91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Die aktuellen Klima-Nachrichten de 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Tue, 04 Feb 2025 18:04:37 +0100 Tue, 04 Feb 2025 18:04:37 +0100 News TYPO3 EXT:news news-9732 Fri, 24 Jan 2025 11:45:00 +0100 Natürlicher Klimaschutz unter Wasser /news/article/natuerlicher-klimaschutz-unter-wasser 24.01.2025/Kiel. Wie kann Seegras dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen? Diese Frage steht im Mittelpunkt des neuen Forschungsprojekts ZOBLUC („Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“), das jetzt unter der Leitung des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet. Ziel ist es, die Rolle von Seegraswiesen als Kohlenstoffspeicher genauer zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für deren Schutz zu entwickeln. Das Projekt wird im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesumweltministeriums sowie durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein mit rund 6 Millionen Euro gefördert und läuft bis September 2030. Seegraswiesen fördern Artenvielfalt, tragen durch Wellenberuhigung zum Küstenschutz bei und verbessern die Wasserqualität. Sie sind darüber hinaus auch sehr effektive Speicher für Kohlendioxid (CO2), denn die Unterwasserpflanzen binden Kohlenstoff sowohl in ihren Blättern und Wurzeln als auch im Sediment.

Am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet jetzt ein neues Projekt, bei dem in Zusammenarbeit mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Landesamt für Umwelt Schleswig-Holstein (LfU) die Rolle von Seegraswiesen als natürliche Kohlenstoffsenken untersucht und Strategien für ihren Schutz und ihre Renaturierung entwickelt werden sollen.

Der Projektname ZOBLUC steht für „Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“ – Zostera marina ist der wissenschaftliche Name des in der Ostsee heimischen Großen Seegrases. Gefördert wird das Projekt vom Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesumweltministeriums sowie durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein mit insgesamt rund sechs Millionen Euro.

Drei Schwerpunkte für den Schutz von Seegraswiesen

„Seegraswiesen sind wie unterseeische Moore“, erklärt der wissenschaftliche Projektleiter Prof. Dr. Thorsten Reusch, Professor für Marine Ökologie am 91̽, „sie speichern Kohlenstoff, der über Jahrhunderte im sauerstoffarmen Sediment konserviert wird.“ Im Rahmen des Projekts soll nun gezielt untersucht werden, unter welchen Bedingungen Seegraswiesen besonders viel CO2 speichern. Reusch: „Wo zum Beispiel starke Erosion durch Wellengang herrscht, wird weniger Kohlenstoff eingelagert als in ruhigen Buchten, in denen Partikel schneller absinken und Sedimentschichten bilden.“ Die Forschung wird die Kohlenstoffspeicherung von Seegraswiesen nicht nur bilanzieren, sondern auch modellieren, wie sich diese unter veränderten Umweltbedingungen entwickeln könnte.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt am 91̽ ist die Renaturierung von Seegraswiesen. Dabei ist es entscheidend, die Renaturierung resilient und damit zukunftsfähig zu machen. Reusch: „Es nützt wenig, wenn wir jetzt Seegraswiesen wiederanpflanzen, die dann in wenigen Jahren wieder absterben, weil sie mit den steigenden Wassertemperaturen nicht zurechtkommen.“ Dazu wird das Seegras experimentell verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt, um robuste, klimaresistente Bestände zu züchten, die so genannte Assisted Evolution.

Unterwasser-Gärtnern zum Mitmachen

Der dritte Schwerpunkt liegt auf der Einbindung von Bürger:innen in die Renaturierung. Nachdem das 91̽ in den vergangenen Jahren Pflanzschulungen entwickelt und angeboten hat, um in kleinerem Maßstab versuchsweise Seegraswiesen wiederanzupflanzen, wird jetzt im Zuge des neuen Projekts noch stärker auf die Mithilfe Freiwilliger gesetzt. Thorsten Reusch: „Die Pilotphase ist erfolgreich abgeschlossen, jetzt gehen wir in die Fläche.“

Die Unterstützung durch Freiwillige wird dringend benötigt, denn bei der Wiederanpflanzung verlorengegangener Seegraswiesen gibt es bislang noch kein effektiveres Vorgehen, als das manuelle Einpflanzen der einzelnen Halme durch Taucher:innen – die sogenannte Einzelspross-Transplantation. Thorsten Reusch betont: „Dabei ist es ganz wichtig, dass alle, die mithelfen wollen, vorher den Schulungskurs durchlaufen und nur in den von uns empfohlenen Flächen gearbeitet wird.“

In diesem Jahr werden fünf Vereine und Nichtregierungsorganisationen mit Hilfe von freiwilligen Taucher:innen das Anpflanzen auf den wissenschaftlich ausgewählten Flächen übernehmen. Zu diesen zählen unter anderem Standorte bei Gelting, Holnis-Ost und Wulfen. Die dabei gesammelten Beobachtungsdaten werden am 91̽ ausgewertet, um daraus für die Zukunft zu lernen.

Andere Renaturierungstechniken, zum Beispiel durch Aussaat, werden derzeit parallel im  Projekt SeaStore II entwickelt, werden aber noch einige Jahre bis zur großflächigen Anwendung benötigen.

Kartierung per Fächerecholot und Drohnen

Zunächst aber wird der aktuelle Bestand von Seegraswiesen in der Ostsee umfassend kartiert. Dazu nutzen Professorin Natascha Oppelt und Dr. Jens Schneider von Deimling von der CAU mit ihren Teams Methoden der Fernerkundung, bei denen modernste optische und akustische Messmethoden kombiniert werden. Auch die Überwachung der wiederangepflanzten Flächen mittels Drohnen wird die CAU übernehmen.

Die Ergebnisse aller Untersuchungen in ZOBLUC sollen in Form von Workshops und Handlungsempfehlungen an die Politik weitergegeben werden, um den Schutz und die Wiederherstellung von Seegraswiesen in der Ostsee voranzutreiben.

 

Hintergrund: Blue Carbon

Blue Carbon (Blauer Kohlenstoff) wird das Kohlendioxid genannt, das von Ozean- und Küstenökosystemen wie Mangrovenwäldern, Salzwiesen oder Seegraswiesen gespeichert wird. Seegraswiesen binden Kohlenstoff in abgestorbener Biomasse und organischen Sedimentpartikeln, die im sauerstoffarmen Meeresboden über Jahrhunderte erhalten bleiben – ähnlich wie in Mooren an Land. 

Hintergrund: Assisted Evolution

Assisted Evolution ist eine Technik, die darauf abzielt, die evolutionären Anpassungsprozesse von Organismen zu beschleunigen, um sie widerstandsfähiger gegen Umweltveränderungen zu machen. Seegraspflanzen werden in den Klimakammern des 91̽ experimentellen Hitzewellen ausgesetzt. Dabei wird nicht nur untersucht, welche lokalen Bestände möglicherweise bereits hitzetoleranter sind, sondern mit einem breiten Spektrum an Methoden, von den physiologischen Reaktionen innerhalb der Zellen (Metabolomik) über die genetischen Informationen (Genexpressionsanalyse) bis hin zu Veränderungen der Besiedlung mit Mikroorganismen (Mikrobiom) wird erforscht, welche Mechanismen Pflanzen resilienter machen.

]]>
Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider ǰܲԲöܲԲ FB3News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Seegras Ozean und Klima Ostsee Klima Marine Ökosysteme
news-9694 Fri, 06 Dec 2024 20:00:00 +0100 Wie reagieren marine Nahrungsnetze auf Alkalinitätserhöhungen? /news/article/zooplankton-toleriert-alkalinitaetserhoehung 06.12.2024/Kiel. Um den Klimawandel einzudämmen, müssen die vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen so schnell und umfassend wie möglich reduziert werden. Zusätzlich muss ein Teil des von uns bereits ausgestoßenen CO2 sicher aus der Atmosphäre entfernt werden. Ein Lösungsansatz dafür ist, die natürliche CO2-Aufnahme des Ozeans durch Alkalinitätserhöhung zu beschleunigen. Dabei wird der Prozess der Gesteinsverwitterung nachgeahmt, indem gemahlenes oder gelöstes Gestein direkt dem Meerwasser zugegeben wird. Bislang ist noch wenig über die Auswirkungen bekannt, die diese Methode auf das Leben im Meer hat. Jetzt konnte eine Studie des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen, dass die Auswirkungen auf Zooplankton unter bestimmten Voraussetzungen gering wären und das Nahrungsnetz stabil bliebe. Die Ergebnisse erscheinen heute in dem Fachjournal Science Advances. Der Ozean nimmt bereits heute ein Viertel bis ein Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf, doch dieser Prozess führt auch zur Versauerung des Wassers. Durch den gezielten Eintrag von bestimmten Mineralien kann die Alkalinität des Meerwassers erhöht werden. Das bedeutet, dass das Wasser dann mehr CO2 chemisch binden kann, ohne weiter zu versauern. Welche Auswirkungen eine Alkalinitätserhöhung (Ocean Alkalinity Enhancement, OAE) auf die Umwelt hätte, ist noch wenig erforscht. Wissenschaftler:innen aus der Gruppe von Professor Dr. Ulf Riebesell am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben nun im Rahmen des europäischen Projekts OceanNETs in einem Experiment auf Gran Canaria erstmals die Reaktion von Zooplankton und mögliche Auswirkungen auf das Nahrungsnetz untersucht. Ihre Ergebnisse erscheinen heute in der Fachzeitschrift Science Advances.

Experiment im Riesen-Reagenzglas

Die Studie hat einen Ansatz gewählt, der die Meereschemie nur geringfügig stört: die CO₂-equilibrierte Alkalinitätserhöhung – eine Form von OAE, bei der der zu bindende Kohlenstoff bereits vom alkalisierten Wasser absorbiert wurde, bevor er in die Meeresumwelt freigesetzt wird. Für ihr Experiment setzten die Wissenschaftler:innen sogenannte KOSMOS-Mesokosmen ein (Kiel Off-Shore Mesocosms for Ocean Simulations) – große Behälter, die direkt ins Meerwasser gelassen werden und dort jeweils acht Kubikmeter Wassersäule isolieren. In diese wurden verschiedene Konzentrationen von Natriumkarbonat und -hydrogenkarbonat (auch als Soda, bzw. Backpulver bekannt) eingebracht – von keiner Alkalinitätssteigerung bis hin zur Verdopplung der natürlichen Alkalinität. Über einen Zeitraum von 33 Tagen wurde untersucht, wie sich die Alkalinisierung auf das Zooplankton auswirkt, das eine zentrale Rolle im marinen Nahrungsnetz spielt. Dafür analysierten die Forschenden eine Vielzahl von Parametern wie Biomasse, Produktion, Diversität und Fettsäuren des Zooplanktons.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Planktongemeinschaften stabil blieben und das Zooplankton die moderaten chemischen Veränderungen durch die CO2-equilibrierte OAE weitgehend tolerierte. Zwar verschlechterte sich während des Experiments die Nahrungsqualität der Schwebstoffe, von denen sich das Zooplankton ernährt, doch dies schien die Konsumenten nicht zu beeinträchtigen. Die Forschenden vermuten, dass die nährstoffarmen Bedingungen im Untersuchungsgebiet – ein charakteristisches Merkmal subtropischer Gewässer – mögliche indirekte Auswirkungen der OAE auf das Zooplankton abgemildert haben könnten.

Potenzial im Klimaschutz und weiterer Forschungsbedarf

Die Alkalinitätserhöhung könnte eine bedeutende Rolle bei der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Wenn der Ozean mehr CO2 aufnehmen kann, ohne saurer zu werden, könnte er ein noch stärkerer Puffer gegen die globale Erwärmung werden und den Weg in eine Zukunft ebnen, in der kohlenstoffintensive Industrien durch erneuerbare Energien ersetzt, die Emissionen von Industrien, die nicht dekarbonisiert werden können, neutralisiert und historische Kohlenstoffemissionen sicher entfernt und gelagert werden. Es besteht jedoch noch dringender Forschungsbedarf, um die Auswirkungen auf das gesamte marine Ökosystem zu klären.

„Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass die CO2-equilibrierte Alkalinitätserhöhung das Zooplankton in dem untersuchten nährstoffarmen subtropischen Gebiet nur geringfügig beeinflusst und das Nahrungsnetz insgesamt stabil bleibt“, erklärt Erstautor Nicolás Sánchez, Doktorand am 91̽, „das sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie andere marine Umgebungen darauf reagieren oder wie sicher andere, technisch besser umsetzbare OAE-Ansätze sind, die größere chemische Veränderungen im Meerwasser verursachen.“

Die Wissenschaftler:innen empfehlen daher, die Methode in verschiedenen Ökosystemen weiter zu erforschen, da es keinen universellen OAE-Ansatz geben wird, der überall anwendbar ist. Die Methode müsse an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Sánchez: „Unsere Studie ist ein vielversprechender erster Schritt zur Definition eines verantwortungsvollen Rahmens für die Anwendung der Alkalinitätserhöhung.“

 

Originalpublikaton:

Sánchez, N., Goldenberg, S., Brüggemann, D., Taucher, J., & Riebesell, U. (2024). Plankton food web structure and productivity under Ocean Alkalinity Enhancement. Science Advances. 

öܲԲ:

Das Projekt OceanNETs (Ocean-based Negative Emission Technologies; Ozeanbasierte Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid) läuft von 2020 bis 2025 und wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union gefördert. Die Studie wurde co-finanziert von dem Helmholtz European Partnering Projekt Ocean-CDR.

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Mesokosmen Ozeanversauerung Ozean und Klima Lebensraum Ozean Klima Marine Ökosysteme
news-9669 Wed, 13 Nov 2024 18:30:00 +0100 Von winzigen Organismen und ihrer Riesenleistung im Ozean /news/article/von-winzigen-organismen-und-ihrer-riesenleistung-im-ozean 13.11.2024/Kiel. Professorin Dr. Susanne Neuer, renommierte Meeresbiogeochemikerin und Professorin an der Arizona State University, wurde heute mit der 31. Exzellenzprofessur der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung geehrt. Die feierliche Verleihung fand am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel statt. In ihrem Fachvortrag beleuchtete Susanne Neuer, wie Phytoplankton und Bakterien durch die biologische Kohlenstoffpumpe zum globalen Kohlenstoffkreislauf beitragen. Diese Prozesse spielen eine Schlüsselrolle im Klimaschutz und stehen im Fokus der aktuellen Forschung der Professorin. Der Ozean nimmt etwa ein Viertel der jährlichen Kohlendioxidemissionen auf. Einer der Mechanismen, der dies bewirkt, wird als biologische Kohlenstoffpumpe bezeichnet. Dieser Mechanismus beginnt mit der Photosynthese winziger mikroskopischer Algen, dem Phytoplankton, die schwebend in der sonnenbeschienenen Schicht des Ozeans leben.

Professorin Dr. Susanne Neuer erforscht gemeinsam mit ihrem Team die biologische Kohlenstoffpumpe, vor allem die Rolle von Planktonorganismen in der Bildung von sinkenden Partikeln, im Labor wie auch im Meer. Sie ist seit 2004 Professorin der Meeresbiogeochemie an der Arizona State University in Tempe, USA. Seit 2022 leitet sie dort als Gründungsdirektorin die neue School of Ocean Futures. Für ihre Arbeit wird sie heute mit der 31. Exzellenzprofessur der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung ausgezeichnet. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung ist mit einem sechswöchigen Forschungsaufenthalt am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel verbunden.

Dr. h. c. Klaus Wichmann, Vorsitzender der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung, sagte: „Im Namen der Stiftung freue ich mich sehr, heute eine weitere herausragende Wissenschaftlerin mit einer Exzellenzprofessur auszeichnen zu dürfen. Die Exzellenz-Initiative ist seit ihrer Gründung 2009 ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Mission, wissenschaftliche Exzellenz in Schleswig-Holstein zu fördern und den Austausch auf internationaler Ebene zu intensivieren. Es ist uns eine Ehre, dies auch weiterhin zu unterstützen, und ich wünschte mir, dass diese Initiative auch für andere beispielgebend wirkt.“

Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des 91̽, gratulierte der Preisträgerin: „Ich freue mich sehr darüber, dass wir heute Susanne Neuer mit dieser verdienten Auszeichnung ehren. Mit ihrer herausragenden Forschung zur biologischen Kohlenstoffpumpe leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Prozesse, die unser Klima beeinflussen. Professorin Neuer hat nicht nur als Wissenschaftlerin, sondern auch als Mentorin große Erfolge erzielt. Sie setzt sich mit Nachdruck für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft ein und hat in führenden Rollen bei der Association for Women in Science und an der Arizona State University, viel bewegt. Ihre Expertise und ihre außergewöhnlichen Leistungen haben sie zu einer führenden Stimme auf internationaler Ebene gemacht. Wir sind stolz, sie heute hier am 91̽ begrüßen zu dürfen und freuen uns auf die inspirierenden Impulse, die sie hier während ihres Gastaufenthaltes setzen wird.“

In ihrer Laudatio ging Professorin Dr. Anja Engel, Leiterin des Forschungsbereichs Marine Biogeochemie am 91̽, auf die Bedeutung der Forschung der Preisträgerin ein: „Professorin Neuer nimmt eine führende und international sichtbare Rolle in den Bereichen der marinen Biogeochemie, des Kohlenstoffkreislaufs und des Partikelexports ein. Ihre vielfach ausgezeichneten Arbeiten haben erheblich zum aktuellen Verständnis der biologischen Kohlenstoffpumpe im Ozean beigetragen. Ihre Analysen ozeanischer Zeitserien legten das Fundament für vergleichende Studien zur Effizienz dieses zentralen Mechanismus im Kohlenstoffkreislauf.“

Einblicke in die Arbeit der biologischen Kohlenstoffpumpe des Ozeans

In ihrem Fachvortrag schilderte Susanne Neuer, welch herausragende Bedeutung die biologische Kohlenstoffpumpe für das Klima unseres Planeten hat. Ein faszinierender Aspekt dieses Mechanismus ist die Bildung von so genanntem Meeresschnee. Dabei handelt es sich um klebrige Aggregate aus Phytoplankton, Bakterien und anderen organischen Stoffen, die von größeren Partikeln wie Staubkörnern zusammengehalten werden. Diese können groß genug werden, um mit bloßem Auge sichtbar zu sein, und bilden die Grundlage für den Transport von Kohlenstoff in die Tiefsee. Planktonische Tiere wie Krill und Ruderfußkrebse tragen zusätzlich zum Kohlenstoffexport bei, indem sie Phytoplanktonpartikel in der Dämmerungszone absondern, wo das Licht kaum mehr ausreicht und die Meereswelt in Dunkelheit gehüllt ist.

„Die Prozesse, die Phytoplankton und Bakterien in der oberen Wasserschicht initiieren, sind ein wesentlicher Baustein für die langfristige CO2-Speicherung und somit bedeutend im Kontext des Klimawandels“, betont Prof. Neuer. „Der Ozean verbirgt in seinen tiefen Wasserschichten ein faszinierendes Zusammenspiel von winzigen Zellen, das nicht nur Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt, sondern auch das Leben im gesamten Ozean ermöglicht“, sagte Prof. Dr. Neuer. „Wenn Sie das nächste Mal auf den Ozean schauen, denken Sie an all das mikroskopische Leben im Wasser und alles, was es für das Wohl unseres Planeten tut.“

Zurück zu den Wurzeln: Wiedersehen mit Kiel und Chance für neue Kooperationen

Kiel ist für Susanne Neuer kein Neuland: Vor rund 40 Jahren hat sie hier ihre Ausbildung zur Meereswissenschaftlerin am damaligen Institut für Meereskunde (IfM) begonnen, bevor sie zum weiteren Studium in die USA ging. Es ist aber auch nicht das erste Mal, dass sie nach Kiel zurückkehrt, um über ihre Forschung zu sprechen. Auf Einladung des Women Executive Boards am 91̽ hat sie bereits 2016 im Rahmen der Marie Tharp Lectures einen Vortrag gehalten und mit Nachwuchswissenschaftlerinnen über Karrierefragen diskutiert.

„Die Verleihung der Exzellenzprofessur ehrt mich sehr“, sagt sie, „diese wird mir erlauben, meine Zusammenarbeit mit dem 91̽ und besonders mit Prof. Dr. Anja Engel, auszubauen, und Synergien in unserer Forschung zur Biologie im globalen Kohlenstoffkreislauf zu entwickeln.“ Besonders freue sie sich auf den Austausch mit Nachwuchswissenschaftler:innen am 91̽. Susanne Neuer: „Es ist wichtig, dass die nächste Generation besondere Unterstützung in ihrem Karriereverlauf erhält, damit sie nicht nur erfolgreich sein kann, sondern auch nachhaltig zu Lösungen der Umweltprobleme beiträgt.“

 

Hintergrund: Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung

Die Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung mit Sitz in Schleswig-Holstein hat sich die Förderung von Wissenschaft, Forschung, Technik und Kultur zum Ziel gesetzt. Ein zentrales Fördergebiet ist die Exzellenz-Initiative, die in enger Kooperation mit dem 91̽ herausragende Wissenschaftler:innen mit internationaler Reputation würdigt. Im Rahmen der Exzellenz-Initiative können hochkarätige Meereswissenschaftler:innen aus aller Welt für Gastaufenthalte von sechs Wochen nach Kiel eingeladen werden.

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Tiefsee Klima Marine Ökosysteme Preise
news-9671 Wed, 13 Nov 2024 10:00:00 +0100 Wendepunkt bei den fossilen CO2-Emissionen noch nicht erreicht /news/article/wendepunkt-bei-den-fossilen-co2-emissionen-noch-nicht-erreicht 13.11.2024/Kiel/Baku. Trotz Fortschritten bei der Nutzung erneuerbarer Energien steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an. Für das Jahr 2024 rechnet das internationale Global Carbon Project mit einem Anstieg der Emissionen um 0,8 Prozent auf insgesamt 37,4 Milliarden Tonnen CO2. Getrieben wird diese Zunahme vor allem durch den steigenden Verbrauch von Erdgas und Öl. Der aktuelle Bericht des GCP, der heute auf der internationalen Klimakonferenz in Baku vorgestellt wird, unterstreicht die Dringlichkeit schneller und umfassender Emissionsreduktionen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Für den Bericht haben Wissenschaftseinrichtungen aus aller Welt zusammengearbeitet, darunter auch das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das seit Jahren Daten zur CO2-Aufnahme des Ozeans beisteuert. Die Koordination der Beiträge zu marinen Kohlenstoffsenken lag beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung. Der Wendepunkt beim weltweiten CO2-Ausstoß ist noch immer nicht erreicht. Das geht aus dem Global Carbon Budget-Bericht 2024 hervor, der heute auf der internationalen Klimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, vorgestellt wird. Laut Prognosen des Global Carbon Project (GCP), das den Bericht jährlich veröffentlicht, werden die Emissionen im Jahr 2024 voraussichtlich rund 37,4 Milliarden Tonnen CO2 erreichen – ein Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2004 bis 2013 lag die Steigerung bei durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr. Das deutet zwar auf Fortschritte auf dem Weg zu den Pariser Klimazielen hin, reicht aber bei weitem nicht aus, um die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten und die weltweiten Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu bringen. Dazu müssten die Gesamtemissionen um durchschnittlich 1,6 Gigatonnen pro Jahr sinken.

