige Investitionen in die Meeresbeobachtung, -forschung und -kartierung zu tätigen, um zur Erreichung der Hauptziele der UN-Abkommen über Klima, biologische Vielfalt und Wüstenbildung beizutragen. Die Baku Ocean Declaration wird im Vorfeld der 29. UN-Klimakonferenz veröffentlicht, die vom 11. bis 22. November in Baku, Aserbaidschan, stattfindet. Die Erklärung unterstreicht die entscheidende Rolle, die das Wissen über den Ozean für das Wohlergehen der Menschen und Gemeinschaften sowie für die Gesundheit der Ökosysteme weltweit spielt. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel beteiligt sich auch in diesem Jahr am Ozean-Pavillon. Gemeinsame Gemeinsame Pressemitteilung der Ocean Pavillon Partner bei der COP29

91̽ Direktorin Professor Katja Matthes: „Die globale Bestandsaufnahme für die COP28 in Dubai im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass die Welt auf 2,6 Grad Celsius zusteuert und nicht auf die 1,5 Grad, die im Pariser Abkommen von 2015 festgelegt wurden. Wir müssen die Treibhausgasemissionen sofort und drastisch senken. Gleichzeitig müssen wir Lösungen für die verbleibenden Emissionen finden, die sich nicht vermeiden lassen. Die Meeresforschung liefert wichtige Erkenntnisse über natürliche und technische Ansätze zur Kohlendioxid-Entfernung (CDR) und zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), so dass der Ozean uns bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen kann. Wir rufen die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, diese Forschung zu unterstützen und Aktivitäten zum Schutz des Ozeans zu fördern.“

Peter de Menocal, Präsident und Direktor der Woods Hole Oceanographic Institution: „Unsere Zukunft hängt davon ab, dass die Menschheit kluge Entscheidungen über den Umgang mit dem Ozean trifft. Und um kluge Entscheidungen zu treffen, brauchen wir die bestmöglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Ozean und seine vielfältigen Auswirkungen auf alle Menschen auf unserem Planeten. Langfristige Ozeanbeobachtungen liefern die entscheidenden Daten, um eine nachhaltige Zukunft für alle zu gewährleisten.“

Der Ozean hat mehr als 90 Prozent der Wärme und fast 30 Prozent des Kohlendioxids aufgenommen, die durch menschliche Aktivitäten verursacht wurden. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit von Faktoren wie dem Anstieg des Meeresspiegels, den steigenden Temperaturen in der Atmosphäre und in den Ozeanen, den Veränderungen des Wasserkreislaufs, den Trends bei der Versauerung und dem Sauerstoffmangel der Ozeane, dem Rückgang der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt sowie den Unwettern wird daher davon abhängen, wie gesund der Ozean bleibt. Trotzdem haben die internationalen Investitionen in Meeresbeobachtungssysteme nicht mit dem Bedarf an Informationen für die Anpassung an den Klimawandel und andere wichtige Entscheidungen Schritt gehalten.

Margaret Leinen, Direktorin der Scripps Institution of Oceanography an der UC San Diego: „Der Ozean hat einen überragenden Einfluss auf das globale Klima, selbst wenn es um die Wüstenbildung geht, und ist selbst vom Klimawandel betroffen. Mindestens die Hälfte der Makroorganismen auf unserem Planeten sind Meeresorganismen. Die meisten von ihnen sind noch nicht einmal entdeckt, geschweige denn benannt worden, so dass die weitere Erforschung des Systems, das das Leben auf der Erde trägt, zwingend notwendig ist.“

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist zu dem Schluss gekommen, dass die Welt koordinierte Maßnahmen ergreifen muss, um einen Anstieg von mehr als 1,5 °C gegenüber den vorindustriellen Temperaturen zu vermeiden - ein wichtiger Schwellenwert, bei dessen Unterschreitung nach Ansicht der Klimawissenschaftler:innen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermieden werden können. Gleichzeitig wächst das Interesse an den zahlreichen Möglichkeiten, die der Ozean bietet, darunter Methoden zur Eindämmung der steigenden Treibhausgase in der Atmosphäre, zur Anpassung an den aktuellen und künftigen Klimawandel und zum Aufbau einer gesunden blauen Wirtschaft, die der Menschheit zugute kommt und wichtige Ökosysteme schützt.

Die Ozean-Erklärung ruft die Teilnehmer:innen der UN-Klimakonferenz und darüber hinaus dazu auf, Maßnahmen zur Verbesserung der Beobachtung kritischer Meeresvariablen zu ergreifen, um diese Vorteile zu erhalten. Darüber hinaus werden in der Erklärung die Möglichkeiten hervorgehoben, die verbesserte Beobachtungen bieten, um die miteinander verknüpften Ziele der UN-Konventionen über Klima, biologische Vielfalt und Wüstenbildung, die zusammen als Rio-Konventionen bekannt sind, zu erreichen.

In der Baku Ocean Declaration der COP29 werden unter anderem folgende konkrete Maßnahmen genannt:

  • Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, um Fortschritte bei der Bewältigung der Klima-, Biodiversitäts- und Süßwasserkrisen der Erde zu erzielen.
  • Verbesserung der öffentlichen und privaten Finanzierung, um die Unterstützung für langfristige Meeresbeobachtung, Forschung und Innovation für die Entscheidungsfindung zu erweitern.
  • Aufbau von Kapazitäten und Zugang, insbesondere in kleinen Ländern des globalen Südens, niedrig gelegenen Küstenregionen und anderen unterrepräsentierten Menschen und Orten, um Meeresdaten, Wissen und Innovationen weiterzuentwickeln.
  • Verbesserung des Bewusstseins für die Rolle des Ozeans in planetarischen Systemen und die Notwendigkeit seines Schutzes als wichtiger Schritt zur Mobilisierung von Entscheidungsträgern, um dem Schutz und der Wiederherstellung der Ozeane Priorität einzuräumen.

 

Hintergrund

Der Ozean-Pavillon wird von der Woods Hole Oceanographic Institution und der Scripps Institution of Oceanography der UC San Diego organisiert. Es handelt sich um einen eigenen Bereich in der Blue Zone der COP29, um den Ozean in einer entscheidenden Phase der internationalen Klimaverhandlungen in den Mittelpunkt zu stellen. Der Pavillon bringt Akteure zusammen, die sich dafür einsetzen, dass ozeanbezogene Lösungen bei der Reaktion der Welt auf die Klimakrise als entscheidend anerkannt werden. Während der zweiwöchigen Konferenz wird der Pavillon mehr als 50 Veranstaltungen anbieten, um Diskussionen über ein breites Spektrum von Themen im Zusammenhang mit der Zukunft des Ozeans anzuregen. Die Besucher:innen werden auch die Möglichkeit haben, mehr über die Arbeit der Partner des Ozeanpavillons zu erfahren und mit Wissenschaftler:innen, Vordenker:innen und Studierenden zu sprechen, die an der Suche nach Lösungen für einige der dringendsten Herausforderungen der Welt beteiligt sind.