Der Bericht, der heute in der Fachzeitschrift Earth System Science Data veröffentlicht wird, untersucht Emissionen aus fossilen Brennstoffen, Landnutzungsänderungen wie Abholzung von Wäldern und die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean und Land. Er schätzt ab, wie viel Kohlenstoff von  Pflanzen, Böden und Meeren aufgenommen oder freigesetzt wird. Die zukünftige Entwicklung der Kohlenstoffflüsse wird projiziert und das verbleibende CO2-Budget berechnet, das für das Erreichen der globalen Klimaziele entscheidend ist.

Die marine CO2-Senke bleibt stabil – aber die Herausforderungen wachsen

Der Bericht zeigt, dass der Ozean nach wie vor etwa 26 Prozent der globalen CO2-Emissionen aufnimmt – eine wichtige Funktion, die jedoch durch den Klimawandel zunehmend gefährdet ist. Ein Grund dafür: Steigende Wassertemperaturen verringern die Löslichkeit von CO2 und damit die Aufnahmefähigkeit der Ozeane. „Der Klimawandel hat die CO2-Aufnahmefähigkeit der Ozeane in den letzten zehn Jahren um etwa sechs Prozent verringert“, erklärt Professorin Dr. Judith Hauck, Umweltforscherin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Der El-Niño-Zyklus führte 2023 zu einer vorübergehenden Erholung der Ozeansenke, da weniger kohlenstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gelangte, doch die fortschreitende Erwärmung könnte den Ozean langfristig als Kohlenstoffspeicher schwächen.

CO2-Messungen im Nordatlantik – ein Langzeitprojekt des 91̽

Die Ozeansenke – also wie viel CO2 der Ozean aus der Atmosphäre aufnimmt und speichert – wird aus Messungen des CO2-Gehalts im Oberflächenozean und Simulationen mit globalen Ozeanmodellen abgeschätzt. Wissenschaftler:innen des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung tragen mit ihren Messungen zu diesen Daten bei. Im Mittelpunkt steht dabei eine Langzeitmessung im Nordatlantik, die bereits seit mehr als 20 Jahren von der CO2-Gruppe am 91̽ existiert: In Zusammenarbeit mit der Reederei Atlantic Container Lines (ACL) hat das 91̽ auf dem Containerschiff MS ATLANTIC SAIL Messgeräte installiert, die im Liniendienst zwischen Nordamerika und Europa kontinuierlich Daten zu Temperatur, Salzgehalt, gelöstem Sauerstoff und CO2 im Oberflächenwasser sammeln. Die Messungen sind Teil der europäischen Forschungsinfrastruktur Integrated Carbon Observation System (ICOS), die jährlich Daten für das Global Carbon Budget liefert.

Die Messanlagen an Bord werden von Dr. Tobias Steinhoff, Chemischer Ozeanograph und Mitautor des Global Carbon Budget Reports, betreut. „Im vergangenen Jahr mussten wir die Messgeräte von Bord nehmen, weil sie nach zehn Jahren kontinuierlichem Einsatz überholt und auf den neusten technischen Stand gebracht werden mussten“, sagt Dr. Steinhoff, „dadurch waren in diesem Jahr leider weniger Daten verfügbar.“

Datenplattform SOCAT: Schlüssel für Kohlenstoffforschung und Klimapolitik

Neben den eigenen Messungen ist Dr. Tobias Steinhoff aktiv an der Plattform Surface Ocean CO2 Atlas (SOCAT) beteiligt, einer internationalen Initiative zur Sammlung und Qualitätskontrolle von CO2-Oberflächenmessdaten. Die SOCAT-Daten liefern eine Vorababschätzung der Kohlenstoffaufnahme der Ozeane und fließen ebenfalls in das Global Carbon Budget ein. Dr. Steinhoff: „Unsere Arbeit in SOCAT stärkt das globale Verständnis der CO2-Dynamik im Ozean und verdeutlicht seine Rolle als CO2-𾱳.“

 

Hintergrund: Über das Global Carbon Project

Das Global Carbon Project (GCP) ist ein Projekt der internationalen Forschungsinitiative Future Earth. Es hat zum Ziel, ein umfassendes Bild des globalen Kohlenstoffkreislaufs, seiner biophysikalischen und menschlichen Dimensionen sowie deren Wechselwirkungen zu entwickeln. Klimaforscher:innen aus aller Welt arbeiten an dem jährlichen Bericht zum globalen Kohlenstoffbudget. Das Global Carbon Budget 2024 ist die 19. Auflage. Die erste erschien im Jahr 2006. Veröffentlicht wird der Bericht jeweils in der Fachzeitschrift Earth System Science Data.

Viele Forschende aus dem deutschsprachigen Raum waren am Global Carbon Budget 2024 beteiligt. Sie kommen vom Alfred-Wegener-Institut (Bremerhaven), der ETH Zürich, dem 91̽ (Kiel), dem Helmholtz Zentrum Hereon (Geesthacht), dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), dem Karlsruher Institut für Technologie, dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung (Warnemünde), der Ludwig-Maximilians-Universität (München), dem Max-Planck-Institut für Meteorologie (Hamburg), dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie (Jena), dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und von den Universitäten Bremen, Bern und Hamburg.

Originalpublikation

Friedlingstein et al. (2024) Global Carbon Budget 2024. Earth System Science Data.

]]>
Aktuelles2024 Transfer Presse2024 Top_Slider FB2News Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Klima
news-9667 Mon, 11 Nov 2024 13:01:48 +0100 Lücken in der Ozeanbeobachtung schließen /news/article/luecken-in-der-ozeanbeobachtung-schliessen 11.11.2024/Kiel/Baku. Die europäischen Meeresforscher:innen plädieren dringend für eine Verbesserung und Vereinheitlichung der Ozeanüberwachung. Ein Appell, der sich auch an die internationale Gemeinschaft richtet, die sich von heute an in Baku zur Weltklimakonferenz COP29 trifft. Um den Ozean als wichtigen Partner im Kampf gegen den Klimawandel zu erhalten, sei es dringend notwendig, seinen Zustand umfassend zu überwachen. Darauf weisen die Forschenden in zwei kürzlich veröffentlichten Berichten hin, in denen die zentralen Lücken und Herausforderungen in Europa beschrieben, aber auch Lösungen aufgezeigt werden, wie Überwachung und Schutz europäischer Gewässer verbessert werden können. Die Positionspapiere sind aus dem EU-Projekt EuroSea hervorgegangen, das am 91̽-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wurde. Ein gesunder Ozean bildet die Grundlage für vieles, was unser Leben prägt. Er versorgt uns mit Sauerstoff und Nahrung und bietet Lebensraum für unzählige Arten – vor allem aber wirkt er wie ein Puffer gegen den Klimawandel, indem er große Mengen CO2 und überschüssige Wärme absorbiert. Doch dem Ozean geht es schlecht. Verschmutzung, Versauerung, Überfischung und die zunehmende Erwärmung setzen ihm zu und beeinträchtigen seine Fähigkeit, das Klima zu stabilisieren. Um den Ozean als Klimapartner zu erhalten, ist es daher wichtig, seinen Zustand möglichst umfassend und gut koordiniert zu überwachen.

Lücken in der Ozeanbeobachtung: Technologische und finanzielle Defizite

Die Mitglieder des EU-Projekts EuroSea haben die Ozeanbeobachtung in Europa unter die Lupe genommen. In ihren beiden kürzlich erschienenen Berichten „Urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade“ und „Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system“ werden die gravierendsten Lücken in der Überwachung von mariner Biodiversität, invasiven Arten und Ozeanphänomenen wie der Erwärmung und dem Anstieg des Meeresspiegels identifiziert. Viele dieser Lücken entstehen demnach durch technologische Defizite oder durch unzureichende Finanzierung.

„Wir brauchen dringend eine nachhaltigere und effektivere Ozeanbeobachtung, um Veränderungen im Zustand der Ozeane zu verfolgen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern“, sagt Dr. Toste Tanhua, Chemischer Ozeanograph am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Leiter des nun abgeschlossenen Projekts EuroSea, aus dem die beiden Berichte hervorgegangen sind. Er nimmt selbst an der heute beginnenden UN-Weltklimakonferenz COP29 in Baku teil und wird dort dem Thema Ozeanbeobachtung auf internationaler Ebene seine Stimme leihen. Im Ocean Pavilion, an dem sich das 91̽ in diesem Jahr als Partner beteiligt, diskutiert er auf einem Panel über die Beteiligung von nicht-wissenschaftlichen Akteur:innen, wie etwa Segler:innen, an der Ozeanbeobachtung.

In ihren Positionspapieren unterstreichen die Wissenschaftler:innen die Notwendigkeit, die Datensammlung zu verbessern, innovative Technologien wie Umwelt-DNA und mehr autonome Geräte einzusetzen sowie die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Besonders hervorgehoben wird die Förderung der langfristigen Finanzierung und die Schaffung zentraler Koordinationsstellen, um die Effektivität der Meeresbeobachtung langfristig zu sichern.

„Die Empfehlungen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, richten sich sowohl an die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch an politische Entscheidungsträger und die Industrie“, sagt Dr. Tanhua. „Die Herausforderungen sind groß, aber die Lösungen, die wir vorschlagen, bieten klare Handlungsansätze. Wir müssen möglichst umfassende Informationen generieren, um marine Ökosysteme besser zu verstehen und besser schützen zu können. Das ist ein ganz wichtiger Baustein in den Bemühungen, die Klimakrise abzumildern. Zwar reduziert die Beobachtung allein nicht die Auswirkungen des Klimawandels, doch sie ermöglicht uns, zu verstehen und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Denn: Man kann nur managen, was man auch messen kann.“

Empfohlene Maßnahmen zur Verbesserung der Ozeanbeobachtung

Beispielswiese wird empfohlen, umfassende Programme zur Überwachung der marinen Biodiversität zu entwickeln. Insbesondere der Einsatz innovativer Technologien wie Umwelt-DNA (eDNA) könnte dazu beitragen, invasive Arten frühzeitig zu identifizieren und die Datensammlung zu verbessern.

Der Einsatz autonomer Geräte (z.B. Argo-Floats und Sensoren) sollte erhöht werden, um die Daten von Satelliten zu validieren und die Beobachtung des tiefen Ozeans zu verbessern. Dies ist besonders wichtig für schwer zugängliche extrem kalte Regionen.

Weiterhin sollten einheitliche Verfahren zur Überwachung von Eutrophierungsindikatoren wie Nährstoffkonzentrationen und Sauerstoffgehalt entwickelt werden, um die negativen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Meeresumwelt besser zu überwachen und zu reduzieren.

Gerade in Gebieten mit hohem Nährstoffeintrag sollte der Einsatz von autonomen Sensoren gefördert werden. Diese Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung von Algenblüten und der Versauerung der Ozeane.

Empfehlungen für die Koordination und das Management der Ozeanbeobachtung

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und Akteuren wird empfohlen, um die Überwachungsstrategien zu harmonisieren und den Austausch von Daten zu erleichtern. Für die Koordination braucht es eine verantwortliche Stelle, die für das Management und die strategische Planung der Ozeanbeobachtungsaktivitäten verantwortlich ist. Diese Struktur würde die Effizienz fördern und länder- und disziplinenübergreifende Kooperationen erleichtern.

Um sicherzustellen, dass die Ozeanbeobachtungssysteme nachhaltig arbeiten und kontinuierlich aktualisiert werden können, sollte vor allem eine Finanzierungsstrategie für langfristige Beobachtungsprogramme entwickelt werden. „Unsere Forschungs­förderungs­strukturen unterstützen – völlig zu Recht – die Generierung von Wissen, nicht aber das Monitoring“, erklärt Dr. Abed El Rahman Hassoun, Erstautor des ersten Positionspapiers. „Um diese Lücke zu schließen, bräuchte es eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Kofinanzierung zwischen verschiedenen Ministerien. Dies ist ein Problem, das wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der EU sehen.“

 

Hintergrund: EuroSea-Projekt

Das EU-Projekt EuroSea brachte von 2019 bis 2023 unter der Leitung von Dr. Toste Tanhua vom 91̽ mehr als 150 Expert:innen von 53 Partnerinstitutionen aus 16 Ländern zusammen, um die bestehenden Systeme der Ozeanbeobachtung besser zu integrieren und die Bereitstellung von Ozeaninformationen zu verbessern. Der Fokus lag auf der gesamten Wertschöpfungskette der Ozeanbeobachtung, von den Messungen bis zu den Nutzern der Daten. Die Europäische Union förderte das Projekt mit 12,6 Millionen Euro.

Originalpublikationen:

Hassoun A.E.R., Tanhua T., Lips I., Heslop E., Petihakis G. and Karstensen J. (2024) The European Ocean Observing Community: urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade. Frontiers in Marine Sciences. 11:1394984.

Tanhua T , Le Traon P-Y , Köstner N et al. (2024) Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system Frontiers in Marine Science. 11:1394549.

]]>
Aktuelles2024 Transfer Presse2024 Top_Slider FB2News Ozeanbeobachtung Klima Ozean
news-9663 Wed, 06 Nov 2024 10:00:00 +0100 Vulkanasche als Nährstofflieferant /news/article/vulkanasche-als-naehrstofflieferant 06.11.2024/Kiel. Der Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Inselstaat Tonga im Januar 2022 hat riesige Mengen vulkanischen Materials freigesetzt. Wie dieses die biogeochemische Zusammensetzung des Oberflächenwassers im Südpazifik veränderte, haben Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel untersucht. Im Rahmen einer GEOTRACES-Expedition konnten sie nachweisen, dass mit dem vulkanischen Material große Mengen an Spurenelementen ins Meer gelangten, die das Wachstum von Phytoplankton verstärkten. Dieser Nährstoffeintrag könnte das Leben im Meer nachhaltig beeinflussen und die CO₂-Bindung im Ozean erhöhen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications öڴڱԳٱ. Der Ausbruch des untermeerischen Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai (HTHH) im Januar 2022 hat rund 2,9 Milliarden Tonnen vulkanisches Material in die Atmosphäre und in den Südpazifik freigesetzt. Kurz nach dem Ausbruch untersuchte eine wissenschaftliche Expedition die Auswirkungen dieses gewaltigen Ereignisses auf die Biogeochemie des Oberflächenwassers. Die Wissenschaftler:innen konzentrierten sich dabei besonders auf die Veränderungen in der Konzentration von Spurenelementen im Ozean und deren Einfluss auf das marine Leben. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer Studie zusammengefasst, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist.

Per Computer und per Schiff: Nachweis des vulkanischen Einflusses auf den Südpazifik

Zur Analyse der Auswirkungen des Ausbruchs setzten die Wissenschaftler:innen auf eine Kombination aus moderner Computersimulation und spezialisierter Probenanalyse. Um die Ausbreitung der Vulkanasche nach dem Ausbruch zu simulieren, nutzten sie das Computermodell HYSPLIT der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), einer US-amerikanischen Bundesbehörde. Das Modell simuliert den Transport von Stoffen in der Atmosphäre. Damit konnte die Ausbreitung der Vulkanasche in verschiedenen Höhen für 72 Stunden und die Flugbahnen der Asche für bis zu 315 Stunden berechnet werden.

Während der SONNE-Expedition SO289 im Rahmen des internationalen GEOTRACES-Programms von Februar bis April 2022 sammelten die Forschenden Wasserproben entlang einer festgelegten Route im Südpazifik, um die Verteilung von Spurenelementen und ihre biogeochemischen Auswirkungen zu analysieren. Große Mengen schwimmenden vulkanischen Materials, hauptsächlich Bimsstein, wurden während der Expedition beobachtet und beprobt. Außerdem kamen Meerwasseranalysen von Neodym-Isotopen und Seltenen Erden zur Nachverfolgung des vulkanischen Eintrags und von Chlorophyll-a als Indikator für Phytoplankton zum Einsatz.

Phytoplankton profitiert von Spurenelementen aus dem vulkanischen Material

Im westlichen Südpazifik fanden die Forschenden erhebliche Mengen an Spurenelementen wie Eisen und Neodym, die normalerweise nur in geringen Mengen als Staubeintrag in den Ozean gelangen. Durch den Vulkanausbruch wurden beispielsweise rund 32.000 Tonnen Eisen und 160 Tonnen Neodym zusätzlich freigesetzt. Die Menge an Eisen entspricht dem Eintrag, den die Region normalerweise in einem Jahr erhält, während die Neodym-Menge dem weltweiten Eintrag eines gesamten Jahres entspricht.

„Gleichzeitig haben wir in der Region erhöhte Werte von Chlorophyll-a gemessen, was auf ein verstärktes Wachstum des Phytoplanktons und damit auf eine höhere biologische Produktivität hinweist“, sagt Dr. Zhouling Zhang, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungseinheit Paläo-Ozeanographie und Erstautorin der Studie.

Langfristige Auswirkungen auf das Klima

Damit konnte das Team zeigen, dass durch Vulkanausbrüche freigesetzte Spurenelemente eine wichtige Rolle für das Leben im Meer spielen. Diese Elemente, insbesondere der Mikronährstoff Eisen, wirken im Ozean als Nährstoffe, die das Wachstum von Phytoplankton anregen. Phytoplankton spielt eine wesentliche Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf, da es durch die Photosynthese CO₂ aus der Atmosphäre aufnimmt und im Ozean speichert. Durch die Erhöhung der biologischen Produktivität wird somit möglicherweise auch die Fähigkeit des Ozeans, CO₂ aus der Atmosphäre aufzunehmen verbessert – ein Prozess, der sich langfristig auf das Klima auswirken könnte.

Die Forschenden schätzen, dass die Freisetzung des Mikronährstoffs Eisen durch den HTHH-Ausbruch vergleichbar ist mit der Eisendüngung durch den Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991. Damals wurden rund 40.000 Tonnen vulkanischen Materials freigesetzt, und etwa zwei Jahre nach dem Ausbruch konnte eine Verlangsamung des CO₂-Anstiegs in der Atmosphäre um 1,5 ppm (parts per million) gemessen werden. Zhouling Zhang: „Wir gehen davon aus, dass auch der Ausbruch des Hunga Tonga einen ähnlichen Effekt haben könnte.“

 

Publikation:

Zhang, Z., Xu, A., Hathorne, E. et al. (2024): Substantial trace metal input from the 2022 Hunga Tonga-Hunga Ha’apai eruption into the South Pacific. Nat Commun 15, 8986.

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB1News FE-PalOz Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Naturgefahren aus dem Ozean Klima Plattentektonik Naturgefahren
news-9659 Wed, 30 Oct 2024 11:43:58 +0100 Wie tragen Blasen zum Gasaustausch zwischen Luft und Meer bei? /news/article/wie-tragen-luftblasen-zum-gasaustausch-zwischen-luft-und-meer-bei 30. Oktober 2024/Kiel. Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen ausländischen und deutschen Forschenden durch ihre Forschungsstipendien. Diese Förderungen ermöglichen es Expert:innen aus dem Ausland, Zeit an deutschen Forschungseinrichtungen zu verbringen und dort eigene Projekte umzusetzen. In der Forschungseinheit Chemische Ozeanografie am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist derzeit der Humboldt-Stipendiat Dr. Yuanxu Dong bei Dr. Christa Marandino zu Gast. Für zwei Jahre wird er hier die Rolle von Blasen im CO2-Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre erforschen. Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert mit ihren Forschungsstipendien die wissenschaftliche Kooperation zwischen ausländischen und deutschen Forschenden. Die Förderung ermöglicht es herausragenden Postdoktorand:innen aus dem Ausland, ihre Projekte an deutschen Forschungseinrichtungen zu bearbeiten. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konnte in diesem Jahr einen neuen Stipendiaten begrüßen: Dr. Yuanxu Dong wird für zwei Jahre in der Forschungsabteilung Chemische Ozeanographie von Dr. Christa Marandino betreut.

Dr. Yuanxu Dong stammt ursprünglich aus China und hat zuletzt in Norwich, England, studiert, wo er an der University of East Anglia promovierte. Am liebsten wäre der frischgebackene Ozeanograph sofort nach der Promotion mit seiner jetzigen Gastgeberin in See gestochen: Dr. Christa Marandino, Privatdozentin und Leiterin der Arbeitsgruppe Luft-Wasser-Austausch von Spurengasen am 91̽, leitete im vergangenen Dezember eine fünfwöchige Expedition in die Labradorsee. Während dieser Winterexpedition untersuchte sie den Beitrag von Luftblasen zum Gasaustausch zwischen Atmosphäre und Ozean. Dies ist genau das Thema, das Dr. Yuanxu für sein Postdoc-Forschungsprojekt am 91̽ gewählt hat.

„Mich interessiert der globale CO2-Fluss zwischen Luft und Ozean“, sagt er. Es sei bekannt, dass der Ozean einen großen Teil der CO2-Emissionen aufnehme, die Rolle der Blasen in diesem Prozess sei aber noch ein Rätsel.

Seine Gastgeberin, Dr. Marandino, umreißt die Problematik: „Die Quantifizierung erfolgt oft mathematisch auf der Grundlage von Laborergebnissen. Labortests sind nützlich, um Mechanismen zu verstehen, aber das Labor ist keine realistische Meeresumgebung.“ Die realistische Meeresumgebung, das sind sich brechende Wellen, die Blasen ins Wasser schlagen, je höher, desto mehr. Und hier liegt die Herausforderung: Je stärker der Wind und je höher die Wellen, desto schwieriger sind Messungen an der Meeresoberfläche. Es überrascht daher nicht, dass es noch keine Messdaten zum Gasaustausch unter Sturmbedingungen gibt, also bei Windgeschwindigkeiten von 20 bis 30 Metern pro Sekunde (etwa 70 bis 100 Kilometer pro Stunde). Da jedoch aufgrund des Klimawandels mit einer Zunahme von Stürmen zu rechnen ist, wird es immer wichtiger, die Rolle der Blasen beim Gasaustausch zwischen Luft und Meer zu verstehen.