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news-9649 Fri, 25 Oct 2024 10:00:00 +0200 Licht in die Dämmerungszone des Ozeans bringen /news/article/licht-in-die-daemmerungszone-des-ozeans-bringen 24.10.2024/Kiel/Funchal. Mit einem Kick-Off-Meeting in Funchal, Madeira, ist gestern das EU-Twinning-Projekt TWILIGHTED gestartet. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel wird darin in den kommenden drei Jahren als deutscher Partner gemeinsam mit Institutionen aus Norwegen und Portugal die Dämmerungszone bis in die tiefe Tiefsee rund um die Insel Madeira erforschen. Gleichzeitig soll die Meeresforschung auf Madeira gestärkt und eine langfristige Partnerschaft mit dem portugiesischen Institut aufgebaut werden. TWILIGHTED wird von der EU im Rahmen von Horizont Europa mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Je tiefer man ins Meer abtaucht, desto weniger Sonnenlicht dringt durch das Wasser. Zwischen 200 und 1.000 Metern Tiefe ist noch ein wenig Restlicht vorhanden, weshalb man diese Zone „Twilight Zone“ nennt. Zum Leben in der Dämmerungszone gehören mikroskopisch kleine Bakterien und winzige Tiere, das sogenannte Zooplankton, viele gallertartige Arten wie Quallen sowie Fische, Tintenfische und tief tauchende Wale. „Das Leben in der Twilight Zone ist noch weitgehend unerforscht, insbesondere die komplexen Nahrungsnetze und die Vielfalt der Arten“, sagt Dr. Jan Dierking, Meeresbiologe am 91̽ und Spezialist für Marine Nahrungsnetze. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Henk-Jan Hoving, Leiter der Gruppe Tiefseebiologie am 91̽, wird er im Rahmen von TWILIGHTED dieses Ökosystem genauer untersuchen.

Kick-off für EU-Twinning-Projekt auf Madeira

TWILIGHTED ist ein Twinning-Projekt, das von der Europäischen Union (EU) im Rahmen von Horizont Europa mit 1,5 Millionen Euro gefördert wird. Gestern wurde es mit einem Kick-Off-Meeting in Funchal, Madeira, gestartet. Der Name steht für Twinning Laboratory for an Innovative Global Hub to Explore the Deep (Twinning-Labor für ein innovatives, globales Zentrum zur Erforschung der Tiefe). Bei den Twinning-Projekten habdelt es sich um länderübergreifende Partnerschaftsprojekte, in denen Forschungseinrichtungen aus wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen Europas vom Kompetenztransfer führender Forschungsinstitute profitieren. Im Rahmen von TWILIGHTED werden das 91̽ und die Norges Teknisk-Naturvitenskapelige Universitet (NTNU, Norwegen) eng mit dem Meeresforschungsinstitut MARE Madeira (ARDITI, Portugal) zusammenarbeiten. 

Expedition „Jellyweb Madeira“ bietet Datengrundlage

Im Vorfeld des Projekts, im Februar und März 2024, hat die Expedition MSM126 „Jellyweb Madeira“ mit dem großen deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN bereits die Unterwasserlebensräume rund um Madeira untersucht. Dabei kamen unter anderem der Unterwasserroboter ROV PHOCA, verschiedene Kamerasysteme und Netze sowie ozeanographische Sensoren zum Einsatz. „Unsere Proben und Datensätze aus der Expedition stehen nun neben der wissenschaftlichen Nutzung auch als Material zur Unterstützung der Ausbildung im Rahmen von TWILIGHTED zur Verfügung“, sagt Dr. Dierking.

Kreative Ideen für kostengünstige Tiefsee-Technologien

Für die Tiefseeforschung auf Madeira wird es insbesondere darum gehen, einfachere und kostengünstige Technologien zu entwickeln, die auch von kleinen Schiffen aus eingesetzt werden können. Daneben ist ein Ziel, die Partner mit der Technologie und den Datenverarbeitungssystemen vertraut zu machen, die am 91̽ verwendet werden. Dafür wird es einen engen Austausch mit dem Technologie- und Logistikzentrum (TLZ) sowie den 91̽-Teams für Daten- und Probenmanagement geben. Im Sommer 2025 werden Forschende von Madeira ans 91̽ kommen, um in modernen Analysemethoden wie e-DNA-Probenahme und -Analyse, Dateninterpretation und Nahrungsnetzanalyse mit stabilen Isotopen geschult zu werden. Ein weiteres wichtiges Thema ist das Sammeln und Kuratieren von Bildern und Bilddaten.

Madeira als Forschungsstandort stärken

Neben der Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen zielt das Projekt auch darauf ab, Madeira als Forschungsstandort zu stärken und die Tiefseeforschung in Portugal einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dies spiegelt sich in der Vision des Projektkoordinators Dr. João Canning-Clode, MARE-Madeira, wider, der glaubt, dass „das TWILIGHTED-Projekt den Beginn einer transformativen Reise für Portugal markiert, die Kreativität und den Einsatz kostengünstiger Technologien in der Tiefseeforschung fördert und die Rolle des Landes beim Verständnis und Schutz dieser lebenswichtigen Tiefsee-Ökosysteme neu definiert.“

 

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Das Projekt TWILIGHTED (TWinning Laboratory for an Innovative Global Hub To Explore the Deep, Twinning-Labor für ein innovatives, globales Zentrum zur Erforschung der Tiefe) wird im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont Europa der Europäischen Union mit 1,5 Millionen Euro für drei Jahre finanziert (Fördervereinbarung Nr. 101158714).

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news-9646 Tue, 22 Oct 2024 15:06:23 +0200 Dänisches Königspaar besucht 91̽ /news/article/daenisches-koenigspaar-besucht-geomar 22.10.2024/Kiel. Das dänische Königspaar, S.M. König Frederik X. und I.M. Königin Mary, hat heute das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel besucht. Auf der Überfahrt mit der Elektrofähre vom Westufer der Kieler Förde zum 91̽-Campus auf dem Ostufer gab 91̽-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes einen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte, die sich mit dem Schutz und der Nutzung der Ostsee beschäftigen. Das dänische Königspaar, S.M. König Frederik X. und I.M. Königin Mary, hat heute das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel besucht. Auf der Überfahrt mit der Elektrofähre vom Westufer der Kieler Förde zum 91̽-Campus auf dem Ostufer gab Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes einen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte in Nord- und Ostsee.

„Dänemark und Deutschland haben nicht nur eine gemeinsame Grenze, sondern mit Nord- und Ostsee auch zwei Meere, die durch den Klimawandel, aber auch durch andere Faktoren wie Munitionsaltlasten vor großen Herausforderungen stehen. Das 91̽ sieht sich in der gesellschaftlichen Verantwortung, wissenschaftlich basierte Lösungen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Nord- und Ostsee zu entwickeln“, erläuterte Katja Matthes.

Am 91̽ eröffnete S.M. König Frederik X. eine deutsch-dänische Energiekonferenz, zu der die dänische Botschaft eingeladen hatte. In seiner Ansprache hob er die langjährige gute Zusammenarbeit der beiden Länder hervor: „Schleswig-Holstein hat in unserer gemeinsamen Geschichte immer eine wichtige Rolle gespielt. Heute werden wir an die Bedeutung für unsere gemeinsame Zukunft erinnert. Die Partnerschaften und Lösungen, die heute hier vorgestellt werden, leisten mit Sicherheit einen Beitrag zu einem grüneren Morgen.“

Im Anschluss begrüßten der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und der dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen die Gäste.

Künstliche Intelligenz für den Ostseeschutz

Der Zustand der Ostsee ist besorgniserregend: Erwärmung, Versauerung durch Kohlendioxid (CO2) und eine Überlastung mit Nährstoffen führen zu Sauerstoffmangel, der aufgrund der geringen Wasserzirkulation in der Ostsee kaum ausgeglichen werden kann. Nur bei starken Westwinden kommt frisches, sauerstoffreiches Wasser aus der Nordsee herein. Die Folgen sind gravierend: Häufigeres Fischsterben, Rückgang von Seegraswiesen und sinkende Artenvielfalt. An der Zeitserienstation Boknis Eck werden seit 1957 Umweltparameter gemessen, die wertvolle Einblicke in diese Entwicklungen bieten. Im Projekt INSYST soll künstliche Intelligenz (KI) künftig helfen, die Daten effizienter zu analysieren und digitale Modelle zur besseren Überwachung und zum Schutz der Ostsee zu erstellen.