Erst kürzlich hat Dr. Yuanxu Dong dazu eine bedeutende Studie in der renommierten Fachzeitschrift Science Advances öڴڱԳٱ. Zusammen mit einem internationalen Team konnte er zeigen, dass das Südpolarmeer rund um die Antarktis etwa 25 Prozent mehr Kohlendioxid aufnimmt als bisher angenommen. Für die neue Studie wurde eine hochpräzise Messmethode namens „Eddy-Kovarianz“ eingesetzt, die die Bewegung atmosphärischer Wirbel misst, um aus dem Verhältnis von vertikaler Windgeschwindigkeit und Gasfluss-Schwankungen den Netto-Gasfluss zu berechnen. Dies ermöglicht eine direkte Bestimmung des CO2-Austauschs zwischen Ozean und Atmosphäre. Ausgewertet wurden Daten, die mit dieser Methode während sieben Forschungsfahrten im Südlichen Ozean gewonnen wurden. Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Fortschritt im Verständnis der Rolle dieses Meeres bei der Regulierung des globalen Klimas dar, wenngleich auch hier noch Winterdaten fehlen.

Seit diesem Sommer arbeitet Dr. Yuanxu Dong im Rahmen des Forschungsprojekts MUSE (Marine Environmental Robotics and Sensors for Sustainable Research and Management of Coasts, Seas and Polar Regions) an der Entwicklung und dem Bau eines innovativen Eddy-Kovarianz-Systems mit, das auf einer Boje installiert werden soll. Dieses hat das Potential, die direkten Messungen des CO₂-Flusses zwischen Luft und Meer erheblich zu verbessern.

Im März und September war Dr. Yuanxu Dong bei seinem Co-Gastgeber Prof. Dr. Bernd Jähne am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg zu Gast. Im dortigen Aeolotron, einem der größten und modernsten ringförmigen Wind-Wellen-Kanäle der Welt, führte er Experimente zu blasenvermittelten Transferprozessen durch. Diese Laborergebnisse wird er nun mit den Daten aus seinen Feldexperimenten verknüpfen, um die Mechanismen des blasenvermittelten Gasaustausches zu verstehen.

Pünktlich zum Beginn der dunklen Jahreszeit ist Dr. Yuanxu wieder zurück in Kiel. Doch den norddeutschen Winter fürchtet er nicht: „Ich habe Norwich überlebt“, sagt er lachend, „und Kiel liegt ja nur ein bisschen weiter nördlich.“

 

Originalpublikation:

Yuanxu Dong et al. (2024): Direct observational evidence of strong CO2 uptake in the Southern Ocean. Sci. Adv.10.

DOI:10.1126/sciadv.adn5781

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Technik Klima Ozean
news-9652 Mon, 28 Oct 2024 11:11:02 +0100 Baku Ocean Declaration zur UN-Klimakonferenz /news/article/baku-ocean-declaration-zur-un-klimakonferenz 28.10.2024/Kiel. Die Partner des Ozean-Pavillons fordern Staats- und Regierungschefs auf, solide und langfristige Investitionen in die Meeresbeobachtung, -forschung und -kartierung zu tätigen, um zur Erreichung der Hauptziele der UN-Abkommen über Klima, biologische Vielfalt und Wüstenbildung beizutragen. Die Baku Ocean Declaration wird im Vorfeld der 29. UN-Klimakonferenz veröffentlicht, die vom 11. bis 22. November in Baku, Aserbaidschan, stattfindet. Die Erklärung unterstreicht die entscheidende Rolle, die das Wissen über den Ozean für das Wohlergehen der Menschen und Gemeinschaften sowie für die Gesundheit der Ökosysteme weltweit spielt. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel beteiligt sich auch in diesem Jahr am Ozean-Pavillon. Gemeinsame Gemeinsame Pressemitteilung der Ocean Pavillon Partner bei der COP29

91̽ Direktorin Professor Katja Matthes: „Die globale Bestandsaufnahme für die COP28 in Dubai im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass die Welt auf 2,6 Grad Celsius zusteuert und nicht auf die 1,5 Grad, die im Pariser Abkommen von 2015 festgelegt wurden. Wir müssen die Treibhausgasemissionen sofort und drastisch senken. Gleichzeitig müssen wir Lösungen für die verbleibenden Emissionen finden, die sich nicht vermeiden lassen. Die Meeresforschung liefert wichtige Erkenntnisse über natürliche und technische Ansätze zur Kohlendioxid-Entfernung (CDR) und zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), so dass der Ozean uns bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen kann. Wir rufen die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, diese Forschung zu unterstützen und Aktivitäten zum Schutz des Ozeans zu fördern.“

Peter de Menocal, Präsident und Direktor der Woods Hole Oceanographic Institution: „Unsere Zukunft hängt davon ab, dass die Menschheit kluge Entscheidungen über den Umgang mit dem Ozean trifft. Und um kluge Entscheidungen zu treffen, brauchen wir die bestmöglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Ozean und seine vielfältigen Auswirkungen auf alle Menschen auf unserem Planeten. Langfristige Ozeanbeobachtungen liefern die entscheidenden Daten, um eine nachhaltige Zukunft für alle zu gewährleisten.“

Der Ozean hat mehr als 90 Prozent der Wärme und fast 30 Prozent des Kohlendioxids aufgenommen, die durch menschliche Aktivitäten verursacht wurden. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit von Faktoren wie dem Anstieg des Meeresspiegels, den steigenden Temperaturen in der Atmosphäre und in den Ozeanen, den Veränderungen des Wasserkreislaufs, den Trends bei der Versauerung und dem Sauerstoffmangel der Ozeane, dem Rückgang der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt sowie den Unwettern wird daher davon abhängen, wie gesund der Ozean bleibt. Trotzdem haben die internationalen Investitionen in Meeresbeobachtungssysteme nicht mit dem Bedarf an Informationen für die Anpassung an den Klimawandel und andere wichtige Entscheidungen Schritt gehalten.

Margaret Leinen, Direktorin der Scripps Institution of Oceanography an der UC San Diego: „Der Ozean hat einen überragenden Einfluss auf das globale Klima, selbst wenn es um die Wüstenbildung geht, und ist selbst vom Klimawandel betroffen. Mindestens die Hälfte der Makroorganismen auf unserem Planeten sind Meeresorganismen. Die meisten von ihnen sind noch nicht einmal entdeckt, geschweige denn benannt worden, so dass die weitere Erforschung des Systems, das das Leben auf der Erde trägt, zwingend notwendig ist.“

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist zu dem Schluss gekommen, dass die Welt koordinierte Maßnahmen ergreifen muss, um einen Anstieg von mehr als 1,5 °C gegenüber den vorindustriellen Temperaturen zu vermeiden - ein wichtiger Schwellenwert, bei dessen Unterschreitung nach Ansicht der Klimawissenschaftler:innen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermieden werden können. Gleichzeitig wächst das Interesse an den zahlreichen Möglichkeiten, die der Ozean bietet, darunter Methoden zur Eindämmung der steigenden Treibhausgase in der Atmosphäre, zur Anpassung an den aktuellen und künftigen Klimawandel und zum Aufbau einer gesunden blauen Wirtschaft, die der Menschheit zugute kommt und wichtige Ökosysteme schützt.

Die Ozean-Erklärung ruft die Teilnehmer:innen der UN-Klimakonferenz und darüber hinaus dazu auf, Maßnahmen zur Verbesserung der Beobachtung kritischer Meeresvariablen zu ergreifen, um diese Vorteile zu erhalten. Darüber hinaus werden in der Erklärung die Möglichkeiten hervorgehoben, die verbesserte Beobachtungen bieten, um die miteinander verknüpften Ziele der UN-Konventionen über Klima, biologische Vielfalt und Wüstenbildung, die zusammen als Rio-Konventionen bekannt sind, zu erreichen.

In der Baku Ocean Declaration der COP29 werden unter anderem folgende konkrete Maßnahmen genannt:

  • Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, um Fortschritte bei der Bewältigung der Klima-, Biodiversitäts- und Süßwasserkrisen der Erde zu erzielen.
  • Verbesserung der öffentlichen und privaten Finanzierung, um die Unterstützung für langfristige Meeresbeobachtung, Forschung und Innovation für die Entscheidungsfindung zu erweitern.
  • Aufbau von Kapazitäten und Zugang, insbesondere in kleinen Ländern des globalen Südens, niedrig gelegenen Küstenregionen und anderen unterrepräsentierten Menschen und Orten, um Meeresdaten, Wissen und Innovationen weiterzuentwickeln.
  • Verbesserung des Bewusstseins für die Rolle des Ozeans in planetarischen Systemen und die Notwendigkeit seines Schutzes als wichtiger Schritt zur Mobilisierung von Entscheidungsträgern, um dem Schutz und der Wiederherstellung der Ozeane Priorität einzuräumen.

 

Hintergrund

Der Ozean-Pavillon wird von der Woods Hole Oceanographic Institution und der Scripps Institution of Oceanography der UC San Diego organisiert. Es handelt sich um einen eigenen Bereich in der Blue Zone der COP29, um den Ozean in einer entscheidenden Phase der internationalen Klimaverhandlungen in den Mittelpunkt zu stellen. Der Pavillon bringt Akteure zusammen, die sich dafür einsetzen, dass ozeanbezogene Lösungen bei der Reaktion der Welt auf die Klimakrise als entscheidend anerkannt werden. Während der zweiwöchigen Konferenz wird der Pavillon mehr als 50 Veranstaltungen anbieten, um Diskussionen über ein breites Spektrum von Themen im Zusammenhang mit der Zukunft des Ozeans anzuregen. Die Besucher:innen werden auch die Möglichkeit haben, mehr über die Arbeit der Partner des Ozeanpavillons zu erfahren und mit Wissenschaftler:innen, Vordenker:innen und Studierenden zu sprechen, die an der Suche nach Lösungen für einige der dringendsten Herausforderungen der Welt beteiligt sind.

]]>
Aktuelles2024 Transfer Presse2024 Top_Slider Kohlenstoffspeicherung im Ozean Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Lebensraum Ozean Klima
news-9524 Tue, 16 Jul 2024 10:38:38 +0200 Expedition erforscht Auswirkungen des Klimawandels vor Grönland /news/article/expedition-erforscht-auswirkungen-des-klimawandels-vor-groenland 16.07.2024/Kiel/Reykjavik. Grönland ist vom Nordatlantik und dem arktischen Ozean umgeben – beide Ozeane sind deutlich vom Klimawandel betroffen. Die Folge sind wärmeres, salzärmeres und saureres Wasser, ein verstärkter Eintrag von Schmelz- und Flusswasser sowie ein rapider Rückgang des Meereises. Das internationale Team der Expedition MSM130 unter Leitung des 91̽ untersucht diese Auswirkungen vor der Ostküste Grönlands mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN. Im Fokus stehen Forschungen und Modellierungen zur Rolle des arktischen Meereisverlustes als treibende Kraft des globalen Klimawandels sowie chemische und physikalische Prozesse an der Schnittstelle von Eis, Ozean und Atmosphäre. Die Region um Grönland ist vom Nordatlantik und dem Arktischen Ozean umgeben. Auswirkungen wie wärmeres Wasser oder ein verstärkter Eintrag von Schmelz- und Flusswasser zeigen deutlich, dass beide Ozeane vom Klimawandel betroffen sind. Die fünfwöchige Expedition MSM130 ist nun mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN zur Ostküste Grönlands aufgebrochen, um dort die Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen. Entlang der grönländischen Küste führt die Route der Forscher:innen von Kap Farvel bis Kap Young, vorbei an 150 Messstationen und durch fünf Fjorde. Die Expedition unter der Leitung von Professor Dr. Eric Achterberg, Chemischer Ozeanograph am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, trägt den Namen „Untersuchung des Zusammenhangs zwischen arktischem Süßwasserabfluss, atlantischer Biogeochemie und Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC)“, kurz „POLAR BEAST“.

Während der Expedition wollen die Wissenschaftler:innen insbesondere drei Forschungsvorhaben angehen: Einerseits ziehen sie Sedimentkerne entlang des ostgrönländischen Schelfs. Damit können sie vergangene Klimaveränderungen und die Kohlenstoffspeicherung in Fjordsedimenten rekonstruieren. „Die Sedimentkerne dienen als Klimaarchiv und werden verwendet, um die Variabilität des Klimas in der Vergangenheit und die Veränderungen zu rekonstruieren, die sich aus den Verschiebungen der Meereisbedeckung, des Salzgehalts und der Produktivität im ostgrönländischen System in den letzten 2000 Jahren ergeben haben“, erklärt Fahrtleiter Professor Dr. Eric Achterberg. Zusätzlich messen die Wissenschaflter:innen die Eisen- und Manganflüsse aus den Sedimenten in das darüber liegende Wasser, um die Auswirkungen dieser Mikronährstoffe auf die Primärproduktion an der ostgrönländischen Küste zu bewerten. Die Primärproduktion beschreibt den Prozess, bei dem pflanzliche Organismen, hauptsächlich Phytoplankton, durch Photosynthese organisches Material aus anorganischen Substanzen (wie Kohlendioxid und Stickstoff) und Licht erzeugen. Sie stellt die Grundlage der marinen Nahrungskette dar.

Außerdem möchten die Forschenden die Auswirkungen des Schmelzwasserabflusses der Grönlandgletscher und des arktischen Süßwasserabflusses auf die Zirkulation und Biogeochemie des Nordatlantiks verstehen. Im Ostgrönlandstrom (East Greenland Current, EGC) werden zunehmende Mengen an Süßwasserabfluss beobachtet, was mit der zunehmenden Meereisschmelze im Arktischen Ozean, dem Abschmelzen der grönländischen Gletscher und den zunehmenden Abflüssen europäischer und asiatischer Flüsse in den Arktischen Ozean zusammenhängt. Der Ostgrönlandstrom führt daher zu einer Auffrischung des Nordatlantiks mit möglichen Folgen für die AMOC und einem Anstieg der Meeresoberflächentemperaturen und des Klimas. Die Süßwassereinträge können auch die Primärproduktivität im Nordatlantik und folglich die Aufnahme von Kohlendioxid (CO₂) durch den Ozean beeinflussen.

Ergänzend misst das internationale Forschungsteam deshalb Kohlendioxid (CO₂), pH, Alkalinität, Nitrat, Phosphat, Methan und Primärproduktivität an der Meeresoberfläche. Diese Erhebungen ergänzen Daten von Land und von Verankerungen in den Fjordmündungen, die das ganze Jahr über von grönländischen Wissenschaftler:innen vor Ort erhoben werden.

„Unser verbessertes Verständnis wird dazu dienen, die Modellprojektionen für die Arktis und die niedrigen Breitengrade unter künftigen Klimaszenarien zu verbessern, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesellschaft zu bewerten und Interessengruppen zu informieren“, sagt Dr. Achterberg. Zu Beginn der Expedition wurden erhöhte Temperaturen im Nordatlantik in der Nähe von Island und eine im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich stärkere Eisbedeckung an der Küste Ostgrönlands im Ostgrönlandstrom festgestellt. Die Ursachen für diesen Kontrast sind bislang noch unklar.

 

Expedition auf einen Blick:

MARIA S: MERIAN Expedition MSM130 POLAR BEAST

Fahrtleitung: Prof. Dr. Eric Achterberg

Datum: 09.07.2024 – 14.08.2024

Start: Reykjavik, Island

Ende: Reykjavik, Island

Fahrtgebiet: Ostküste Grönland

 

öܲԲ:

Gefördert wird die MERIAN-Expedition MSM130 unter dem Namen „Untersuchung des Zusammenhangs zwischen arktischem Süßwasserabfluss, atlantischer Biogeochemie und Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC)“ kurz „POLAR BEAST“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News Modellsimulationen Klimaarchive Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Klima Marine Ressourcen Ozean
news-9519 Mon, 15 Jul 2024 11:00:00 +0200 Verlust von Sauerstoff in Gewässern als neuer Kipp-Punkt identifiziert /news/article/verlust-von-sauerstoff-in-gewaessern-als-neuer-kipp-punkt-identifiziert 15.07.2024/Kiel/New York. Der Sauerstoffgehalt in den Gewässern auf unserer Erde nimmt rapide und dramatisch ab – vom Teich bis zum Ozean. Der fortschreitende Sauerstoffverlust bedroht nicht nur Ökosysteme, sondern auch die Lebensgrundlage großer Bereiche der Gesellschaft und den gesamten Planeten, urteilen die Autor:innen einer internationalen Studie mit Beteiligung des 91̽, die heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde. Sie fordern, den Sauerstoffverlust der Gewässer als planetare Belastbarkeitsgrenze anzuerkennen, um globale Überwachung, Forschung und politische Maßnahmen zu fokussieren. Sauerstoff ist eine grundlegende Voraussetzung für das Leben auf dem Planeten Erde. Der Verlust von Sauerstoff im Wasser, auch als aquatische Desoxygenierung bezeichnet, stellt eine unmittelbare Bedrohung für das Leben im Wasser dar. In einer heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Studie beschreibt ein internationales Forschungsteam, welche Gefahren der fortschreitende Sauerstoffverlust auch für die Lebensgrundlage weiter Bereiche der Gesellschaft und für die Stabilität des Lebens auf unserem Planeten darstellt.

Frühere Forschungen haben eine Reihe globaler Prozesse identifiziert, die als planetare Belastbarkeitsgrenzen bezeichnet werden. Werden diese Belastbarkeitsgrenzen überschritten, erhöht sich das Risiko großräumiger, abrupter oder irreversibler Umweltveränderungen („Kipp-Punkte“), und die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten, seine Stabilität, wird gefährdet. Zu den derzeit neun planetaren Grenzen gehören unter anderem der Klimawandel, die Veränderung der Landnutzung und der Verlust der biologischen Vielfalt. Die Autor:innen der neuen Studie argumentieren, dass der Sauerstoffverlust der Gewässer sowohl auf andere planetare Grenzprozesse reagiert als auch diese reguliert und deswegen als weitere planetare Grenze definiert werden sollte.

„Es ist wichtig, dass die Sauerstoffabnahme in der Hydrosphäre auf die Liste der planetaren Grenzen gesetzt wird“, sagt Erstautor Dr. Kevin Rose, Professor am Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, New York. „Dies wird helfen, globale Überwachungs-, Forschungs- und Politikbemühungen zu unterstützen und zu fokussieren, um unsere aquatischen Ökosysteme und damit auch die Gesellschaft insgesamt zu schützen.“

In allen aquatischen Ökosystemen, von Bächen und Flüssen über Teiche, Seen und Stauseen bis hin zu Küsten und dem offenen Ozean, ist die Sauerstoffsättigung in den vergangenen Jahrzehnten rapide und erheblich gesunken. Seen und Stauseen haben seit 1980 Sauerstoffverluste von 5,5 beziehungsweise 18,6 Prozent erlitten. Der Ozean hat seit 1960 im globalen Durchschnitt mehr als zwei Prozent seines Sauerstoffs verloren. Prozentual klingt dies nach wenig, absolut bedeutet es aber aufgrund des riesigen Volumens des Weltozeans eine ungeheure Menge an Sauerstoff – und die Geschwindigkeit der Abnahme nimmt weiter zu. Die Wassermenge mit extremer Sauerstoffarmut (hypoxisch) beziehungsweise ohne jeglichen Sauerstoff (anoxisch) ist bei allen Gewässertypen dramatisch gestiegen, mit immer sichtbarer werdenden Konsequenzen für die betroffenen Ökosysteme.

„Ursachen des aquatischen Sauerstoffverlusts sind die globale Erwärmung durch Emissionen von Treibhausgasen und der Eintrag von Nährstoffen als Folge der Landnutzung“, sagt Ko-Autor Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: „Steigen die Wassertemperaturen, nimmt die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser ab. Dazu kommt eine ausgeprägtere Schichtung der Wassersäule, weil sich wärmeres, salzärmeres Wasser mit geringer Dichte auf das darunter geschichtete kältere, salzigere Tiefenwasser legt. Das behindert den Austausch der sauerstoffarmen Tiefenschichten mit dem sauerstoffreicheren Oberflächenwasser. Nährstoffeinträge von Land fördern zusätzlich Algenblüten, die dazu führen, dass mehr Sauerstoff verbraucht wird, wenn mehr organisches Material absinkt und in der Tiefe von Mikroben zersetzt wird.“

Bereiche im Meer, in denen so wenig Sauerstoff vorhanden ist, dass Fische, Muscheln oder Krebse nicht mehr überleben können, bedrohen nicht nur die Organismen selbst, sondern auch Ökosystemdienstleistungen wie Fischerei, Aquakultur, Tourismus und kulturelle Praktiken. Mikrobiotische Prozesse in sauerstoffarmen Regionen erzeugen darüber hinaus verstärkt Treibhausgase wie Lachgas und Methan, was zu einer weiteren Verstärkung der Erderwärmung und damit einer wesentlichen Ursache der Sauerstoffabnahme führen kann.

Die Autoren warnen: Wir nähern uns kritischen Schwellenwerten des Sauerstoffverlusts in den Gewässern, die mehrere andere planetare Grenzen beeinflussen werden. Professor Dr. Rose: „Gelöster Sauerstoff reguliert die Rolle von Meeres- und Süßwasser bei der Steuerung des Erdklimas. Die Verbesserung der Sauerstoffsättigung in Gewässern hängt von der Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen ab, einschließlich der Klimaerwärmung und der Abwässer aus bewirtschafteten Landschaften. Wird der Sauerstoffmangel in den Gewässern nicht adressiert, wird dies letztlich nicht nur die Ökosysteme, sondern auch die Wirtschaft und die Gesellschaft auf globaler Ebene beeinträchtigen.“

Die Trends bei der Sauerstoffverarmung der Gewässer sind ein deutliches Warnsignal und ein Aufruf zum Handeln, das verhindern muss, diese planetare Grenze zu überschreiten. Die Studie von Professor Rose und seinen Kolleg:innen wird den Weg für weitere Forschung ebnen und die Tür für neue Regulierungsmaßnahmen öffnen. Sie entstand im Umfeld des Netzwerks Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission (Intergovernmental Oceanographic Commission, IOC) der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation, UNESCO), das ebenso wie das Programm Global Ocean Oxygen Decade (GOOD) der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen von Professor Oschlies geleitet wird.

Original-Publikation:

Rose, K.C., Ferrer, E.M., Carpenter, S.R. et al. (2024): Aquatic deoxygenation as a planetary boundary and key regulator of Earth system stability. Nature Ecology and Evolution, doi:

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News Sauerstoff Ozean und Klima Lebensraum Ozean Klima Marine Ökosysteme Ozean
news-9453 Wed, 19 Jun 2024 19:00:00 +0200 Boris Herrmann erhält den Deutschen Meerespreis 2024 /news/article/boris-herrmann-erhaelt-den-deutschen-meerespreis-2024 19.06.2024/Kiel. Der deutsche Profisegler Boris Herrmann erhält heute den Deutschen Meerespreis der Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung in Würdigung seiner vielfältigen Verdienste als Botschafter der Meere und zur Vermittlung von Themen der Meeresforschung in die breite Öffentlichkeit. Der Preis wird gemeinsam mit dem 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel unter der Schirmherrschaft von Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, im Rahmen einer festlichen Veranstaltung mit geladenen Gästen vergeben. Auf seinen Segelrennen ist Boris Herrmann im Wettlauf gegen die Zeit – mal allein und mal gemeinsam mit seiner Crew Wind und Wellen ausgesetzt. Seine Leistungen verfolgen viele Fans in Deutschland und aller Welt. Doch dem Segler geht es nicht nur um die sportliche Konkurrenz: Den gesellschaftlichen Kampf gegen den Klimawandel sieht er als ein Rennen, das wir alle gemeinsam gewinnen müssen. „A Race We Must Win – Climate Action Now“ – der Slogan auf dem Segel der Rennyacht Malizia-Seaexplorer lässt keinen Zweifel daran, was auf dem Spiel steht. Bereits seit Jahren engagiert sich Boris Herrmann mit seinem Team Malizia daher für den Schutz des Ozeans, unterstützt die Wissenschaft mit Unterwegs-Daten von Regatten, die ihn oft in entlegene Meeresregionen führen, und setzt sich für die Ozeanbildung ein.

In Würdigung seiner vielfältigen Verdienste als Botschafter der Meere und zur Vermittlung von Themen der Meeresforschung in die breite Öffentlichkeit erhält Boris Herrmann heute den Deutschen Meerespreis der Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung wird unter der Schirmherrschaft von Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, gemeinsam mit dem 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel verliehen. Zur heutigen Festveranstaltung am 91̽ werden etwa 200 geladene Gäste aus Wissenschaft, Sport, Wirtschaft und Politik erwartet.

„Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein Wettlauf gegen die Zeit – gewinnen können wir ihn nur, wenn sich alle Menschen auf der Welt engagieren. Dieses Engagement braucht eine breite Wissensbasis, und es braucht Daten aus allen Regionen des Ozeans“, sagt 91̽-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes. „Boris Herrmann trägt einerseits die Botschaft zum Schutz unseres Ozeans in alle Welt und sammelt andererseits rund um den Globus wichtige Informationen für unsere Forschung. Sein Handeln inspiriert viele Menschen weltweit, auch uns Forschende. Der Deutsche Meerespreis würdigt seine wichtige Rolle als Vermittler und seinen beeindruckenden Einsatz. Wir gratulieren aufs Herzlichste, mit Spannung verfolgen wir die kommenden Regatten und freuen uns auf weitere gemeinsame Projekte.“

Ministerpräsident Daniel Günther würdigt den Preisträger als engagierten Klimaschützer und Unterstützer der Wissenschaft. „Boris Herrmann ist ein großartiger Sportler und ein Vorkämpfer für die Umweltbildung. Sie haben sich den Kampf gegen die Erderwärmung sprichwörtlich auf die Segel geschrieben und sind ein Vorbild mit Ihrer Art, Herausforderungen anzupacken“, sagt Günther. Mit seinem langjährigen Einsatz für den Klimaschutz und die Ozeane sei Boris Herrmann ein mehr als würdiger und verdienter Preisträger: „Wir sind in Schleswig-Holstein sehr stolz, Ihnen den Deutschen Meerespreis 2024 verleihen zu dürfen. Herzlichen Dank für Ihr großes Engagement.“

„Die Professor Dr. Werner Petersen-Stiftung sieht sich in der Pflicht, auch solches Engagement zu fördern, das der nachhaltigen Entwicklung und dem Schutz der Ozeane dient“, erklärt Dr. h.c. Klaus-Jürgen Wichmann, Vorsitzender Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung. „Mit der diesjährigen Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Deutschen Meerespreises gemeinsam mit dem 91̽ und unter der Schirmherrschaft des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten ermöglicht die Stiftung nach 2018 erneut die Auszeichnung von Personen, die sich durch besonderen Einsatz für den Erhalt, Schutz oder die Vermittlung von Wissen um und über die Meere verdient gemacht haben. Die vielfältigen Verdienste des Profiseglers Boris Hermann, dem weltweit anerkannten Botschafter der Meere, werden damit in eindrucksvoller Weise gewürdigt.“

Für Boris Herrmann erfüllte sich 2020 ein Jugendtraum, als er als erster Deutscher die Vendée Globe absolvierte. 2024 tritt er erneut in der Nonstop-Einhandregatta um die Welt an. Im Jahr
2023 nahmen er und sein Team mit der Malizia-Seaexplorer am Ocean Race teil – mit einem spektakulären Fly-By in der Kieler Förde. Für das Ocean Race Europe, das im August 2025 in Kiel startet, hat das Team Malizia ebenfalls seine Teilnahme angekündigt. Im Mai 2024 lief Boris Herrmann nach der Transatlantik-Regatta The Transat CIC als zweiter in New York ein. Auch die New York Vendée nach Les Sables d’Olonne beendete er unlängst als gefeierter Zweiter. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

„Was wir mit dem Team Malizia bewegt haben, berührt mich mit Stolz. Dazu zählen die wachsende Popularität und Begeisterung für unseren Sport, aber allen voran das sichtbare Engagement für Bildung und Wissenschaft zum Schutz von Klima und Ozean. Dieser Preis ehrt die langjährige und zielgerichtete Arbeit des gesamten Teams, unsere Partner und Unterstützerinnen und Unterstützer weltweit und nicht zuletzt meine Frau Birte mit unserem Bildungsprojekt ‚My Ocean Challenge‘“, sagt Preisträger Boris Herrmann. „Wir sehen diese Auszeichnung als Ansporn, unsere Mission mit Nachdruck weiter fortzuführen, nach Lösungen zu suchen und vor allem die Menschen weltweit für Ozean- und Klimaschutz zu begeistern.“

Den Segler verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit dem 91̽, welche gleichzeitig als ein Ursprung der mittlerweile vielfältigen Verbindungen zwischen der Forschung und dem deutschen Profi-Segelsport gesehen werden kann. Seit Anfang 2024 ist Boris Herrmann auch Botschafter des Deutschen Komitees der Ozeandekade (ODK), deren Kontaktstelle am 91̽ beheimatet ist.

Das 91̽ koordiniert verschiedene Programme im Rahmen der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und trägt auch darüber hinaus auf vielerlei Weise zur Erreichung der Ziele der Dekade bei. Einen Schwerpunkt der Arbeiten des 91̽ bildet das globale Ozeanmonitoring zur Erforschung und Vorhersage von Auswirkungen des Klimawandels und anderer menschliche Einflüsse auf den Ozean.

Zur Gewinnung von Daten tragen neben wissenschaftlichen Expeditionen, autonomen Messgeräten und Handelsschiffen auch Segelyachten als „Ships of Opportunity“ bei. Führend ist hierbei die von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderte Innovationsplattform „Shaping an Ocean Of Possibilities” (SOOP). Gemäß seinem Titel will SOOP einen „Ozean der Möglichkeiten“ für Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie schaffen. Entstehen sollen nachhaltige Strukturen und Technologien für die Ozeanbeobachtung, um den Zugang zu Messdaten zu verbessern und das Wissen über unsere Meere auszubauen. An Wassersportler:innen in der Ostsee richtet sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte Projekt „Sailing for Oxygen“, in dessen Rahmen Segelcrews Daten zu Sauerstoff-Konzentrationen in der Ostsee sammeln.

]]>
Aktuelles2024 Transfer Presse2024 Instagram FB-News Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Lebensraum Ozean Technik Klima Marine Ökosysteme Ozean Preise
news-9490 Fri, 14 Jun 2024 16:30:00 +0200 Lachgas-Emissionen auf historischem Höchststand /news/article/lachgas-emissionen-auf-historischem-hoechststand 14.06.2024/Kiel/Chestnut Hill. Die Emissionen von Distickstoffmonoxid (N2O) – einem Treibhausgas, das stärker wirkt als Kohlendioxid oder Methan – stiegen von 1980 bis 2020 ungebremst an. Im Jahr 2020 wurden über 10 Millionen Tonnen Distickstoffmonoxid in die Atmosphäre freigesetzt, hauptsächlich durch landwirtschaftliche Praktiken und aus dem Ozean. Dies geht aus einem neuen Bericht des Global Carbon Project hervor, für den Forschende des 91̽ wichtige ozeanische Daten lieferten. Distickstoffmonoxid (N2O), umgangssprachlich als Lachgas bekannt, ist ein farbloses Gas aus der Gruppe der Stickoxide und ein extrem wirksames Treibhausgas mit einem etwa 300-mal größeren globalen Erwärmungspotenzial als Kohlendioxid (CO2). Eine aktuelle Studie für den Forschungsverbund Global Carbon Project unter Leitung des Boston College in Chestnut Hill, Massachusetts, Vereinigte Staaten von Amerika, zeigt einen globalen Anstieg der N2O- Emissionen um 40 Prozent in den vier Jahrzehnten von 1980 bis 2020. Diese Entwicklung hat schwerwiegende Konsequenzen für den Planeten.

Die Landwirtschaft war in den 2010er Jahren für 74 Prozent der vom Menschen verursachten Lachgasemissionen verantwortlich, hauptsächlich durch den Einsatz von Kunstdünger und Tierdung auf Ackerland, so der Bericht Global Nitrous Oxide Budget 2024, der jetzt in der Fachzeitschrift Earth System Science Data veröffentlicht wurde.

Die umfassende Studie über Lachgasemissionen und -senken basiert auf Millionen Messungen, durchgeführt an Land, in der Atmosphäre, in Süßwassersystemen und im Ozean. Ein internationales Team von 58 Forschenden aus 15 Ländern erstellte daraus die bisher umfangreichste Bewertung des globalen N2O-Budgets.

In einer Zeit, in der der Ausstoß von Treibhausgasen drastisch und rapide reduziert werden muss, um die globale Erwärmung zu verringern, wurde laut der Studie in den Jahren 2020 und 2021 mehr Lachgas emittiert als jemals zuvor in der Geschichte. Überschüssiger Stickstoff belastet Böden, Wasser und Luft. In der Atmosphäre zerstört N2O die Ozonschicht und verschärft den Klimawandel durch seinen starken Treibhauseffekt. Neben den Emissionen aus den Böden stellen der Ozean und die angrenzenden Küstengebiete die Hauptquelle von N2O in der Atmosphäre dar.

Für die Abschätzung der ozeanischen Lachgasemissionen der Studie dienten Daten des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel als Grundlage. Das 91̽ betreibt die weltweit größte Datenbank für N2O-Messungen aus dem Ozean und den angrenzenden Küstengebieten. Ihr Name MEMENTO (lateinisch: erinnere!) steht für MarinE MethanE and NiTrous Oxide (Methan und Distickstoffoxid aus dem Meer).

„Die Distickstoffmonoxid-Emissionen aus menschlichen Aktivitäten müssen reduziert werden, um die globale Erwärmung unter der Zwei-Grad-Marke des Pariser Klimaschutzabkommens zu halten“, betont der Hauptautor des Berichts, Dr. Hanqin Tian, Professor für globale Nachhaltigkeit und Direktor des Center for Earth System Science and Global Sustainability am Schiller Institute for Integrated Science and Society des Boston College. „Derzeit gibt es keine Technologien zur Entfernung von Distickstoffmonoxid aus der Atmosphäre.“

Für Dr. Hermann Bange, Professor für Marine Biogeochemie am 91̽ und Leiter der Arbeitsgruppe Biogeochemie von Spurengasen, ist die internationale Studie ein Meilenstein, da sie die globalen Quellen und Senken von Lachgas in bisher nicht gekannter Detailfülle beschreibt. Um wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen zu ergreifen, sei deren genaue Kenntnis unabdingbar.

Die Forschenden fordern daher häufigere Abschätzungen des N2O-Budgets und empfehlen den Aufbau eines globalen N2O-Messnetzes. „Dieses müsste dringend auch den Ozean als eine der größten Lachgasquellen mit einbeziehen“, betont Professor Dr. Bange.

 

Original-Publikation:

Tian, H. et al (2023): Global Nitrous Oxide Budget 1980-2020, Earth Syst. Sci. Data Discuss. Global Carbon Project.

Artikel DOI: 10.5194/essd-2023-401,

Zusätzliche Daten DOI: 10.18160/RQ8P-2Z4R,

 

Hintergrund Global Carbon Project:

Das 2001 gegründete Global Carbon Project ist ein internationales Forschungsprojekt, das eine gemeinsame Wissensbasis zu Treibhausgasemissionen schafft, indem es unter anderem globale Budgets für die drei wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) erstellt. Die Budgets bewerten Emissionen und Senken, um weitere Forschung, Politik und internationale Maßnahmen zu beraten und zu unterstützen.

]]>
Aktuelles2024 Top_Slider FB2News Ozean und Klima Klima
news-9443 Mon, 27 May 2024 12:34:00 +0200 Auf Datensammlung zu Klimaänderungen im Nordatlantik /news/article/auf-datensammlung-zu-klimaaenderungen-im-nordatlantik 27.05.2024/Kiel/Rostock. Als wichtiger Teil des Förderbandes globaler ѱٰöܲԲ wird im gesamten Atlantik Wärme nach Norden transportiert – ein Prozess, der das heutige Klima auf der Erde stabilisiert. Wenn dieser Wärmetransport abnimmt, kann ein Kipppunkt des Klimasystems überschritten werden, mit der Folge weltweiter Klimaveränderungen. Eine Schlüsselregion für ein funktionierendes globales Förderband ist der Nordatlantik, insbesondere die ozeanischen Prozesse in der Labrador- und Irmingersee. Dorthin ist am Samstag eine internationale Expedition unter Leitung des 91̽ aufgebrochen, um neue Messdaten zum Zustand der Tiefenströmungen im Nordatlantik zu gewinnen. Über die Online-Plattform BELUGA können sowohl das Schiff als auch Messdaten live verfolgt werden. Im Nordatlantik verliert das Oberflächenwasser riesige Mengen an Wärme an die Atmosphäre – ein Prozess, der uns in Europa ein mildes Klima beschert. Als Folge davon wird das zunehmend abgekühlte Oberflächenwasser schwerer und sinkt in größere Tiefen ab, wo es schließlich als Tiefenwasser in Richtung Südatlantik strömt. Diese Tiefenströmungen orientieren sich aufgrund der Erdrotation an den westlichen Rändern der Kontinente und bilden dort Strömungsbänder aus, die als „Tiefer Westlicher Randstrom“ bezeichnet werden.

Die Labradorsee ist eine der wenigen Regionen der Welt, in der dieses Strömungsband nahe der Oberfläche zu finden ist. Deshalb kann diese Region auch als eine Art Eingang zur Tiefsee betrachtet werden. Treten hier Änderungen auf, etwa der Temperatur, des Sauerstoff- oder des Kohlendioxidgehalts, so werden diese in die Tiefsee exportiert – wo sie möglicherweise für Jahrhunderte verbleiben. Für Klimavorhersagen mit Hilfe von Modellrechnungen ist es wichtig, die Prozesse zu verstehen, die zu Veränderungen im Tiefen Westlichen Randstrom führen.

Messdaten belegen, dass sich bereits etwas ändert – und die Forschung konnte Zusammenhänge mit ozeanischen und atmosphärischen Prozessen herstellen, etwa mit der Ausbreitung von Temperatur- und Salzgehaltsanomalien und Schwankungen in Winden und Wärmeflüssen. Um hierbei zwischen Klima- und kurzfristigen Schwankungen zu unterscheiden und ihre ozeanischen und atmosphärischen Antriebe zu identifizieren, sind möglichst langfristige Messreihen erforderlich.

„Seit dem vergangenen Jahr beobachten wir im Nordatlantik eine bisher nie dagewesene Erwärmung, die in Regionen wie der Labradorsee teilweise Werte von mehr als fünf Grad über dem Durchschnitt aufweist“, sagt Dr. Johannes Karstensen, Ozeanograph am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Fahrtleiter der internationalen Expedition MSM129, die am Samstag mit der MARIA S. MERIAN von Rostock aus in den Nordatlantik aufgebrochen ist. Karstensen: „Eine wichtige Frage im Rahmen unserer Expedition wird sein, ob sich diese Wärmeanomalie auch in tieferen Schichten des Nordatlantiks nachweisen lässt und ob sie sich möglicherweise bereits auf die Strömungen auswirkt.“

Um das herauszufinden, werden die Forschenden Daten sammeln, die in Zusammenhang mit einem langjährigen Klimabeobachtungsprogramm stehen: Seit 1997 betreibt das 91̽ vor der Küste Labradors (Kanada) ein Ozean-Observatorium mit sieben Mess-Stationen, verteilt über eine Länge von 120 Kilometern. Die Geräte zeichnen kontinuierlich Daten zu Strömung, Temperatur, Sauerstoff- und Salzgehalt auf – vom Meeresboden bis knapp unter die Meeresoberfläche. Alle zwei Jahre fahren Forschende in die Region, um die Daten auszulesen und entlang der Route vom Schiff aus weitere Proben zu nehmen.

Auf dem Transit von Rostock bis zum ersten Zwischenstopp im kanadischen St. Johns wird die MARIA S. MERIAN außerdem verschiedenste Typen von Unterwegsdaten sammeln. Dabei soll auch getestet werden, wie schnell internationale Datenzentren Zugriff auf die Daten bekommen, um deren Nutzung für Ozean- und Wettervorhersagen zu ermöglichen.

„Der Ozean besitzt Eigenschaften, die die bisherigen Auswirkungen der dramatisch voranschreitenden Klimaerwärmung abmildern“, sagt Karstensen. So hat der Ozean aufgrund seiner hohen Wärmekapazität bisher mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme aufgenommen und speichert diese in zunehmend größeren Tiefen. Doch je mehr sich die Tiefsee verändert, desto weniger kann der Ozean menschengemachte Veränderungen in der Atmosphäre wie die Erwärmung und den Anstieg von Treibhausgasen abmildern. „Irgendwann stößt auch die Kapazität der Tiefsee an ihre Grenzen.“

 

Expedition auf einen Blick:

MARIA S. MERIAN Expedition MSM129

Name: LabSeaFlow2024

Fahrtleitung: Dr. Johannes Karstensen

Datum: 25.05.-06.07.2024

Start: Rostock (Deutschland)

Ende: Reykjavik (Island)

Fahrtgebiet: Nordatlantik/Labradorsee

Die Position des Schiffes und erste Daten können live online über die am 91̽ entwickelte verfolgt werden.

]]>
Presse2024 FB1News FE-PhysOz Ozeanbeobachtung ѱٰöܲԲ Ozean und Klima Expeditionen Klima
news-9435 Tue, 14 May 2024 10:44:00 +0200 CO2-Entnahme: Machbarkeitsstudie bewertet mögliche Maßnahmen für Deutschland /news/article/co2-entnahme-machbarkeitsstudie-bewertet-moegliche-massnahmen-fuer-deutschland 14.05.2024/Leipzig/Kiel. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Dafür müssen Treibhausgasemissionen massiv gesenkt und wirksame Maßnahmen etabliert werden, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Doch welche Methoden zur Entnahme, Bindung und Speicherung sind in den kommenden zwei Jahrzehnten in Deutschland ohne zu große Hürden umsetzbar? Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Federführung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat nun unter Berücksichtigung ökologischer, technologischer, ökonomischer, sozialer, institutioneller sowie systemischer Aspekte eine Machbarkeitsstudie für 14 verschiedene Optionen der Kohlendioxid-Entnahme für Deutschland durchgeführt. Die Forschenden hoffen, dass ihre Studienergebnisse helfen werden, Entscheidungsprozesse und Strategien in Politik, Wirtschaft und Technologieentwicklung weiter voranzureiben. Die Studie ist im Fachmagazin Earth’s Future erschienen. Damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann, müssen zuallererst die Emissionen von Kohlendioxid (CO2) drastisch und dauerhaft gesenkt werden. Maßnahmen für die Kohlendioxid-Entnahme (CDR, englisch: Carbon Dioxide Removal) allein können die großen Mengen, die in Deutschland ausgestoßen werden, nicht entfernen. Man geht davon aus, dass sie ungefähr fünf bis 15 Prozent der heutigen Emissionen ausgleichen können.

Doch wie wirksam und effizient sind die verschiedenen möglichen Maßnahmen eigentlich? Welche Hürden gibt es bei der Einführung? Wie hoch sind die Kosten? Wie umweltverträglich sind sie? Diesen und weiteren Fragen ist ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in seiner aktuellen Studie nachgegangen, in der es die Machbarkeit von 14 in Deutschland umsetzbaren CDR-Maßnahmen untersuchte. Dabei handelt es sich um Maßnahmen der direkten, chemischen Kohlenstoffabscheidung aus der Luft und Speicherung (DACCS, engl.: Direct Air Carbon Capture and Storage), der Bioenergieerzeugung bei gleichzeitiger Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (BECCS, engl.: Bioenergy with Carbon Capture and Storage) sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Kohlenstoffaufnahme durch Ökosysteme.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden einen Bewertungsrahmen, den sie bereits in einer vorangegangenen Studie gemeinsam entwickelt hatten. Dabei wird in sechs unterschiedlichen Dimensionen bewertet: ökologisch, technologisch, ökonomisch, sozial, institutionell und systemisch. „Für eine gute und vergleichbare Einschätzung der Machbarkeit unter Einbeziehung von Risiken und Chancen verschiedener CDR-Maßnahmen müssen ganz unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Da das nicht leicht zu überblicken und zu vergleichen ist, wollten wir mit unserer Studie hier Licht ins Dunkel bringen“, sagt Dr. Malgorzata Borchers vom UFZ und Co-Erstautorin der Studie zusammen mit Dr. Johannes Förster vom UFZ und Dr. Nadine Mengis vom 91̽.