Fischereiforschung

Die Fischerei ist in den Küstenregionen der Ostsee tief verwurzelt und spielt eine wichtige Rolle für die Ernährung und den Tourismus. Allerdings ist eine wirtschaftlich tragfähige Fischerei derzeit und auch auf lange Sicht kaum möglich. Die Bestände der einstigen Brotfische Dorsch und Hering sind nach intensiver Befischung zusammengebrochen, und eine Erholung ist aufgrund der Erwärmung der Ostsee und des Sauerstoffmangels nur sehr langsam zu erwarten. Am 91̽ beschäftigen sich Forschende aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der Ressource Fisch und forschen für ein nachhaltiges Fischereimanagement.

Seegraswiesen als natürliche Klimaschützer

Forschende untersuchen in der Ostsee auch marine Ansätze zur Kohlendioxid-Speicherung. Die Renaturierung von Seegraswiesen gilt dabei als eine von mehreren Maßnahmen – verbunden mit vielfältigem Zusatznutzen. Neben ihrer Bedeutung für die Kohlendioxid-Speicherung schützen sie die Küsten, indem sie Wellen ausbremsen und den sandigen Untergrund mit ihren Wurzeln festhalten. Sie bieten vielen Meerestieren Schutz und Nahrung und stärken auf diese Weise die Artenvielfalt des Meeres. Außerdem filtern sie sehr effektiv Krankheitserreger aus dem Wasser. Etwa 60 Prozent der Anfang des 19. Jahrhunderts noch von Seegras bewachsenen Fläche in der Ostsee ist bereits verlorengegangen. Am 91̽ wird erforscht, wie Seegraswiesen wieder angepflanzt werden können.

Munitionsbergung in Nord- und Ostsee

Schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen Munition, vor allem aus dem Zweiten Weltkrieg, liegen noch vor den Küsten von Nord- und Ostsee. Jahrzehntelang wurde dieser Umweltgefahr wenig Beachtung geschenkt, doch die Zeit drängt: Die Metallhüllen der Munition rosten, und Sprengstoffe wie das krebserregende und erbgutschädigende Trinitrotoluol (TNT) liegen teilweise offen auf dem Meeresboden. Sprengstoffverbindungen und deren Umbauprodukte konnten bereits im Wasser, in Muscheln und Fischen nachgewiesen werden. Die ersten Munitionsteile werden seit Mitte September unter enger wissenschaftlicher Begleitung des 91̽ aus der Lübecker Bucht geborgen. Deutschland ist damit weltweit Vorreiter. Kein anderes Land hat bisher versucht, Munitionsaltlasten im großen Stil aus dem Meer zu entfernen. Um dem Problem zu begegnen, hat das Bundesumweltministerium (BMUV) im vergangenen Jahr ein Sofortprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro aufgelegt. Aus diesem Programm wird die Pilotbergung in der Lübecker Bucht finanziert, bei der seit dem 13. September an mehreren Stellen ganz unterschiedliche Munitionstypen geborgen wurden.

Forschung zu Korrosion von Offshore-Windparks

Mikrobiell beeinflusste Eisenkorrosion im maritimen Industriesektor verursacht nach neuesten Schätzungen allein in Deutschland jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Expert:innen erwarten, dass die Zahl solcher Schäden durch die globale Erwärmung noch deutlich zunehmen wird. Besonders betroffen sind Offshore-Windparks, und bislang ist kein wirkungsvoller und zugleich umweltverträglicher Schutz bekannt. Die Fachhochschule (FH) Kiel und das 91̽ wollen mit Industriepartnern einen wirksamen Schutz gegen mikrobielle Eisenkorrosion im Offshore-Bereich entwickeln.