Im Rahmen von Workshops in multidisziplinären Teams der Helmholtz Klima-Initiative ist in die Studie die Expertise von 28 Co-Autor:innenen eingeflossen. „Auf diese Weise stand uns ein unglaublich großes Reservoir an Expert:innenwissen zur Verfügung, mit dem wir den aktuellen Wissensstand zu den untersuchten CDR-Methoden in unserer Studie abbilden konnten“, so Nadine Mengis. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer anschaulichen Bewertungsmatrix im Ampelfarbsystem dargestellt. Rot bedeutet: Die Hürden der Einführung einer CDR-Maßnahme sind in einem bestimmten Bereich (z.B. ökologisch oder ökonomisch) hoch. Gelb bedeutet mittel, grün niedrig.

Die Studienergebnisse zeigen: Zu den „grünen“ CDR-Maßnahmen mit den niedrigsten technologischen Hürden gehören vor allem ökosystembasierte Maßnahmen wie Renaturierung von Seegraswiesen, Anbau von Zwischenfrüchten in der Landwirtschaft, Wiedervernässung von Mooren oder Aufforstung. „Ökosystembasierte Maßnahmen werden insbesondere zur Vermeidung von Emissionen bereits eingesetzt. Dabei tragen sie auch zur Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre bei. Allerdings ist ihr Potenzial begrenzt, da wir in Deutschland von der Fläche her doch sehr eingeschränkt sind und nicht unendlich Moore wiedervernässen oder großflächig aufforsten können“, sagt Johannes Förster. „Dennoch sollten wir diese Synergien natürlich nutzen! Um das Klimaziel zu erreichen, wird es wichtig und notwendig sein, unterschiedliche CDR-Maßnahmen in einem Portfolio an Klimaschutzmaßnahmen zu kombinieren.“

Bei Maßnahmen mit höherem CO2-Entnahme-Potenzial wie etwa BECCS zeigt die Ampelfarbe in der Bewertungsmatrix dagegen in vielen Bereichen rot. „Bei den technologischen CDR-Maßnahmen sind insbesondere die wirtschaftlichen und institutionellen Hürden heute noch sehr hoch“, sagt Prof. Daniela Thrän, die am UFZ das Department Bioenergie leitet. „Da es, was Machbarkeit und Potenziale dieser CDR-Maßnahmen angeht, regionale Unterschiede gibt, wird aus unserer Sicht hier mehr Praxiserfahrung auf regionaler und lokaler Ebene benötigt, um besser zu verstehen, wie die Technologien weiterentwickelt und als Teil lokaler Wertschöpfungsketten etabliert werden können.“ Zwischen den drei Ampelfarben tauchen in der Bewertungsmatrix aber auch immer wieder weiße Flecken auf, die anzeigen, dass es hier bislang keine Daten gibt. „Das ist insbesondere bei den sozialen Bewertungsaspekten der CDR-Maßnahmen der Fall. Wie zum Beispiel die Kosten und Nachteile der CDR-Maßnahmen gesellschaftlich gerecht verteilt werden könnten, deren Umsetzung für die gesamte Gesellschaft von Vorteil ist, muss dringend weiter erforscht werden“, sagt Nadine Mengis.

Die Wissenschaftler:innen hoffen, dass ihre Machbarkeitsstudie für in Deutschland mögliche CDR-Maßnahmen Entscheidungsträger:innen dabei unterstützen kann, die komplexen Informationen besser zu erfassen und einzuordnen. Nur so können die richtigen Weichen gestellt werden, um das Klima-Ziel für 2045 zu erreichen.

Original-Publikation:

Borchers M., Förster J., Thrän D., Beck S., Thoni T., Korte K., Gawel E., Markus T., Schaller R., Rhoden I., Chi Y., Dahmen N., Dittmeyer R., Dolch T., Dold Ch., Herbst M., Heß D., Kalhori A., Koop-Jakobsen K., Li Z., Oschlies A., Reusch Th., Sachs T., Schmidt-Hattenberger C., Stevenson A., Wu J., Yeates C. and Mengis N.: A Comprehensive Assessment of Carbon Dioxide Removal Options for Germany. Earth’s Future; DOI:

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Ozean und Klima Klima Marine Ökosysteme
news-9437 Mon, 13 May 2024 12:11:12 +0200 Internationale Vernetzung zur Epigenetik von Fischen /news/article/internationale-vernetzung-zur-epigenetik-von-fischen 13.05.2024/Kiel. Professorin Dr. Maren Wellenreuther kommt mit einem Forschungs-stipendium für erfahrene Forschende der Alexander von Humboldt-Stiftung aus Neuseeland ans 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Hier möchte sie die deutsch-neuseeländische Vernetzung im Hinblick auf ihr Forschungsthema, der genetischen und epigenetischen Anpassung von Fischen an den Klimawandel, verbessern. Nach rund 20 Jahren im Ausland freut sie sich außerdem, ihre norddeutsche Heimat wiederzuentdecken. Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert mit ihren Forschungsstipendien wissenschaftliche Kooperationen zwischen ausländischen und deutschen Forschenden. Die Förderung ermöglicht Expert:innen aus dem Ausland Aufenthalte an deutschen Forschungseinrichtungen, um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten – dort, wo sie die besten Voraussetzungen für dessen Umsetzung sehen. Im April konnte das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel eine neue Stipendiatin aus Neuseeland begrüßen: Professorin Dr. Maren Wellenreuther wird im Rahmen von drei mehrmonatigen Aufenthalten in den kommenden Jahren mit Professor Dr. Thorsten Reusch im Forschungsbereich Marine Ökologie zusammenarbeiten.

Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes freut sich, sie am 91̽ willkommen heißen zu können: „Professorin Dr. Maren Wellenreuther bereichert unser Forschungszentrum nicht nur durch ihre exzellente Expertise, sondern auch durch die internationale Perspektive, die sie mitbringt. Ihr Beitrag zur Forschung und zur globalen Vernetzung unseres Instituts wird zweifellos von unschätzbarem Wert sein. Ich möchte daher der Alexander von Humboldt-Stiftung meinen Dank für das Engagement und die Förderung aussprechen, sowie meinen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihrer Gastfreundschaft diese Zusammenarbeit ermöglichen."

Für Dr. Maren Wellenreuther gab es gleich an ihrem ersten Tag in Kiel ein besonderes Wiedersehen: Die ALKOR, eines der beiden vom 91̽ betriebenen Forschungsschiffe, lag an der Pier direkt vor ihrem neuen Arbeitsplatz. „Auf der ALKOR bin ich vor mehr als 20 Jahren mitgefahren, als ich in Hamburg Biologie mit dem Schwerpunkt Fischereiwissenschaft studiert habe“, erinnert sie sich. Seitdem hießen ihre akademischen Stationen unter anderem Adelaide (Australien), Lund (Schweden) und schließlich Auckland und Nelson (Neuseeland), wo sie zuerst ihre Doktorarbeit abgeschlossen hat, und jetzt seit 2014 am Neuseeländischen Institut für Pflanzen- und Lebensmittelforschung (New Zealand Institute for Plant and Food Research) forscht und an der Universität von Auckland lehrt.

Sie ist mit einem Humboldt-Forschungsstipendium für erfahrene Forschende ans 91̽ gekommen. Das Programm erlaubt es überdurchschnittlich qualifizierten Wissenschaftler:innen aus dem Ausland, ein selbst gewähltes langfristiges Forschungsvorhaben an einer Forschungseinrichtung in Deutschland in Kooperation mit dem wissenschaftlichen Gastgeber durchzuführen. Das Stipendium kann flexibel in bis zu drei Aufenthalte innerhalb von drei Jahren aufgeteilt werden. Und so wird Dr. Wellenreuther mit ihrer Familie in den kommenden drei Jahren jeweils von April bis Juni in Kiel wohnen.

„Die Infrastruktur hier ist natürlich toll“, sagt sie mit Blick auf die Klimakammern und Speziallabore des neuen 91̽-Gebäudes, „aber ich werde die meiste Zeit am Schreibtisch arbeiten.“ Gemeinsam mit ihrem wissenschaftlichen Gastgeber, Professor Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie, wird sie ihren ersten Forschungsaufenthalt nutzen, um eine gemeinsame Publikation vorzubereiten. Beide verbindet das Thema Genetik und Epigenetik sowie die Rolle genetischer und epigenetischer Variation bei der Anpassung von Arten an neue Umwelteinflüsse, was ihr Wachstum und Gedeihen ermöglicht.

Dazu möchte Dr. Wellenreuther in ihrem Projekt „SOS Adapt“  (The Substrate Of Species Adaptation in a Warming Ocean, Die Grundlage für die Anpassung der Arten in einem sich erwärmenden Ozean) untersuchen, ob Meereslebewesen das genetische Potenzial haben, sich an den Klimawandel anzupassen, und welche Rolle die epigenetische Variation dabei spielt. Während sich die Genetik auf die DNA-Sequenz bezieht, die von den Eltern vererbt wird, bezieht sich die Epigenetik auf die Veränderungen, die im Laufe des Lebens an der DNA vorgenommen werden können, ohne die zugrunde liegende Sequenz zu verändern. Diese Veränderungen können durch eine Vielzahl von Umweltfaktoren beeinflusst werden. Sowohl auf deutscher als auch auf neuseeländischer Seite gibt es viel Wissen und umfangreiche Datensätze dazu, die gemeinsam neue Erkenntnisse ermöglichen.

„Mich interessiert besonders der Austausch – worin sind unsere Gruppen besonders gut, was können wir voneinander lernen?“, sagt Dr. Wellenreuther. In Neuseeland habe man zum Beispiel viel Erfahrung in Forschung zu Fischerei und Aquakultur gesammelt, auch mit der Optimierung der Haltung von Arten und der automatisierten Erfassung von Merkmalen mittels Künstlicher Intelligenz. „Diese Daten sind entscheidend, um sie mit dem genetischen Datensatz zu verknüpfen.“

Daneben ist sie generell neugierig darauf, was in der Forschung in Deutschland, in Europa gerade wichtig ist: „Was sind die großen Fragen, die strategisch wichtigen Aufgaben für die Wissenschaft? Darauf habe ich nach gut 20 Jahren im Ausland eine ganz andere Perspektive.“

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB3News Ozean und Klima Lebensraum Ozean Klima Marine Ökosysteme
news-9421 Fri, 26 Apr 2024 14:02:00 +0200 Meeresdaten in der Anwendung: Hackathon auf São Vicente /news/article/meeresdaten-in-der-anwendung-hackathon-auf-sao-vicente 26.04.2024/Kiel. Die Helmholtz School for Marine Data Science (MarDATA) hat erstmals eine Projektwoche auf der kapverdischen Insel São Vicente organisiert. Dort trafen zwölf Doktorand:innen mit Studierenden des Master-Programms „Climate Change and Marine Sciences“ zusammen, um in einem so genannten Hackathon digitale Lösungen zu entwickeln, mit denen Meeresdaten für lokale Interessengruppen und die wissenschaftliche Gemeinschaft besser nutzbar gemacht werden können. Die Ergebnisse reichten von einer Fischerei-App mit Notruffunktion bis zur Entwicklung eines Konzeptes für einen „Digitalen Zwilling Cabo Verde“. Wilde Küsten, kristallklares Wasser und eine faszinierende Unterwasserwelt – dafür sind die Kapverdischen Inseln bei Reisenden, die gerne tauchen, wandern oder den Urlaub am Strand verbringen bekannt. Aber auch für viele Forschende ist der Archipel westlich des Senegal von großer Bedeutung: Das Ökosystem, das vom Küstenauftrieb vor Westafrika genährt wird, zählt zu den produktivsten und wirtschaftlich bedeutendsten der Welt. Seit vielen Jahren versuchen Wissenschaftler:innen hier dem Ozean seine Geheimnisse zu entlocken und Lösungen für Herausforderungen wie den Klimawandel zu finden. Eines der wichtigsten Produkte ihrer Arbeit sind Meeresdaten.

Um das enorme Potenzial dieser Datensätze zu erkunden, hat die Helmholtz School for Marine Data Science (MarDATA) eine Projektwoche auf der kapverdischen Insel São Vicente organisiert. Vom 10. bis 18. März trafen sich zwölf MarDATA-Doktorand:innen mit Studierenden des lokalen WASCAL-Masterstudiengangs „Climate Change and Marine Sciences“ und lokalen Wissenschaftler:innen am Ocean Science Centre Mindelo, das vom 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gemeinsam mit dem kapverdischen Partner Instituto do Mar (IMar) betrieben wird. Das Ziel der Projektwoche: gemeinsam Ansätze und Lösungen in einem so genannten Hackathon (Wortschöpfung aus „to hack“ und „Marathon“) zu entwickeln, die den Wert von Meeresdaten sowohl für lokale Interessengruppen als auch für die wissenschaftliche Gemeinschaft hervorheben.

Dr. Enno Prigge, wissenschaftlicher Koordinator der MarDATA am 91̽, hat die Projektwoche initiiert und ist begeistert von den Ergebnissen: „Wir hatten drei herausfordernde Aufgaben vorbereitet, und was die Teams hier nach intensiven Arbeitstagen präsentiert haben, kann sich wirklich sehen lassen!“

Eine Aufgabe bestand darin, eine App für die lokale Fischerei zu verbessern, die es erleichtern soll, zum Beispiel Fangdaten mit dem Smartphone zu erfassen und in das lokale Fischereimanagement einfließen zu lassen. Bei einem Besuch in der kleinen Gemeinde Calhau im Osten der Insel erfuhren die jungen Datenwissenschaftler:innen, dass sich die Fischenden neben der Erfassung von Fangdaten auch eine Notruffunktion wünschen würden. Bis zum Ende der Projektwoche hatten sie die Datenverarbeitung der Smartphone-App automatisiert und zusätzlich um die gewünschte Notruffunktion erweitert.

Die zweite Herausforderung betraf die Nährstoffversorgung der reichen Meeresbiologie rund um die Kapverdischen Inseln. Zwei der wichtigsten Quellen sind der Küstenauftrieb und der Eintrag von Staub, hauptsächlich aus der Sahara. Während ein Team eine interaktive Visualisierung entwickelte, die Staub-, Plankton- und andere Umweltdaten kombiniert, arbeitete ein anderes Team an der Erkennung und Vorhersage von Auftriebsereignissen mit Hilfe von maschinellem Lernen.

Aufgabe Nummer drei baute auf den vorherigen auf: Es sollte ein Konzept für einen „Digitalen Zwilling Cabo Verde“ entwickelt werden. Digitale Zwillinge des Ozeans bestehen aus Simulationen des Ozeans, die den realen Ozean abbilden. Der Ozean und seine Simulation sind dabei im Digitalen Zwilling durch Informationsaustausch verknüpft: Im realen Ozean wird beobachtet und gemessen – aus dem simulierten Ozean werden Handlungsempfehlungen für einen Ozean der Zukunft abgeleitet. Bei der Entwicklung des Konzepts sollten insbesondere lokale Interessen berücksichtigt werden sowie die Möglichkeit für Nutzer:innen geschaffen werden, ausgewählte Datensätze zu erkunden und eigene Daten hochzuladen.

„Während der Projektwoche konnten die Teilnehmenden ihr Verständnis für grundlegende meereswissenschaftliche Prozesse sowie die vorhandenen Datenanalyse-Fähigkeiten in einem neuen, unbekannten und interdisziplinären Umfeld austesten,“ fasst Arne Biastoch, Professor für Ozeandynamik und Sprecher der MarDATA am 91̽ die Veranstaltung zusammen. „Die Nähe zur Anwendung sowie die Zusammenarbeit mit dem WASCAL-Masterprogramm und den lokalen Stakeholdern ist für beide Seiten ein enormer Gewinn – für die MarDATA-Promovierenden und die lokalen Partner.“

Auch die Teilnehmenden sind mit der Woche hochzufrieden. Neben dem spannenden wissenschaftlichen Austausch ist es vor allem die enge Zusammenarbeit über Statusgruppen und kulturelle Unterschiede hinweg, die in Erinnerung bleiben wird. Schon jetzt freuen sich Alle auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr, wenn die Studierenden des WASCAL-Programms im Rahmen ihrer Ausbildung mit dem Forschungsschiff POLARSTERN als „Floating University“ in Deutschland anlegen werden.

 

Hintergrund MarDATA

Die „Helmholtz School for Marine Data Science“ (MarDATA) bildet Meeresdaten-Wissenschaftler:innen aus. Nachwuchsforschende aus Computerwissenschaft, Informatik und Mathematik arbeiten gemeinsam an marinen Themen, von der Modellierung auf Supercomputern, (Bio-) Informatik und Robotik bis hin zu Statistik und Big-Data-Methoden. Betreut werden sie von Wissenschaftler:innen des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Zusammenarbeit mit den Universitäten Kiel und Bremen. Die breite interdisziplinäre Ausbildung in Blockkursen, Sommerschulen und Kolloquien soll den innovativen Umgang mit meereswissenschaftlichen Daten fördern.

Hintergrund WASCAL

Das WASCAL (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use) ist ein Forschungszentrum in Westafrika, das dabei helfen soll, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen und die Widerstandsfähigkeit von Menschen und Ökosystemen zu verbessern. WASCAL stärkt die regionale Forschungsinfrastruktur zum Thema Klimawandel. Dafür arbeiten zwölf westafrikanische Länder und Deutschland zusammen. Das Zentrum wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert und von westafrikanischen und deutschen Partnern umgesetzt.

Der WASCAL-Masterstudiengang „Climate Change and Marine Sciences“ an der kapverdischen Universidade Técnica do Atlantico (UTA) wird vom Nationalen Institut für Fischereientwicklung (Instituto Nacional de Desenvolvimento das Pescas, INDP) von Cabo Verde in Zusammenarbeit mit deutschen Partnern wie dem 91̽, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Thünen-Institut durchgeführt. Die Kooperation vermittelt wissenschaftliche und akademische Fähigkeiten im Bereich Klima, Meereswissenschaften und Management auf internationaler und regionaler Ebene in Westafrika im Kontext des Klimawandels.

]]>
Aktuelles2024 Top_Slider Cabo Verde Auftrieb Ozean und Klima Klima Ozean
news-9404 Tue, 16 Apr 2024 13:31:00 +0200 Breites Engagement zur nachhaltigen Entwicklung und Zusammenarbeit /news/article/breites-engagement-zur-nachhaltigen-entwicklung-und-zusammenarbeit 16.04.2024/Kiel. Auf der Konferenz zur Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen diskutierten mehr als 1500 Aktive aus aller Welt in der spanischen Küstenstadt Barcelona Prioritäten für ihre zukünftige Zusammenarbeit. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel trug vor Ort wichtige Forschungsinhalte bei. Die Delegation um Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes stellte verschiedene Projekte mit Bezug zur Ozeandekade vor und baute seine Netzwerke aus. Besonders groß war das Interesse am Forschungsvorhaben FUTURO zur Zukunft der Auftriebsgebiete im tropischen Atlantischen Ozean. Drei Jahre nach Beginn der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zogen mehr als 1500 Beteiligte aus Wissenschaft, Politik, Nicht-Regierungsorganisationen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Einrichtungen der Vereinten Nationen jetzt auf einer Konferenz in der spanischen Küstenstadt Barcelona eine erste Bilanz. Die Abschlusserklärung hob den Bedarf an angemessener Infrastruktur, globaler Ozeanbeobachtung und eines gleichberechtigen Zugangs zu Daten, gemeinsamer Wissensproduktion und allgemeiner Zurverfügungstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse hervor. Zudem wurde die Notwendigkeit betont, diese Prioritäten in die regionale und nationale Arbeit einfließen zu lassen. Ein besonderes Augenmerk soll auf weniger entwickelten Ländern und unterrepräsentierten gesellschaftlichen Gruppen liegen.

Vor Ort beteiligt war eine achtköpfige Delegation des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Gruppe um Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes brachte sich in zahlreiche Veranstaltungen auf der Konferenz ein und erweiterte ihre internationalen Netzwerke.

Das 91̽ leitet die Ozeandekaden-Programme „Global Ocean Oxygen Decade“ (GOOD) zu Sauerstoff-Verlust im Ozean und „Digital Twins of the Ocean“ (DITTO) zu digitalen Ozeanzwillingen – Modellen und Visualisierungen, welche die gesellschaftliche Entscheidungsfindung zur Zukunft des Ozeans unterstützen. Darüber hinaus ist das Zentrum an verschiedenen Programmen und Projekten der Dekade beteiligt, die von 2021 bis 2030 läuft.

Die Innovationsplattform „Einen Ozean der Möglichkeiten schaffen“ (Shaping an Ocean Of Possibilities, SOOP) liefert ebenfalls wichtige Beiträge zu den Zielen der Ozeandekade: Sie soll nachhaltige Strukturen und Technologien für Meeresbeobachtung gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteur:innen entwickeln, die globale Nutzbarkeit von Ozeandaten zu verbessern und somit das Wissen über den Ozean ausbauen.

„Wir sind mit einer breiten Palette an Themen nach Barcelona gereist und haben zu Veranstaltungen mit Fokus auf einer nachhaltigen global umfassenden Ozeanbeobachtung ebenso beigetragen wie zur Diskussion über Möglichkeiten, digitale Ozeanzwillinge – Modelle für die Visualisierung von Szenarien zur Zukunft des Ozeans – für die gesellschaftliche Entscheidungsfindung zu nutzen“, berichtet Professorin Matthes. „Die Konferenz hat uns außerdem darin bestärkt, unser auf Langfristigkeit ausgelegtes Engagement in Afrika fortzuführen. Das große Interesse an einer Zusammenarbeit, die Erfahrungen und das umfangreiche Wissen vieler möglicher neuer Partner aus Afrika haben uns besonders beeindruckt. Dies spornt uns an, uns weiter für die Forschung zur nachhaltigen Entwicklung einzusetzen und unser Engagement noch weiter auszubauen. Den Ozean schützen und nachhaltig nutzen können wir nur in einer gemeinsamen Anstrengung. Die Ozeandekade schafft die Netzwerke dafür, und wir sind dankbar, in verschiedenen Kooperationen zum gemeinsamen Fortschritt beitragen zu dürfen.“

Dank einer seit fast 20 Jahren bestehenden Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Politik und der Gesellschaft in Cabo Verde blickt das 91̽ auf ein breites Engagement in der westafrikanischen Region zurück. Gemeinsam mit dem Instituto do Mar (IMar) und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gründete das 91̽ 2017 auf der kapverdischen Insel São Vicente das Ocean Science Centre Mindelo (OSCM) als zentrale Plattform für Feldforschung, Wissensaustausch und Logistik. In Mindelo wird auch das internationale Masterprogramm „Climate Change and Marine Sciences“ für junge Forschende aus Westafrika angeboten. Das BMBF fördert dieses Programm der Universidade Técnica do Atlântico (UTA), des OSCM und des 91̽ im Rahmen des West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use (WASCAL). Diese Vorhaben in der Region sind eng mit den Zielen der Ozeandekade verknüpft und tragen maßgeblich zu deren Erreichung bei.

Rund um Cabo Verde planen das 91̽ und seine regionalen Partner derzeit eine ganzjährige Forschungsmission, die auf der Konferenz in Barcelona viel Aufmerksamkeit und Interesse erhielt: Das Vorhaben „Die Zukunft der Auftriebsgebiete im tropischen Atlantischen Ozean“ (Future of Tropical Upwelling Regions in the Atlantic Ocean, FUTURO) bringt Forschende unterschiedlichster Disziplinen zusammen, um neue Erkenntnisse zu Veränderungen in der sowohl global als auch regional wichtigen Meeresregion zu gewinnen – eine Region, welche bisher für rund ein Viertel des globalen Fischfangs verantwortlich ist und somit die Ernährungssicherheit vieler Menschen sichert. Das in FUTURO erzeugte Wissen soll Entscheidungsträger:innen helfen, ein nachhaltiges Management für dieses bedeutsame Ökosysteme aufzubauen.

„Wir haben viel positive Rückmeldungen zu FUTURO erhalten und konnten wichtige Kontakte zu Forschungseinrichtungen und Stiftungen knüpfen, die sich am Projekt beteiligen möchten“, berichtet Professor Dr. Arne Körtzinger, wissenschaftlicher Direktor des OSCM und Koordinator von FUTURO. „Besonders dankbar sind wir für den vertieften Austausch mit der Taskforce für die Umsetzung der Ozeandekade in Afrika und dem afrikanischen Zweig der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission zu FUTURO. Bei unserer gemeinsam organisierten Veranstaltung ‘Looking Seaward: African Oceans and the Ocean Decade Narrative‘ konnten wir auf der Konferenz richtungsweisende Ideen zur gemeinsamen Definition des Forschungsbedarfs und zur Einbindung wichtiger Akteur:innen in der Region diskutieren. Auch für WASCAL haben wir neue Impulse mitgenommen und werden das Programm weiter an der Vision der Ozeandekade ausrichten.“

Seit 2023 ist die Kontaktstelle des Deutschen Komitees der Ozeandekade am 91̽ beheimatet – ein wichtiger Knotenpunkt für nationales und internationales Engagement in der Ozeandekade. „Mit anderen nationalen Komitees konnten wir zahlreiche Synergien für die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ländern herausarbeiten und neue strategische Anregungen erhalten“, berichtet Dr. Ulrike Heine, Leiterin der Kontaktstelle am 91̽. „Besonders wichtig erschien hier der inklusive Ansatz und das Bestreben, junge Akteur:innen wie die Early Career Ocean Professionals (ECOPs) deutlich stärker als zuvor einzubinden.“

]]>
Aktuelles2024 Transfer Presse2024 Top_Slider FB-News Cabo Verde Klima Marine Ökosysteme Ozean
news-9379 Fri, 22 Mar 2024 12:00:00 +0100 Auf Kurs für eine gesündere Ostsee /news/article/auf-kurs-fuer-eine-gesuendere-ostsee 22.03.2024/Kiel. Der Ostsee geht es durch Übernutzung und Effekte des Klimawandels zunehmend schlechter. Aber der am Dienstag von der Landesregierung vorgestellte „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ gibt Hoffnung auf eine Trendumkehr in Schleswig-Hosteinischen Gewässern. Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel begrüßt die Ansätze zum Schutz und den integrativen Ansatz für die weitere Umsetzung, weist aber auch auf die Bedeutung der konsequenten Umsetzung sowie der Erfolgskontrolle von Schutzmaßnahmen hin. Der am Dienstag von Ministerpräsident Daniel Günther und Umweltminister Tobias Goldschmidt vorgestellte „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ gibt den Kurs der Landesregierung für eine gesündere, sauberere und artenreichere Ostsee vor. Geplant sind unter anderem ein strenger Schutz für 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee und striktere Regelungen für bestehende „Natura 2000“-Gebiete, gezielte Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt, weitere Schritte zur Reduzierung der Nährstoffeinträge von Land sowie aktive und finanzielle Beiträge zur Munitionsbergung. Ebenfalls im Aktionsplan enthalten sind ein Programm zur Umweltbildung sowie Ansätze zur Einbindung aller wichtigen Akteur:innen und zur wissenschaftlichen Begleitung der Umsetzung.

„Wir begrüßen die weitreichenden Planungen und tragen sehr gern weiterhin unser Wissen und unsere Erfahrung zum Schutz des Meeres vor unserer Haustür bei“, betont Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Mitglied im Vorstand der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). „Die Ostsee zeigt schon jetzt viele Veränderungen, die anderen Meeresregionen im Zuge des Klimawandels und aufgrund anderer menschlicher Einflüsse noch erst bevorstehen. Der jetzt vorgestellte Aktionsplan hilft, ihren Zustand zu verbessern und zu erhalten. Die erfolgreichen Schutzmaßnahmen in Schleswig-Holstein könnten dann auch anderen Ländern als Beispiel dienen.“

Für die Umsetzung empfehlen die Forschenden insbesondere, die Einhaltung der Schutzregeln effektiv zu kontrollieren. Um Erfolge der geplanten Maßnahmen zu messen und gegebenenfalls nachjustieren zu können, sollte nun der Ist-Zustand gezielter erfasst und das bestehende wissenschaftliche Monitoring konsequent verbessert werden. Verschiedene Forschungsaktivitäten auch in den Schutzgebieten sind essentiell um aktuelle Wissenslücken zu schließen und die Grundlagen für effektive Schutzmaßnahmen kontinuierlich zu stärken.

„Ein erfolgreicher Ostseeschutz erfordert gemeinsame Anstrengungen und eine kluge Abwägung unterschiedlichster Interessen“, so Professorin Matthes. „Die Wissenschaft kann wichtige Hinweise für den Schutz und die nachhaltige Nutzung beisteuern und eine stetige Steigerung unserer gemeinsamen Ambitionen unterstützen. Wir alle kennen den Wert der Ostsee – und den wollen wir bewahren helfen.“

Mit den monatlichen Messungen an der Station Boknis Eck am Eingang der Eckernförder Bucht hat das 91̽ Veränderungen in der Ostsee seit mehr als 65 Jahren im Blick. Seit Beginn dieser Zeitserie ist die Temperatur dort in einem Meter Tiefe bereits um zwei Grad Celsius angestiegen. Und obwohl die Nährstoffeinträge langsam sinken, werden Phasen mit extremer Sauerstoffarmut häufiger und länger. „Unsere Zeitserie belegt eindeutig, wie stark wir Menschen unser Binnenmeer beeinflussen. Wir haben hier den Finger am Puls des Patienten Ostsee“, erklärt Dr. Helmke Hepach, Umweltwissenschaftlerin am 91̽. „Daher stellen diese Informationen auch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Aktionsplans dar. Sie könnten auch zukünftig ins Monitoring einfließen. In unserer Forschung werden wir Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz für das Ergreifen effektiver Schutzmaßnahmen erproben und deren Umsetzbarkeit gemeinsam mit Stakeholdern aus der Region erarbeiten.“

Auch die regelmäßigen Expeditionen des 91̽ und verschiedener Partner-Einrichtungen mit dem Forschungsschiff ALKOR tragen zu integrativen Langzeitdatenreihen zum Zustand der Ostsee bei. Zweimal jährlich erfassen Forschende die Entwicklung wichtiger Fischbestände wie Dorsch und Hering samt deren Lebensgrundlagen. „Wir sehen deutlich, wie eine Kombination von Stressfaktoren Fischbestände und Ökosysteme in der Ostsee bedroht. Für ihre Wiederherstellung ist es wichtig, das gesamte Nahrungsnetz zusammen mit den Umweltbedingungen zu betrachten“, sagt Dr. Jan Dierking, Meeresbiologe am 91̽ und Fellow der Björn Carlsons Ostseestiftung. „Modellsimulationen des 91̽ nutzen diese umfangreiche Datengrundlage dann, um Lösungswege aufzeigen – auch für politische Entscheidungsprozesse wie zum Ostseeschutz.“

Zur Wiederherstellung der Artenvielfalt tragen auch die Renaturierung und der Schutz von Seegraswiesen bei, die im Aktionsplan vorgesehen sind. Gleichzeitig helfen sie dem Meer, Kohlendioxid zu speichern und Krankheitserreger aus dem Wasser zu filtern. „Das 91̽ beteiligt sich an verschiedenen Projekten zur Renaturierung von Seegraswiesen und untersucht genetische Grundlagen für die Fähigkeiten zur Anpassung an den Klimawandel“, erklärt Professor Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am 91̽. „Mit dem Wissen darüber, wo in der Ostsee Seegraswiesen, Muschelbänke, Steinriffe und andere Strukturen Artenvielfalt fördern, können Schutzgebiete effektiv zugeschnitten werden. Wichtig wäre jedoch, die Schutzgebiete zu vernetzen und dabei eine internationale Perspektive einzunehmen.“

Eine führende Rolle besitzt das 91̽ auch in der Forschung zu Munitionsaltlasten in der Ostsee. Mehrere Projekte tragen zum dringend nötigen Fortschritt bei. Seit 2016 werden Möglichkeiten untersucht, um Munition am Meeresboden aufzufinden und zu kartieren. Aktuelle Projekte konzentrieren sich auf Wege für eine gefahrlose Bergung und Vernichtung. „Dank des Sofortprogramms der Bundesregierung und der Beiträge des Landes Schleswig-Holstein können wir noch in diesem Jahr aktiv werden“, sagt Professor Dr. Jens Greinert, Leiter der Arbeitsgruppe Tiefseemonitoring am 91̽ und Leiter des Forschungsverbunds CONcepts for conventional MArine Munition Remediation in the German North and Baltic Sea (CONMAR, Konzepte zur Sanierung konventioneller Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee) in der Forschungsmission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ (sustainMare) der Deutschen Allianz Meeresforschung. „Im Rahmen von CONMAR begleiten wir die Räumung und verfeinern unser Wissen über das Monitoring von Umwelteinflüssen. Auf dieser Grundlage können dann im Dialog mit Politik und Wirtschaft Konzepte für großflächigere Einsätze entwickelt werden. Direkte Untersuchungen sowie unter anderem biologische und chemische Analysen werden parallel und für das Sofortprogramm durchgeführt. Dadurch gewinnen wir die nötigen Daten um eine gute Aussage über die Umwelteinflüsse während und nach einer größeren Munitionsbergung machen zu können.“

]]>
Aktuelles2024 Transfer Presse2024 Top_Slider FB-News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Seegras Fischereiforschung Ozeanbeobachtung Munition im Meer Ozean und Klima Lebensraum Ozean Ostsee Klima Marine Ökosysteme Ozean
news-9366 Mon, 04 Mar 2024 11:30:00 +0100 Kohlendioxid mit Hilfe des Ozeans speichern – aber sicher /news/article/kohlendioxid-mit-hilfe-des-ozeans-speichern-aber-sicher 04.03.2024/Kiel. Mit den jetzt veröffentlichten Eckpunkten für die deutsche Carbon Management Strategie und dem Entwurf zur Änderung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes unternimmt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz einen gewichtigen Schritt zur Umsetzung von Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid unter dem Meeresboden. Auch die kürzlich bekanntgegebenen Eckpunkte zur Langfriststrategie Negativemissionen treiben die Entwicklung in Richtung Klimaschutz weiter voran. Erkenntnisse des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel tragen zur politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsfindung bei. Mit zwei Eckpunkte-Papieren konkretisiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sein Engagement für den Klimaschutz und Initiativen zum Ausgleich derzeit nicht vermeidbarer Kohlendioxid-Emissionen, insbesondere Emissionen aus Zementproduktion und Abfallverbrennung. Neben den Eckpunkten für die deutsche Carbon Management Strategie und dem Entwurf zur Änderung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes wurden auch Eckpunkte zur Langfriststrategie Negativemissionen zum Umgang mit nicht vermeidbaren Restemissionen (LNe) bekannt gegeben. Die adressierten Maßnahmen ergänzen die dringend notwendige drastische Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes.

Das 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel besitzt eine mehr als 15 Jahre lange Expertise in der Forschung zur Speicherung von Kohlendioxid (CO2) unter dem Meeresboden. Außerdem beteiligen sich Wissenschaftler:innen des 91̽ an einer Vielzahl nationaler und internationaler Forschungsprojekte zur Kohlendioxid-Aufnahme im Ozean. Die Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ (CDRmare) der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) wird am 91̽ koordiniert. Im Rahmen von CDRmare untersuchen sechs Forschungsverbünde verschiedene Ansätze im engen Dialog mit Stakeholdern.

Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid im Meeresboden

Die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) wurde entwickelt, um klimaschädliche Emissionen an ihrer Quelle einzufangen und im Untergrund einzulagern. Wissenschaftlichen Arbeiten der vergangenen Jahre zufolge ist die CCS-Technologie ausreichend erforscht und einsetzbar. Im tiefen Untergrund der Nordsee wird sie bereits seit Jahrzehnten unter norwegischen Gewässern praktiziert. Unter der deutschen Nordsee existieren ebenfalls Gesteinsformationen, in denen sich große Mengen CO2 speichern ließen. Überwachungs- und Vorsorgekonzepte sowie Strategien zum Umgang mit möglichen Konflikten durch andere Nutzungsformen der Nordsee sind nötig, um Risken zu minimieren und Gefährdungen auszuschließen.

„Die Bekanntgabe der Eckpunkte ist ein erster wichtiger Schritt. In den kommenden Monaten wird dann die Carbon Management Strategie der Bundesregierung veröffentlicht, in der klar definiert wird, für welche Sektoren wir CCS benötigen und einsetzen wollen. Gleichzeitig wird ein Gesetzentwurf zur CO2-Speicherung und zum CO2-Transport in den Bundestag eingebracht. Sobald das Gesetz in Kraft getreten ist, können die Firmen aktiv werden und ihre CCS-Pläne in die Tat umsetzen“, erklärt Professor Dr. Klaus Wallmann. Der Kieler Geowissenschaftler leitet den Forschungsverbund „Submarine Kohlendioxid-Speicherung in Geologischen Formationen der Deutschen Nordsee“ (GEOSTOR) der Forschungsmission CDRmare und ist Mitglied im Expertenrat der Carbon Management Strategie.

Allerdings liege noch ein längerer Weg vor den Beteiligten, so Professor Wallmann: „Geeignete Standorte für die CO2-Speicherung unter der Nordsee müssen gefunden und genau erkundet werden, die Infrastruktur für den CO2-Transport muss geplant und gebaut werden und die Abscheideanlagen an Zement- und Kalkwerken oder Abfallverbrennungsanlagen müssen konstruiert werden. Zudem werden öffentliche Fördermittel benötigt, um die ersten CCS-Projekte finanziell zu unterstützen. Es wird daher wahrscheinlich noch etwa zehn Jahre dauern, bis es wirklich losgeht und CO2 im industriellen Maßstab unter dem Meeresboden der deutschen Nordsee eingebracht wird.“

Negative Emissionen mit Hilfe des Ozeans

Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird die Langfriststrategie Negativemissionen zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen (LNe) Ansätze adressieren, mit deren Hilfe bis 2045 eine Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden soll. Unter den im jetzt veröffentlichten Eckpunkte-Papier betrachteten Methoden sind für den marinen Bereich etwa die Erhaltung und Renaturierung von Seegraswiesen und Algenwäldern sowie eine beschleunigte Verwitterung genannt – im Ozean als Alkalinitätserhöhung bezeichnet. Während natürliche CO2-Speicher durch unmittelbare Maßnahmen direkt gestärkt werden können, sind für andere Ansätze zunächst Rahmenbedingungen für eine Erforschung der Chancen und Risiken zu schaffen.

Um auf das wachsende Interesse und zunehmende Aktivitäten im Bereich der ozeanbasierten Kohlendioxid-Entnahme zu reagieren, haben internationale wissenschaftliche Netzwerke unter leitender Beteiligung des 91̽ Leitfäden für eine transparente und nachhaltige Forschung erarbeitet. In einem dreiteiligen Experiment unter Leitung des 91̽ im Rahmen des internationalen Projekts Ocean Alk-Align untersuchen Wissenschaftler:innen aus verschiedenen meereswissenschaftlichen Disziplinen in diesem Jahr, wie marine Ökosysteme auf eine Erhöhung der Alkalinität durch beschleunigte Verwitterung reagieren. Vergleichbare Experimente fanden bereits im Rahmen der Forschungsmission CDRmare und des Projekts Ocean-based Negative Emission Technologies (OceanNETs) statt. Darüber hinaus laufen in der Kieler Förde kontinuierlich Experimente zur Renaturierung von Seegraswiesen.

„Da viele Start-Ups die Kommerzialisierung von ozeanbasierter Kohlendioxid-Entnahme vorantreiben, sind wir gefordert, die Forschung und eventuelle spätere Anwendung auf eine verantwortungsvolle Basis zu stellen. Dazu haben wir neben eigener Forschung auch gerade einen ‚Best Practices Guide to Ocean Alkalinity Enhancement Research‘ veröffentlicht, um die Transparenz jeglicher Forschung – auch von Start-Ups – und einen beschleunigten Wissensgewinn zu erreichen. Im Vordergrund der Bemühungen muss aber weiterhin stehen, unsere Emissionen drastisch zu senken“, erklärt Professor Dr. Andreas Oschlies. Der Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung ist Ko-Leiter der Forschungsmission CDRmare. „Die in den Eckpunkte-Papieren und Strategien betrachteten Ansätze können zusammen höchstens zehn Prozent unserer derzeitigen Emissionen ausgleichen – 90 Prozent müssen wir vermeiden, und dabei benötigen wir ein deutlich ambitionierteres Vorgehen.“

„Forschende des 91̽ tragen mit ihren Erkenntnissen in nationalen und internationalen Projekten maßgeblich zur politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsfindung im Bereich des ozeanbasierten Klimaschutzes bei. Die Bandbreite unserer Forschung umfasst dabei naturnahe Ansätze für die CO2-Aufnahme im Meer wie die Renaturierung von Seegraswiesen, Verfahren mit Bezug zur Ozeanchemie wie die Alkalinitätserhöhung sowie die Speicherung von Kohlendioxid im Meeresboden und geologischen Formationen“, erklärt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des 91̽. „Im Dialog mit der Politik und anderen Stakeholdern bringen wir unsere Expertise zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme ein. Mit den jetzt veröffentlichten Eckpunkten ist der Weg im Kampf gegen den Klimawandel skizziert, und wir bleiben sehr gern auch bei den folgenden Schritten involviert.“

]]>
Transfer Presse2024 Top_Slider FB-News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Ozean und Klima Klima Marine Ökosysteme
news-9345 Mon, 19 Feb 2024 10:00:00 +0100 Der Ozean als Verbündeter im Klimaschutz: Wie beeinflusst marine Alkalinitätserhöhung das Leben im Meer? /news/article/der-ozean-als-verbuendeter-im-klimaschutz-wie-beeinflusst-marine-alkalinitaetserhoehung-das-leben-im-meer 19.02.2024/Kiel. In einem heute beginnenden mehrwöchigen Experiment unter Leitung des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersuchen Wissenschaftler:innen, inwieweit der Eintrag von Gesteinsmehl dem Ozean helfen kann, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen und den Klimawandel zu mindern. Dafür verankern sie zwölf abgeschlossene Versuchstanks im Wasser am Anleger vor dem Kieler Aquarium. Mit Hilfe kontrollierter Versuche möchten sie besser abschätzen, welche Auswirkungen die Gesteinsmehl-Zugabe auf die Meeresumwelt hat. Die Versuchsreihe ist die erste von dreien, die 2024 im Rahmen des internationalen Projekts Ocean Alk-Align in der Förde stattfinden. Das im Pariser Klimaabkommen erklärte Ziel, die globale Klimaerwärmung auf möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und damit verbundene Risiken des Klimawandels zu reduzieren, ist eine Generationenaufgabe, die nicht allein durch Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen zu bewältigen ist. Zusätzlich müssen auch Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um Kohlendioxid (CO2) aus unvermeidlichen Restemissionen aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen. Einer der aktuell diskutierten Ansätze ist die marine Alkalinitätserhöhung: Eine Zugabe von Mineralien soll die Kapazität des Meerwassers steigern, Säure zu binden und Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen. Sie kann gleichzeitig der Ozeanversauerung entgegenwirken, einer Veränderung in der Ozeanchemie, unter der vor allem kalkbildende Organismen leiden. Die Alkalinitätserhöhung ahmt die Verwitterung von Gestein nach. Während dieser Prozess in den vergangenen Jahrmilliarden das Erdklima weitgehend stabil gehalten hat, ist der durch den Menschen verursachte Kohlendioxid-Eintrag etwa hundertmal zu schnell, um durch natürliche Verwitterung ausgeglichen zu werden. Daher sollen Studien zeigen, inwiefern sich der Effekt der Verwitterung entsprechend beschleunigen lässt.

Wie beeinflusst der gezielte Eintrag von Mineralien das Leben an der Basis des marinen Nahrungsnetzes? Wie reagieren Mikroalgen, Kleinkrebse und anderes Plankton? Wie ändern sich die Stoffkreisläufe im Meer? Ein heute beginnendes Experiment unter Leitung des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hilft, diese und weitere offene Fragen zu klären. Es ist das erste von drei mehrwöchigen Experimenten, die zu verschiedenen Jahreszeiten in der Kieler Förde durchgeführt werden. Die Arbeiten finden im Rahmen des internationalen Projekts Ocean Alk-Align statt, welches von der Universität Dalhousie in Halifax, Kanada, koordiniert wird.