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news-9640 Thu, 17 Oct 2024 12:53:12 +0200 Trauer um 91̽-Mitarbeiter Dr. Gerd Krahmann /news/article/trauer-um-geomar-mitarbeiter-dr-gerd-krahmann 16.10.2024/Kiel. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel trauert um Dr. Gerd Krahmann, der plötzlich und unerwartet am 8. Oktober im Alter von 58 Jahren verstorben ist. Der promovierte Ozeanograph und Mitarbeiter im Forschungsbereich Ozeanzirkulation und Klimadynamik war seit 2005 am 91̽ tätig und ein gefragter Experte bei der Anwendung neuester Beobachtungstechniken sowie der Analyse und Bereitstellung von Forschungsdaten. Gerd Krahmann wuchs in der Nähe von Kiel, in Gettorf, auf und studierte von 1986 bis 1991 Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 1997 promovierte er unter der Betreuung von Prof. Dr. Friedrich Schott mit der Arbeit „Saisonale und zwischenjährliche Variabilität im westlichen Mittelmeer – Analyse historischer Daten“. In seiner Danksagung schrieb er: „Durch ihn (F. Schott) wurde der Satz ‚Gehen Sie in die Regionale Ozeanographie, und Sie lernen die Welt kennen!‘ zur Realität.“ Und tatsächlich forschte Gerd Krahmann auf allen Weltmeeren.

Seine wissenschaftliche Karriere begann mit Studien zu großräumigen Veränderungen im Mittelmeer, die auch einen Forschungsaufenthalt als Postdoc an der Universität Paris umfassten. Später beschäftigte er sich mit der Zirkulation im Nordatlantik und deren Zusammenhang mit der Klimavariabilität. 1998 ging er nach New York, wo er mit Prof. Dr. Martin Visbeck an der Columbia University forschte. 2005 kehrte er zum damaligen Leibniz-Institut für Meereskunde (heute 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) in die Forschungseinheit Physikalische Ozeanographie zurück.

Hier widmete sich Gerd Krahmann einem breiten Spektrum an Themen der physikalischen Ozeanographie. Dazu zählten unter anderem die seismische Ozeanographie, Sauerstoffminimumzonen im tropischen Atlantik und Pazifik sowie hochproduktive Auftriebsgebiete an den Osträndern dieser Meere. Sein besonderes Interesse galt der Anwendung neuester Beobachtungstechniken sowie der Analyse und Bereitstellung von Forschungsdaten. Gerd Krahmann war ein gefragter Experte für Strömungsmessungen, angefangen mit Pegasus und später mit dem LADCP, sowie für CTD-Messungen von Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Chlorophyll und Nährstoffen – einschließlich der notwendigen Kalibration dieser Daten.

Ein herausragendes Projekt war die Einführung von Gleitern, autonomen Unterwasserfahrzeugen. Er koordinierte zahlreiche Gleitermissionen im Atlantik, Pazifik und Mittelmeer. Besonders bemerkenswert war die Weltpremiere eines neuen Turbulenzmesssystems, bei dem eine Turbulenzsonde auf einem Gleiter installiert wurde, um kontinuierlich Vermischungsdaten zu sammeln. Viele seiner Projekte führte er vom Ocean Science Centre Mindelo auf den Kapverden aus, wo er eng mit kapverdischen Kollegen zusammenarbeitete.

Gerd Krahmanns tiefes technisches Verständnis umfasste nicht nur die Messtechnik selbst, sondern auch die Analyse und Kalibration der gewonnenen Daten. Mit seinem umfassenden Wissen über Metadaten und die Qualität wissenschaftlicher Datensätze sowie seine Kenntnisse in Datenbankstrukturen war er eine zentrale Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Datenzentren. Durch seine Arbeit ermöglichte er zahlreiche Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten und trug maßgeblich zur Veröffentlichung unserer Forschungsergebnisse in internationalen Zeitschriften bei.