Für ihre Untersuchungen installieren Forschende an der Pier vor dem Kieler Aquarium eine schwimmende Versuchsanlage: Zwölf in sich abgeschlossene Tanks, sogenannte Mesokosmen, isolieren jeweils 8.000 Liter Fördewasser mitsamt dem darin enthaltenen pflanzlichen und tierischen Plankton. Die Umweltbedingungen in den Mesokosmen sind dieselben wie im Meer – ein Wasseraustausch findet jedoch nicht statt. Fünf Mesokosmen werden mit Löschkalk (Weißkalkhydrat, Kalziumhydroxid) und fünf mit Brucit (Magnesiumhydroxid) in jeweils unterschiedlichen Mengen versetzt. Je ein Mesokosmos pro Versuchsreihe bekommt keine Mineralzugabe und dient als Kontrolle. Anders als in früheren Experimenten werden die Mineralien nicht als Lösung, sondern als Gesteinsmehl hinzugegeben, was der wahrscheinlichsten Anwendungsform in großem Maßstab entspricht. Etwa einen Monat lang laufen regelmäßige Probennahmen, Messungen und Analysen, um das Wachstum von Mikroalgen, die Entwicklung des Zooplanktons und zahlreiche andere Prozesse zu überwachen.

„Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Start-Ups entstehen, deren Geschäftsmodell auf dem Verkauf von CO2-Zertifikaten durch Alkalinitätserhöhung im Ozean beruht, besteht dringender Forschungsbedarf zu möglichen Risiken für das Leben im Meer“, erklärt Professor Dr. Ulf Riebesell. Der Leiter der Forschungseinheit Biologische Ozeanographie am 91̽ koordiniert die Studie gemeinsam mit Dr. Kai Schulz, Gastwissenschaftler der Universität Southern Cross, Australien. „Ziel unserer Forschung ist, eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlage für den möglichen Einsatz von Alkalinitätserhöhung zur aktiven CO2-Entfernung zu schaffen.“ Andere derzeit erforschte Ansätze zur ozeanbasierten Kohlendioxid-Entnahme sind etwa die Renaturierung von Seegraswiesen, die Kultivierung von Makroalgen oder die Speicherung von Kohlendioxid im Meeresboden (Carbon Capture and Storage, CCS). Welche Maßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, muss in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess zur Minderung des Klimawandels entschieden werden.

„Dies ist die erste Studie zur Alkalinitätserhöhung, die sich mögliche saisonale Effekte anschaut. Es ist auch die erste, die mit Gesteinsmehl und nicht schon vorgelöster Alkalinität arbeitet. Wir sind sehr gespannt auf die entsprechenden Erkenntnisse“, sagt Dr. Kai Schulz.

An der Serie von Experimenten beteiligt sind 36 Forschende von einer Vielzahl von Forschungseinrichtungen in Deutschland, Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Australien und Asien.

„Das aktuelle Experiment und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern stärkt die Expertise der Kieler Meeresforschung zu marinen Kohlenstoffspeichermöglichkeiten für den Klimaschutz“, betont Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des 91̽. „Es betrachtet einen von mehreren derzeit erörterten Ansätzen zur Kohlendioxidaufnahme im Ozean und trägt damit wichtiges Wissen zur gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsfindung bei. Damit ergänzt es auch Erkenntnisse, die in der am 91̽ koordinierten Forschungsmission ‚Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung‘, CDRmare, der Deutschen Allianz Meeresforschung gewonnen werden.“

Hintergrund: Ocean Alk-Align

Ocean Alk-Align ist ein Forschungsprojekt, das die Effizienz und Beständigkeit, die Umweltsicherheit und Anforderungen an die Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung (Monitoring, Reporting, and Verification, MRV) der marinen Alkalinitätserhöhung ergebnisoffen untersucht. Koordiniert wird es von der Universität Dalhousie, Kanada. Beteiligt sind außerdem das 91̽ sowie die Universität Hamburg und die Universitäten Southern Cross und Tasmanien, Australien. Das Projekt wird von der „Carbon to Sea“-Initiative aus den Vereinigten Staaten von Amerika gefördert.

]]>
Presse2024 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Ozean und Klima Klima Marine Ökosysteme
news-9311 Thu, 01 Feb 2024 10:00:00 +0100 Kieler Forschende sammeln neues Wissen zur Eisschmelze in der Antarktis /news/article/kieler-forschende-sammeln-neues-wissen-zur-eisschmelze-in-der-antarktis 01.02.2024/Kiel/Hobart. Drei Expeditionen mit der POLARSTERN verbessern das wissenschaftliche Verständnis von Rückkopplungen zwischen Eis, Ozean und Atmosphäre in der Ostantarktis. Das Eis in dieser Region speichert Wassermassen, die den Meeresspiegel bei fortschreitender globaler Erwärmung über Jahrhunderte hinweg um dutzende Meter ansteigen lassen können. Die beiden aktuellen Reisen stehen unter Leitung von Kieler Forschenden: Anfang Februar übergibt Dr. Marcus Gutjahr vom 91̽ Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel an Professor Dr. Sebastian Krastel von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die nun endende Fahrt brachte wertvolle neue Erkenntnisse und Daten – stand jedoch auch im Zeichen besorgniserregender Beobachtungen. – Gemeinsame Pressemitteilung des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel –

Mit dem ersten Hafenanlauf des deutschen Forschungsschiffs POLARSTERN am 30. Januar in Hobart im australischen Staat Tasmanien steht auch eine Übergabe der wissenschaftlichen Fahrtleitung unter Kieler Forschenden an: Für Dr. Marcus Gutjahr, Geochemiker am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel endet eine überaus erfolgreiche zweimonatige Expedition zum Ostantarktischen Eisschild. Von ihm übernimmt Professor Dr. Sebastian Krastel, Geophysiker an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die beiden Expeditionen sind Teil eines Programms zur Erforschung Ostantarktischer Eisschild-Instabilitäten (East Antarctic Ice Sheet Instabilities, EASI).

Die drei EASI-Expeditionen dienen der Untersuchung von Rückkopplungen zwischen Eis, Ozean und Atmosphäre in der für das globale Klimasystem und den Meeresspiegel bedeutenden östlichen Antarktis. Der bis zu mehrere Kilometer dicke Eisschild auf dem Kontinent speichert hier Wassermassen, die den Meeresspiegel im Laufe der Jahrhunderte um dutzende Meter ansteigen lassen können. Deshalb ist es wichtig, seine zukünftige Entwicklung besser einzuschätzen. Die erste EASI-Fahrt fand bereits Anfang 2022 unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) statt. Bereits damals war Dr. Marcus Gutjahr mit an Bord.

EASI-2 – schwindendes Eis und Strömungssysteme im Wandel

In der Prydz-Bucht am Amery-Eissschelf erlebten die Forschenden um den Jahreswechsel 2023/2024 erstaunlich eisfreie Bedingungen. „Fast die gesamte Prydz-Bucht war frei von Meereis, es war deutlich weniger als im Durchschnitt der vergangenen vier Jahrzehnte. Nur der südöstlichste Teil war eine Eislandschaft, wie man sie sich in der Antarktis vorstellt“, berichtet Dr. Marcus Gutjahr. „Unsere Messungen in der 150 Kilometer breiten Bucht zeigten, dass die Oberflächentemperaturen weit über dem Gefrierpunkt von Salzwasser lagen. Während die tieferen Wasserschichten charakteristisch kalte Temperaturen unter minus 1,8 Grad Celsius hatten, war das regionale Oberflächenwasser deutlich wärmer.“

Über Weihnachten bescherten Echolot-Messungen den Geolog:innen an Bord zudem neue Aufnahmen der Topografie des Meeresbodens in der Region. Sie zeigten deutliche glaziale Erosionsspuren aus vergangenen Kaltzeiten. Außerdem unterschieden sich die Messergebnisse deutlich von bisherigen Darstellungen, welche auf Satelliten-Daten beruhten. Die neuen Einblicke werden helfen, international maßgebende Karten zu verbessern. Mit dem Bordhubschrauber der POLARSTERN steuerten Forschende zudem die Küste an, um Proben von Eis, Sediment und Gestein für Analysen und Experimente zu sammeln. So wird etwa am 91̽ die Verwitterung dieses besonders reinen Gesteins und der darin enthaltenen Spurenmetalle Blei oder Eisen weiter erforscht.

Ein weiteres wichtiges Ziel war der Denman-Gletscher, der unlängst durch Publikationen und Berichte über sein außergewöhnlich schnelles Schmelzen traurige Bekanntheit erlangte. „Unsere Daten bestätigen bereits publizierte Daten. Wir sehen eindeutig, dass der Gletscher unterhalb der Meeresoberfläche schmilzt und sich daher weiter ins Landesinnere zurückziehen wird“, fasst der Fahrtleiter die ersten Eindrücke zusammen.

Auf der Fahrt Richtung Australien verfolgten die Forschenden anhand von Probennahmen und Messungen, die sie etwa alle 100 nautische Meilen durchführten, Veränderungen in Temperatur und Salzgehalt in verschiedenen Wassertiefen sowie Konzentrationen von Spurenmetallen. „So können wir sehr gut die chemische Beschaffenheit des Wassers und die Herkunft der Wassermassen charakterisieren. Wir sind gespannt, wie ursprünglich die Zusammensetzung des Wassers hier noch ist“, erklärt Dr. Marcus Gutjahr. Zum Abgleich wurden an fast allen Wasserstationen auch Sedimentkerne aus dem Meeresboden gewonnen – sie enthalten Ablagerungen, die einen Rückblick in die geologische Vergangenheit ermöglichen. Der Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart verrät, wie kurzfristig sich klimatische Veränderungen auf die ѱٰöܲԲ auswirken. „Die Zirkulation des Südozeans passt sich stets an das vorherrschende Klima an. Die drängende Frage ist nun, wie schnell sie auf die aktuelle globale Erwärmung regiert und so den globalen Austausch von Wassermassen beeinflussen kann.“

EASI-3 – Blick in die Erdgeschichte

Die nun beginnende EASI-3-Expedition konzentriert sich auf die Eisschildveränderungen der Ostantarktis in der Vergangenheit. Bisher ist nur wenig über die Reaktion des Ostantarktischen Eisschildes auf die Klimaveränderungen bekannt, insbesondere an der Ozean-Kontinentalgrenze. Die Datenlage zur Morphologie des Schelfeises in dieser Region ist noch unzureichend. Auf der Fahrt unter Leitung der Universität Kiel sollen daher vor allem neue geologische und geophysikalische Daten und Proben gewonnen werden, die Einblicke in verschiedene Zustände vergangener Eisschilde eröffnen. So war es beispielsweise im Pliozän vor etwa drei bis fünf Millionen Jahren wärmer als heute. Die Forschenden erhoffen sich von den neuen Daten Rückschlüsse auf die Quantifizierung des Eisschildverhaltens unter anderem in diesem Zeitraum.

„Mit geophysikalischen Messungen im Ozean und an Land können wir weit in die Erdgeschichte zurückblicken. Durch die Kombination verschiedener geophysikalischer Systeme sind wir in der Lage, Strukturen in unterschiedlichen Tiefen mit bestmöglicher Auflösung abzubilden. So gelingt es uns, bis zu 1.000 Meter in den Meeresboden hineinzuschauen. Unser Ziel ist es, charakteristische Strukturen zu identifizieren, die uns Aufschluss über das Klima und die Beschaffenheit des Eisschildes in weit zurückliegenden Perioden erlauben“, erläutert der Geophysiker Professor Dr. Sebastian Krastel. Neben den marinen Untersuchungen im offenen Ozean sollen auf der Expedition EASI-3 auch landbasierte Probennahmen vom kontinentalen Schelf sowie küstennahen Lagunen und Seen durchgeführt werden. EASI-3 endet Mitte April in Walvis Bay, Namibia.

Erstanlauf in Australien

Zum Abschluss der EASI-2-Expedition machte POLARSTERN am 30. Januar 2024 im tasmanischen Hobart fest. Anlässlich des Erstanlaufs lädt die deutsche Botschaft in Australien Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zu einem feierlichen Empfang an Bord ein. Die Öffentlichkeit kann sich in einer multimedialen Ausstellung im Stadtzentrum über die Polarforschung des Alfred-Wegener-Instituts und seiner Partner informieren, die gemeinsam mit der Stadt Hobart und den dort ansässigen Forschungsinstituten organisiert wird. Außerdem gibt es eine Paneldiskussion, die Auftakt für eine Reihe von „Climate Talks“ der deutschen Botschaft in Australien ist, sowie Austauschtreffen mit wissenschaftlichen Institutionen und politischen Interessensvertretungen.

Projekt-öܲԲ:

Die EASI-Expeditionen sind Teil der Programmorientierten Förderung (PoF) der Helmholtz-Gemeinschaft im Forschungsprogramm „Changing Earth – Sustaining our Future“, an dem AWI und 91̽ beteiligt sind. Für die CAU liefern die Expeditionen wichtige Impulse für die Forschung innerhalb des universitären Forschungsschwerpunktes Kiel Marine Science (KMS). Die Forschenden werden u.a. über das Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

]]>
Presse2024 Top_Slider FB-News Ozean und Klima Grundwissen Ozean Klima Ozean
news-9315 Thu, 01 Feb 2024 09:00:00 +0100 Für ein besseres Ozeanbeobachtungs- und Vorhersagesystem in Europa /news/article/fuer-ein-besseres-ozeanbeobachtungs-und-vorhersagesystem-in-europa 01.02.2024/Kiel. Nach vier Jahren Laufzeit endete nun das europäische Forschungsprojekt EuroSea mit der Veröffentlichung seines Abschlussberichts, dem „Legacy Report“. Unter der Leitung von Dr. Toste Tanhua vom 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel brachte EuroSea 53 Partner aus 16 Ländern zusammen. Die Ergebnisse geben einen Kurs vor für eine ganzheitlichere und nachhaltigere Ozeanbeobachtung und -vorhersage, sowohl in Europa als auch darüber hinaus. Mit der Veröffentlichung des Abschlussberichts, dem „Legacy Report“, erreicht das europäische Projekt EuroSea zur Verbesserung von Ozeanbeobachtung und Vorhersagen nach vier Jahren Laufzeit seinen erfolgreichen Abschluss. Die im Bericht enthaltenen Erkenntnisse und Empfehlungen bieten wertvolle Einsichten für die Weiterentwicklung des Wissens über die Meere und einer wissenschaftlich fundierten Blue Economy in aller Welt.

Unter der Leitung von Dr. Toste Tanhua, Chemischer Ozeanograph am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel brachte EuroSea mehr als 150 Expert:innen von 53 Partnerinstitutionen aus 16 Ländern zusammen. Die Europäische Union förderte das Projekt mit 12,6 Millionen Euro.

Der abschließende „Legacy Report“ empfiehlt einen ganzheitlichen und integrierten Ansatz zur Ozeanbeobachtung und -vorhersage. Von der Stärkung des Europäischen Ozeanbeobachtungssystems (European Ocean Observing System, EOOS) und der Unterstützung des Globalen Ozeanbeobachtungssystems (Global Ocean Observing System, GOOS) bis hin zur Förderung von Entwicklungen in der Blue Economy und der Information politischer Entscheidungen entfaltete EuroSea einen bedeutenden Einfluss auf die marinen Wissenslandschaft und entsprechende Innovationen.

Der Bericht unterstreicht das Engagement von EuroSea für die Bereitstellung von Meeresdaten entsprechend des FAIR-Prinzips (Findable, Accessible, Interoperable, and Reusable – auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar), die Verbesserung von Modellierungs- und Vorhersagefähigkeiten und die Konsolidierung dieser Fortschritte in nutzerorientierten Diensten. Als Zusammenfassung der Wirkung von EuroSea, das auf vielen verschiedenen Ebenen der Ozeanbeobachtung und Vorhersage Spuren hinterlässt. Neben der Leitung dieses innovativen Projekts lieferten 91̽-Forschende weitere wichtige Beiträge zum Erfolg von EuroSea.

Die Wissenschftler:innen untersuchten rechtliche Aspekte innovativer Ozeanbeobachtungen und bestehende Lücken im europäischen System zur Beobachtung und Vorhersage. Sie beurteilten Kohlenstoffflüsse für den tropischen Atlantik. Und sie sammelten und analysierten Forschungsdaten mit einer Vielzahl von Plattformen, darunter auch innovative Ansätze. Hiermit trugen sie entscheidend bei zur Entwicklung von Syntheseprodukten wie dem Datensatz über den Kohlendioxidgehalt der der Oberfläche von Weltmeeren und Küstengewässern – dem Surface Ocean CO₂ Atlas (SOCAT) – und dem internationalen Satz biogeochemischer Daten von der Oberfläche bis zum Meeresboden – dem Global Ocean Data Analysis Project (GLODAP) – und verbesserten die internationale und interdisziplinäre Koordination von Meeresbeobachtungen. Dies half, die an der Nutzung von Ozeanbeobachtungen und -vorhersagen interessierten Akteur:innen zu informieren, zu integrieren und zu vernetzen. Außerdem erhielten öffentliche und politische Entscheidungstragende neue wertvolle Erkenntnisse über die Bedeutung langfristiger und nachhaltiger Ozeanbeobachtung und -vorhersage für Bereiche wie Aquakultur, Fischerei, Hafenlogistik, Seeverkehr, Wetter und Tourismus.

„Das Vermächtnis von EuroSea geht über technologische Fortschritte hinaus und unterstreicht die Bedeutung von Zusammenarbeit, Koordination und einem nachhaltigen, fundierten Ansatz. Wir hoffen, dass unsere Errungenschaften die Voraussetzungen für eine effektivere, effizientere und wirkungsvollere Zukunft der Ozeanbeobachtung und -vorhersage auf globaler Ebene schaffen“, sagt EuroSea-Koordinator Dr. Toste Tanhua.

Zufrieden mit dem Verlauf und dem Ende des Projekts, fügt EuroSea-Managerin Nicole Köstner hinzu: „Entscheidend für den Erfolg des Projekts war die außergewöhnlich gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen allen 53 Projektbeteiligten. Die Projektaufgabe wurde gemeinsam mit großem Engagement angegangen, und der Erfolg des Projekts zeigt einmal mehr, dass Herausforderungen, die unsere Ozeane betreffen, nicht von Einzelnen, sondern nur von gut eingespielten Teams gelöst werden können.“

Original-Publikation:

Eparkhina, D. (2023): EuroSea Legacy Report. EuroSea Deliverable, D8.12., doi:

öܲԲ:

Das Projekt EuroSea ist eine Innovationsmaßnahme der Europäischen Union, die von 2019 bis 2023 mit 12,6 Millionen Euro durch das ǰܲԲöܲԲsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Kommission im Rahmen einer Aufforderung zur Unterstützung der G7-Initiative „Zukunft der Meere und Ozeane“ finanziert wird.

]]>
Transfer Presse2024 Top_Slider FB2News Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Klima Ozean
news-9309 Fri, 26 Jan 2024 14:00:00 +0100 Gene nutzen oder verlieren: Wie Seegräser das Meer erobern /news/article/gene-nutzen-oder-verlieren-wie-seegraeser-das-meer-erobern 26.01.2024/Gent/Groningen/Kiel/Neapel. Seegräser bilden die Grundlage für eines der artenreichsten und zugleich empfindlichsten marinen Küstenökosysteme der Welt. Sie entwickelten sich vor etwa 100 Millionen Jahren in drei unabhängigen Linien aus ihren im Süßwasser vorkommenden Vorfahren und sind die einzigen vollständig unter Wasser lebenden marinen Blütenpflanzen. Der Wechsel in eine so radikal andere Umgebung ist ein seltenes evolutionäres Ereignis – und er dürfte definitiv nicht einfach gewesen sein. Wie gelang den Seegräsern dieser Schritt? Neue hochqualitative Genome für drei Arten liefern wichtige Hinweise, die für den Erhalt von Seegras-Ökosystemen und deren nachhaltige Nutzung von Bedeutung sind. Seegras-Ökosysteme bieten zahlreiche Funktionen und Dienstleistungen. So können sie als Erosionsschutz dienen, der die Küstenlandschaften bewahrt. Außerdem gelten sie dank der Vielzahl mit ihnen verbundener Tiere und Algen als Oasen der biologischen Vielfalt. Obendrein bieten sie sich aufgrund ihrer Fähigkeit, Kohlenstoff in der unterirdischen Biomasse zu speichern, als naturbasierte Lösung für den Klimaschutz an. Sowohl zur Erhaltung als auch zur Wiederherstellung dieser Ökosysteme wird intensiv geforscht – denn Seegräser gehen ebenso wie Korallenriffe durch die Klimaerwärmung und andere menschliche Einflüsse verloren.

Eine internationale Gruppe von 38 Forschenden, koordiniert von Professor Dr. Yves Van de Peer, Universität Gent, Belgien, Professorin Dr. Jeanine Olsen, Universität Groningen, Niederlande, Professor Dr. Thorsten Reusch, 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Deutschland, Dr. Gabriele Procaccini, Stazione Zoologica Anton Dohrn, Neapel, Italien, und des Joint Genome Institute, Berkeley, Kalifornien, Vereinigte Staaten von Amerika, sequenzierten und analysierten nun die Genome von drei der wichtigsten Seegras-Arten: dem ikonischen, nur im Mittelmeerraum vorkommenden Neptungras (Posidonia oceanica), dem weit verbreiteten Kleinen Neptungras (Cymodocea nodosa) und dem in der Karibik endemischen Schildkrötengras (Thalassia testudinum). Die Forschenden untersuchten zunächst die Genomstruktur der Pflanzen. Anschießend verglichen sie Genfamilien und genomische Modifikationen, die mit strukturellen und physiologischen Anpassungen verbunden sind. Hierbei verglichen sie die drei marinen Seegräser auch mit deren verwandten Süßwasserarten. Ihre Ergebnisse präsentieren die Forschenden in einer heute erscheinenden Publikation in der Fachzeitschrift Nature Plants.

Die internationale Zusammenarbeit bestätigt: „Viele Hände und Hirne machen die Arbeit leicht.“ Am Anfang stand ein Rückblick in die Evolution der Genom-Struktur, gefolgt von einer vergleichenden Analyse der mehr als 20.000 Gene und der relevanten Entwicklungswege, die zu den spezifischen marinen Anpassungen führten. Anschließend konzentrierten sich die 23 kooperierenden Forschungsteams auf verschiedene komplementäre strukturelle oder funktionelle Genfamilien einschließlich ihrer physiologischen Funktionen. Eine zentrale Frage war, ob die genomischen Anpassungen parallel oder unabhängig voneinander entstanden und vielleicht sogar unterschiedliche Gene betreffen.