Sein technisches Können stellte Gerd Krahmann auch im Freitagsforscherklub des 91̽ unter Beweis, wo er mit vollem Engagement Schüler aus der Region für die Meereswissenschaften begeistern konnte. Gemeinsam entwickelten sie unter anderem ein autonomes Unterwasserfahrzeug aus handelsüblichen Komponenten, das ähnlich wie die wissenschaftlichen Gleiter funktionierte.

Gerd Krahmann war ein unschätzbarer Ratgeber für fast alle Fragen der physikalischen Ozeanographie auf See. Bei der Suche nach Lösungen war es eine selbstverständliche Herangehensweise, ihn zu fragen. In den meisten Fällen konnte er direkt weiterhelfen oder nahm sich der Herausforderung an – nicht nur für unsere Forschungseinheit, sondern auch für andere Abteilungen des 91̽ sowie internationale Forschergruppen. Seine offene, freundliche und hilfsbereite Art, gepaart mit seiner zielorientierten und gut dokumentierten Arbeitsweise, machte die Zusammenarbeit mit ihm zu einer großen Freude, sei es im Institut, auf Forschungsfahrten oder bei Messkampagnen an Land.

Gerd Krahmanns plötzlicher und unerwarteter Tod ist ein großer Verlust. Das 91̽ trauert um einen geschätzten Kollegen und Freund und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefstes Mitgefühl gilt seiner Frau sowie seinen beiden Kindern.

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news-9612 Mon, 14 Oct 2024 11:00:00 +0200 Wie wirkt sich die Munitionsbergung auf die Meeresumwelt aus? /news/article/wie-wirkt-sich-die-munitionsbergung-auf-die-meeresumwelt-aus 14.10.2024/Kiel. Heute startet das Forschungsschiff ALKOR zu einer Expedition in die Lübecker Bucht: Untersucht werden soll vor Ort, wie sich die Munitionsbergung auf die Meeresumwelt auswirkt. Vor vier Wochen ist in den Gebieten Haffkrug und Pelzerhaken mit der Pilotbergung von Weltkriegsmunition begonnen worden. Die Arbeiten werden vom 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel wissenschaftlich begleitet. Seit Mitte September läuft die Pilotbergung von Munitionsaltlasten in der Lübecker Bucht. Drei professionelle Bergungsunternehmen holen im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstmals vorsorglich Weltkriegsmunition aus einem Versenkungsgebiet, um zu erkunden, welche Herausforderungen sich dabei zeigen und wie die Bergung am besten funktionieren kann. Damit betreten sie nicht nur in Deutschland, sondern weltweit Neuland. „Kein anderes Land hat bisher versucht, im großen Stil Altmunition aus dem Meer zu bergen“, sagt Professor Dr. Jens Greinert, Meeresgeologe und Experte für Munitionsaltlasten am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, „da sind wir die absoluten Vorreiter“.

Expedition AL622: Begleitendes Umweltmonitoring

Unbekannt ist daher auch, wie sich die Bergungsaktivitäten auf die Meeresumwelt auswirken. Im Rahmen der Ausfahrt AL622 „Postclear“ mit dem Forschungsschiff ALKOR werden Forschende dies untersuchen. Vom 14. bis 21. Oktober 2024 nehmen sie in der Lübecker Bucht Wasser- und Sedimentproben, beproben Fische und machen Aufnahmen mit dem Unterwasserroboter „Käpt'n Blaubär“. An Bord sind neben Leiter Professor Greinert der Geochemiker Dr. Aaron Beck und Mareike Keller von 91̽ sowie Meeresbiologe Dr. Andrey Vedenin vom Institut Senckenberg am Meer und Fischereiökologe Dr. Jörn Scharsack vom Thünen-Institut.

„Wir schauen uns verschiedene Parameter laufend an“, erklärt Fahrtleiter Greinert, „wenn wir nicht vor Ort sind, nehmen auch die Bergungsfirmen Proben, die wir dann auswerten.“ Die umfassenden Umweltanalysen sind unerlässlich, um die potenziell negativen Umweltauswirkungen der Bergung präzise zu dokumentieren und einschätzen zu können.

Das Problem: Altmunition am Meeresboden

Aus den Weltkriegen liegen geschätzte 1,6 Millionen Tonnen Altmunition vor den Küsten der deutschen Nord- und Ostsee. Jahrzehntelang wurde dieser Umweltgefahr wenig Beachtung geschenkt, doch die Zeit drängt: Die Metallhüllen der Munition rosten, und Sprengstoffe wie das krebserregende und erbgutschädigende Trinitrotoluol (TNT) liegen teilweise offen auf dem Meeresboden. Sprengstoffverbindungen und deren Umbauprodukte konnten bereits im Wasser, in Muscheln und Fischen nachgewiesen werden.

Um dem Problem zu begegnen, hat das Bundesumweltministerium (BMUV) im vergangenen Jahr ein Sofortprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro gestartet. Aus diesem Programm wird die Pilotbergung in der Lübecker Bucht finanziert, bei der seit dem 13. September an mehreren Lokationen ganz unterschiedliche Munitionstypen geborgen wurden.

Lübecker Bucht als Pilotbergungsgebiet

Die Lübecker Bucht wurde nach einer umfassenden Risiko-Nutzen-Analyse als Pilotbergungsgebiet ausgewählt. Die Bergung ist hier besonders anspruchsvoll: Verschiedene Munitionstypen – von Patronen und Kisten bis hin zu 500-Kilo-Bomben – liegen in komplexen Schichtungen auf dem Meeresboden. Dadurch können hier wertvolle Informationen über die technischen Anforderungen und die potenziellen Gefahren gewonnen werden, die für zukünftige Bergungsprojekte entscheidend sind. „Die Erkenntnisse aus dieser Pilotbergung werden uns helfen, eine umweltgerechte, sichere und effiziente Prozesskette zur Bergung und späteren Entsorgung von Munitionsaltlasten zu entwickeln“, sagt Greinert.

 

Die Expedition auf einen Blick:

Name: ALKOR-Expedition AL266 „Postclear“

Dauer: 14. bis 22. Oktober 2024

Fahrtleitung: Professor Dr. Jens Greinert

Untersuchungsgebiet: Ostsee (Lübecker Bucht)

 

Hintergrund:

Zentrum für den Umgang mit Munition in der marinen Umwelt

Das 91̽ ist wissenschaftlicher Partner in dem neu gegründeten Zentrum für den Umgang mit Munition in der marinen Umwelt in Schleswig-Holstein, kurz MUNIMAR. Ziel des neuen Kompetenzzentrums ist es, Schleswig-Holsteins Aktivitäten zur Munitionsbergung zu bündeln und den Austausch zwischen den beteiligten Institutionen, auch über die Landesgrenzen hinaus, zu optimieren. Dabei berät das 91̽ mit seiner wissenschaftlichen Expertise Projektträger und Forschungseinrichtungen, pflegt das wissenschaftliche Netzwerk und benennt Forschungslücken.

Forschung zu Altmunition am 91̽

Seit 2016 erforscht das 91̽ Munitionsaltlasten auf dem Meeresboden der deutschen Nord- und Ostsee. Besonders die vier bekannten Munitionsversenkungsgebiete in der schleswig-holsteinischen Ostsee – zwei Gebiete in der die Lübecker Bucht, die Kolberger Heide bei Kiel und ein Gebiet bei Falshöft – stehen dabei im Fokus. Neben vielen anderen Projekten, die sich mit dem Thema befassen, leitet Professor Dr. Jens Greinert das Forschungsprojekt CONMAR, das im Rahmen der Mission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ der Deutschen Allianz für Meeresforschung (DAM) durchgeführt wird. Ziel ist es, innovative Konzepte für eine großflächige und umweltgerechte Munitionsbergung zu entwickeln. Das Projekt wird mit 4,8 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

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