Professorin Dr. Olsen betont: „Seegräser haben eine extrem seltene Folge von Anpassungen durchlaufen. Während die Neuanpassung an ein Leben im Süßwasser in der Evolutionsgeschichte der Blütenpflanzen mehr als 200 Mal stattgefunden hat – was Hunderte von Stämmen und Tausenden von Arten umfasst – haben sich Seegräser nur drei Mal aus ihren Süßwasser-Vorfahren entwickelt – mit 84 zugehörigen Arten. Dies erforderte eine spezielle Toleranz, etwa gegenüber hohem Salzgehalt, geringerem Licht, unterschiedlichen Wassertemperaturen, der Aufnahme von Kohlenstoff für die Photosynthese unter Wasser, einer anderen Abwehr von Krankheitserregern, struktureller Flexibilität und der Fähigkeit zur Unterwasserbestäubung.“

Ein wichtiges Ergebnis war, dass die Seegräser in der Lage waren, radikale Anpassungen durch Genomverdopplung vorzunehmen, wie sie oft mit starkem Umweltstress verbunden sind. „Der Vergleich der drei unabhängigen Seegras-Linien und den Linien ihrer Süßwasser-Verwandten ergab eine gemeinsame lange zurückliegende Verdreifachung des gesamten Genoms vor etwa 86 Millionen Jahren. Das ist sehr interessant, weil große Teile des Ozeans zu dieser Zeit sauerstofffrei waren und es sich um ein Stressereignis handelt, das sich in allen drei Linien niederschlug“, erklärt Professor Dr. Van De Peer.

Darüber hinaus stellten die Forschenden fest, dass sich die Beibehaltung und Erweiterung einiger Genfamilien durch erhalten gebliebene genetisch gleich strukturierte Blöcke auf diese frühen Verdoppelungen zurückverfolgen ließ. Zu diesen Genen gehörten etwa Flavonoide, die Schutz vor ultravioletter Strahlung und Pilzen bieten und gleichzeitig die Rekrutierung von stickstofffixierenden Bakterien anregen, oder auch erweiterte spezielle Enzyme, mit deren Hilfe die Pflanzen Sauerstoffmangel in Sedimenten widerstehen können. Auch Gene, die den Tag-Nacht-Wechsel steuern, zählten hierzu. Die Ergebnisse zeigen auch, dass von einer Stelle an die andere „springende“ Gene eine wichtige Rolle bei der Schaffung neuer genetischer Variationen spielen, auf die die Selektion einwirken kann. Dies galt insbesondere für die großen Genome von Thalassia testudinum und Posidonia oceanica.

Das Team stellte außerdem fest, dass mehrere Anpassungen das Ergebnis evolutionsbiologischer Konvergenz sind. Dies galt vor allem für Merkmale, die untergetaucht im Meerwasser überflüssig oder schädlich wurden. Zu den überzeugenden Beispielen einer Entwicklung im Sinne von „Nutzen oder verlieren“ gehören der Verlust von Genen für die Spaltöffnungen – die winzigen Öffnungen in der Blattoberfläche, die den Gasaustausch mit der Atmosphäre ermöglichen – oder der Verlust von Genen für flüchtige Stoffe zur Übertragung von Signalen für eine Abwehr von Krankheitserregern und zur Toleranz gegenüber marinen Hitzewellen, insbesondere Hitzeschockfaktoren.

Dr. Procaccini erklärt: „Bei einigen Anpassungen handelte es sich eher um eine Modifikation bestehender Gene, als um einen Funktionswechsel oder Verlust ganzer Gene. Die Salztoleranz ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Effizienz mehrerer Prozesse zur Regulierung von Natrium, Chlor und Kalium gesteigert wurde, und das betraf mehrere physiologische Schritte.“

Professor Dr. Reusch fasst zusammen: „Die meisten ökologisch wichtigen Merkmale beruhen auf komplexen Eigenschaften, für die viele Gene über flexible Wege zusammenwirken. Mit dem genomischen Werkzeugkasten, der jetzt für die wichtigsten Seegräser entwickelt wurde, können wir beginnen, sie experimentell zu testen und zu manipulieren. Dies ist besonders wichtig für die Wiederherstellung unter Klimawandelszenarien, die viele der hier diskutierten Bedingungen beinhalten.

Die neuen Erkenntnisse zur genetischen Entwicklung der Seegräser werden experimentelle und funktionelle Studien voranbringen, die für ein transformatives Management und die Wiederherstellung von Seegras-Ökosystemen besonders wichtig sind. Sie sind eine enorme Ressource für die Forschungsgemeinschaft, um auch die zukünftige Anpassungsfähigkeit von Seegras-Ökosystemen zu verstehen und möglicherweise gezielt zu erhöhen.

Original-Publikation:

Xiao Ma, Steffen Vanneste, Jiyang Chang, Luca Ambrosino, Kerrie Barry, Till Bayer, Alexander A. Bobrov, Lori Beth Boston, Justin E. Campbell, Hengchi Chen, Maria Luisa Chiusano, Emanuela Dattolo, Jane Grimwood, Guifen He, Jerry Jenkins, Marine Khachaturyan, Lazaro Marin-Guirao, Attila Mesterhazyt, Danish-Daniel Muhd, Jessica Pazzaglia, Chris Plott, Shanmugam Rajaskear, Stephane Rombauts, Miriam Ruocco, Alison Scott, Min Pau Tan, Jozefien Van de Velde, Bartel Vanholme, Jenell Webber, Li Lian Wond, Mi Yan, Yeong Yik Sung, Polina Novikova, Jeremy Schmutz, Thorsten B.H.Reusch, Gabriele Procaccini, Jeanine L. Olsen & Yves Van de Peer (2024): Seagrass genomes reveal ancient polyploidy and adaptation to the marine environment. Nature Plants, doi:

]]>
Presse2024 FB3News Seegras Ozean und Klima Lebensraum Ozean Klima Marine Ökosysteme
news-9272 Wed, 10 Jan 2024 11:18:00 +0100 Fokus auf biologische Prozesse zeigt nicht das ganze Bild /news/article/fokus-auf-biologische-prozesse-zeigt-nicht-das-ganze-bild 10.01.2024/Kiel. Der Ozean spielt eine entscheidende Rolle bei der Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO2). Die so genannte marine biologische Kohlenstoffpumpe ist in diesem Zusammenhang ein bedeutendes Forschungsthema. Allerdings werde dabei oft eine wichtige Komponente nicht berücksichtigt, sagt Dr. Ivy Frenger, Klimaforscherin am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. In einem Positionspapier hat sie gemeinsam mit internationalen Kolleg:innen herausgearbeitet, warum es nicht reicht, sich bei der Untersuchung der Anreicherung von CO2 im Ozean durch die biologische Kohlenstoffpumpe auf biologische Prozesse zu konzentrieren. Es müsse auch die parallel stattfindende CO2-Rückführung an die Atmosphäre durch die Ozeanzirkulation betrachtet werden. In ihrer Veröffentlichung schlagen die Wissenschaftler:innen nun vor, anstatt Anreicherung und Verluste aufzurechnen, direkt das aus biologischen Prozessen stammende CO2-Reservoir im Ozean, basierend auf Sauerstoffbeobachtungen, abzuschätzen. Das Reservoir könne dann als aussagekräftiger Indikator für die Rolle der Kohlenstoffpumpe für atmosphärisches CO2 und das Klima dienen. Im Ozean findet sich ein Vielfaches der atmosphärischen Kohlenstoffmenge. Dazu trägt ein wesentlicher Prozess des marinen Kohlenstoffkreislaufes bei, die so genannte marine biologische Kohlenstoffpumpe (Biological Carbon Pump, BCP). Dabei sinkt organisches Material, in dem Kohlenstoff (CO2) gebunden ist als sogenannter Exportfluss aus den oberen Wasserschichten in die Tiefsee. Dort wird dieses Material durch bakterielle Abbauprozesse wieder in anorganischen Kohlenstoff zurückverwandelt und gespeichert. Damit sorgt die BCP dafür, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre deutlich geringer ist als er in einer fiktiven Welt ohne die BCP wäre. So weit, so unumstritten. Doch eines wird bei dieser Betrachtung gerne übersehen, sagt Dr. Ivy Frenger, Klimaforscherin am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: „Man muss unbedingt auch die Ozeanzirkulation, also die Physik mitberücksichtigen, denn die entscheidet darüber, wie lange und wie viel CO2 sich tatsächlich langfristig im Ozeaninneren ansammeln kann und damit von der Atmosphäre ferngehalten wird.“ Betrachtet man als Effekt der BCP nur den Exportfluss, sei das so, als ob auf dem Kontoauszug nur die Einnahmen ausgewiesen würden. „Es gibt aber Gewinne und Verluste – das, was das Ozeaninnere aufnimmt und das, was aber auch wieder herauskommt.“

Änderungen in der BCP sind im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen ein großes Forschungsthema. Die verkürzte Betrachtung, sich bei der Frage nach dem Einfluss der BCP auf das atmosphärische CO2 auf den Exportfluss zu fokussieren und dabei die Ozeanzirkulation zu vernachlässigen, sei weit verbreitet, sagt Dr. Frenger, weshalb sie jetzt gemeinsam mit sechs internationalen Kolleg:innen ein Positionspapier veröffentlicht hat. Der Titel: „Misconceptions of the marine biological carbon pump in a changing climate: Thinking outside the ‚export‘ box“ (etwa: Missverständnisse zur marinen biologischen Kohlenstoffpumpe im Klimawandel: Mehr als nur der „Exportfluss“).

In ihrer Veröffentlichung geht es den Wissenschaftler:innen im Kern darum, mit der verzerrten Sichtweise aufzuräumen, es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen dem weltweiten Exportfluss – dem Äquivalent zu den Einnahmen – und der biologischen CO2 Speicherung im Ozean – dem Äquivalent zum Kontostand – und damit im Umkehrschluss auch dem atmosphärischen CO2. „Das lässt sich so einfach nicht in Beziehung setzen“, sagt Dr. Frenger. Man müsse auch die „Ausgaben“ berücksichtigen.

Viel einfacher und zudem wissenschaftlich korrekter wäre nach ihrer Ansicht, das aus biologischen Prozessen stammende CO2-Reservoir im Ozean direkt abzuschätzen. Eine solche Abschätzung ist möglich, wenn man den Sauerstoffgehalt im Ozeaninneren misst, dazu den physikalischen Zustand, wie die Temperatur. Änderungen dieser Größen im Klimawandel würden auch erklären, warum die BCP unter dem Einfluss des menschengemachten Klimawandels derzeit scheinbar widersprüchlich reagiert: Obwohl der Exportfluss abnimmt, verstärkt sich die Speicherung von Kohlenstoff durch die biologische Pumpe im Ozeaninneren, weil es durch Änderungen der Ozeanzirkulation längere Zeit dauert, bis der biologisch gespeicherte Kohlenstoff wieder an die Oberfläche gelangt. Um beim Bild des Kontostandes zu bleiben, sind also zwar die Einnahmen geringer, aber die Ausgaben sogar noch stärker reduziert. Das führt zu einer so genannten Klimarückkopplung, die für mehr Speicherung von CO2 im Ozeaninneren sorgt, als es ohne die biologische Kohlenstoffpumpe der Fall wäre. Mitautorin Dr. Angela Landolfi: „Dieser Effekt ist jedoch klein im Vergleich zu den weiterhin massiven menschengemachten CO2-DzԱ.“

Die Wissenschaftler:innen hoffen, mit ihrem Positionspapier und dem darin propagierten Ansatz dazu beizutragen, ein klareres Bild vom Einfluss der marinen biologischen Kohlenstoffpumpe auf das atmosphärische CO2 in einer sich wandelnden Welt zu zeichnen. Dieser „Blick über den Tellerrand“ ist besonders wichtig im Hinblick auf Vorschläge, CO2 aus der Atmosphäre mittels künstlich stimulierter mariner Biologie (zum Beispiel durch Eisendüngung oder den künstlichen Auftrieb von Tiefenwasser) zu entfernen.

Publikation:

Frenger, I., Landolfi, A., Kvale, K., Somes, C. J., Oschlies, A., Yao, W. and Koeve, W. (2023):  Misconceptions of the marine biological carbon pump in a changing climate: Thinking outside the “export” box. Global Change Biology. DOI: 10.1111/gcb.17124

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News ѱٰöܲԲ Ozean und Klima Grundwissen Ozean Klima Ozean
news-9265 Fri, 05 Jan 2024 10:00:00 +0100 Blick in die Zukunft des Ozeans /news/article/klimawandel-und-menschlicher-einfluss-blick-in-die-zukunft-des-ozeans 05.01.2024/Kiel. Zu Beginn des neuen Jahres startet das Forschungsschiff METEOR unter Leitung des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel von Zypern aus auf eine mehr als vierwöchige Forschungsfahrt durch das östliche Mittelmeer. Dieses Ozeanbecken ist besonders stark vom Klimawandel und von menschlichen Aktivitäten betroffen und verändert sich rapide. Die Untersuchungen vom Meeresboden bis zur Oberfläche sollen Aufschluss darüber geben, wie diese Veränderungen aussehen und was das für die Ökosysteme eines zukünftigen (sub-)tropischen Ozeans bedeutet. Die gesammelten Daten werden unter anderem mit Informationen von Satelliten und mit Modellrechnungen kombiniert, um ein umfassendes Bild der Veränderungen zu erhalten. Das östliche Mittelmeer (Eastern Mediterranean Sea, EMS) ist eines der sich am schnellsten verändernden Ozeanbecken auf der Erde. Es ist sowohl vom Klimawandel als auch von umfangreichen Belastungen durch menschliche Aktivitäten besonders betroffen. Das macht es zu einem einzigartigen Forschungsumfeld, das Informationen über künftige Veränderungen des globalen Ozeans liefern kann.

„Das östliche Mittelmeer als Modell für die künftige Meeresforschung“ (Eastern Mediterranean Sea as a model for Future Ocean Research, EMS FORE) heißt denn auch ein internationales Projekt unter Leitung des 91̽ Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung Kiel, das von der Helmholtz-Gemeinschaft finanziert wird. „In dem Projekt nutzen wir das östliche Mittelmeer von der Küste bis in die Tiefsee als natürliches Labor“, erklärt Dr. Thomas Browning, Leiter der Nachwuchsgruppe Chemische Ozeanographie am 91̽. Er ist Fahrtleiter der METEOR-Expedition M197, einem wichtigen Teil des Projekts, die am 6. Januar startet.

„Wenn sich das Oberflächenwasser des Ozeans erwärmt, beeinträchtigt das die Nährstoffversorgung und damit die marinen Ökosysteme“, nennt Browning ein Beispiel für die Zusammenhänge zwischen Umweltveränderungen und ozeanischen Prozessen, „und das Wasser im östlichen Mittelmeer hat sich bereits schnell erwärmt, schneller als in anderen subtropischen Regionen des Weltozeans.“

Die Wissenschaftler:innen werden daher untersuchen, welche Nährstoffe das Wachstum des Phytoplanktons begrenzen und wie Nährstoffe in das Oberflächenwasser eingetragen werden. Außerdem werden verschiedene Mikroorganismen vom Meeresboden bis zur Oberfläche erfasst und der Kohlenstofftransport von der Meeresoberfläche in die Tiefsee gemessen. Kontinuierlich eingesetzte autonome Plattformen und Satellitenbeobachtungen zur Messung grundlegender Eigenschaften sowie Computermodellierungen werden dazu beitragen, die Beobachtungen der Expedition in einen größeren Kontext zu stellen. Darüber hinaus werden Untersuchungen der gesammelten Sedimente dazu dienen, vergangene Umweltveränderungen im östlichen Mittelmeer während der letzten Jahrtausende zu rekonstruieren.

Dazu bringt die Forschungsexpedition mehrere Teams mit unterschiedlichen Fachkenntnissen zusammen, die eine Vielzahl von Instrumenten einsetzen werden: von speziellen Geräten zur Probennahme, um Konzentrationen von Spurenelementen ohne Kontamination zu bestimmen, über Instrumente zur Sammlung von Staub, der Nährstoffe vom Land an die Meeresoberfläche transportiert, bis hin zu geschleppten Videokameras zur Beobachtung der Tiefseefauna.

Die Forschungsexpedition M197 steht für eine starke internationale Zusammenarbeit, an der 28 Wissenschaftler:innen aus zwölf Ländern beteiligt sind, darunter Mitarbeitende des 91̽, der Universität Haifa und des Instituts für Meeres- und Seenforschung (Israel), des Cyprus Marine and Maritime Institute (Republik Zypern), des Marine Biological Laboratory und der University of Chicago (USA) sowie der Xiamen University (China).

 

Expedition auf einen Blick:

METEOR Expedition M197

Östliches Mittelmeer – Prozessstudie EMS-PS

Fahrtleitung: Dr. Thomas Browning (91̽)

06.01.2024 - 06.02.2024

Start: Limassol (Republik Zypern)

Ende: Catania (Italien)

öܲԲ:

Die Forschungsarbeit zum östlichen Mittelmeer wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert.

]]>
Aktuelles2024 Presse2024 FB2News Expeditionen Klima Marine Ökosysteme Ozean
news-9247 Fri, 15 Dec 2023 10:00:00 +0100 Im Einsatz für den Ozean /news/article/im-einsatz-fuer-den-ozean 15.12.2023/Dubai/Kiel. Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in Dubai rückte der Ozean zunehmend in den Fokus. Mit einem Beschlussdokument, das den Weg für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen ebnet, ist es nun an den Regierungen, ihre Maßnahmen im Umgang mit dem Klimawandel zu intensivieren. Die Meereswissenschaften unterstützen weiterhin die Entwicklung wirksamer Strategien zur Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel. Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel diskutierten auf der COP28 wichtige Aspekte ihrer Arbeit mit Delegationen und Stakeholdern, darunter Ozeanbeobachtung, Ansätze für Kohlendioxid-Aufnahme im Ozean, Sauerstoff im Meer und digitale Ozeanzwillinge. Mit einer Vereinbarung, die als Beginn des Endes der Ära der fossilen Brennstoffe gefeiert wurde, ging diese Woche in Dubai, Vereinigte Arabische Emirate, die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (Conference of the Parties 28, COP28) zu Ende. In der ersten als „Global Stocktake“ bezeichneten Bewertung der internationalen Fortschritte bei der Verwirklichung der im Pariser Abkommen festgelegten Ziele beschlossen die Länder, „den Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise zu vollziehen und Maßnahmen in diesem kritischen Jahrzehnt zu beschleunigen, um im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen bis 2050 netto null zu erreichen“. Die Bestandsaufnahme erkennt außerdem an, dass die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich 2019 gesenkt werden müssen, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Es wird auch festgestellt, dass die Länder nicht auf dem richtigen Weg sind, um ihre kommunizierten Ziele für die Reduzierung von Emissionen zu erreichen.

Akteur:innen, die sich mit der Erforschung, Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Meere befassen, begrüßten die Bezugnahme auf den Ozean in den Abschlussdokumenten der COP28. Unter anderem werden die Länder aufgefordert, „die Ozeane und Küstenökosysteme zu erhalten und wiederherzustellen und gegebenenfalls die meeresbasierten Minderungsmaßnahmen zu verstärken“. Es ist nun an den Regierungen, diese Beschlüsse konkret mit Leben zu füllen und ihre Maßnahmen gegen den Klimawandel gemeinsam mit Gesellschaft und Wirtschaft zu verstärken.

91̽-Forschende diskutierten auf der COP28 mit Delegationen und anderen Stakeholdern wichtige Aspekte ihrer Arbeit, darunter Ozeanbeobachtung, Konzepte für die Kohlendioxid-Aufnahme im Ozean, Sauerstoff im Meer und digitale Ozeanzwillinge als Instrument für wissenschaftsbasierte Entscheidungen. Zum ersten Mal beteiligte sich das 91̽ am Ozean-Pavillon, einer zentralen Drehscheibe mit mehr als 80 Veranstaltungen, die von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) und der Scripps Institution of Oceanography koordiniert wurden. Im Vorfeld der COP28 wurde die Dubai Ocean Declaration von den Pavillonpartnern mit starker Unterstützung des 91̽ ins Leben gerufen.

„Mit der Dubai Ocean Declaration haben wir die Staats- und Regierungschefs der Welt aufgerufen, den Ozean als entscheidenden Faktor im Kampf gegen den Klimawandel anzuerkennen und entschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Zusammen mit den Aktivitäten im Ozeanpavillon, dem Thementag zu Natur, Landnutzung und Ozean sowie vielen anderen Veranstaltungen und dem Einsatz der Community insgesamt hat die Erklärung die Aufmerksamkeit für die unschätzbaren Dienste des Ozeans für die Menschheit gefördert“, sagt 91̽-Direktorin Professor Dr. Katja Matthes. „Wir begrüßen daher die Bezüge zum Ozean in den Entscheidungsdokumenten der COP28 und werden auch weiterhin unser Wissen in die Entwicklung effektiver Strategien zur Abschwächung des Klimawandels und zur Anpassung daran einbringen.“

„Der Fokus auf ozeanbasierte Ansätze zur Minderung des Klimawandels macht deutlich, wo wissenschaftlicher Forschungsbedarf besteht", betont Professor Dr. Andreas Oschlies, Erdsystemmodellierer am 91̽ und Co-Vorsitzender der Forschungsmission Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung (CDRmare) der Deutschen Allianz Meeresforschung. „Es stimmt, dass wir zusätzlich zu einer drastischen Reduzierung der Treibhausgasemissionen eine beträchtliche Menge an Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen müssen. Die Wirksamkeit, Skalierbarkeit und Nebenwirkungen vieler der derzeit diskutierten Ansätze sind jedoch noch nicht vollständig bekannt. Die Forschung in diesem Kontext muss transparent und sorgfältig koordiniert werden, um potenzielle Risiken zu vermeiden und gleichzeitig den Wissensaufbau zu beschleunigen. Das ist auch der Grund, warum wir in Dubai einen Leitfaden für die Forschung zur Ozean-Alkalinisierung veröffentlicht haben.“

„Die Ozeanbeobachtung bietet eine wichtige Grundlage für Maßnahmen zum Klimaschutz, etwa im Hinblick auf den Austausch von Kohlenstoff zwischen Ozean und Atmosphäre. Bislang findet der Großteil des Kohlenstoff-Monitorings an Land statt – obwohl 80 Prozent des aktiven Kohlenstoffs der Erde im Ozean gespeichert sind. Neben Messungen auf Forschungsexpeditionen nutzen wir eine Vielzahl anderer Plattformen, um diese Prozesse zu beobachten“, erklärt Dr. Toste Tanhua, Meereschemiker am 91̽, Koordinator der Projekte EuroSea und Shaping an Ocean Of Possibilities (SOOP) sowie Ko-Vorsitzender des Global Ocean Observing System (GOOS). „Auf der COP28 konnten wir die Bedeutung einer nachhaltigen Ozeanbeobachtung hervorheben.“

„Bei politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen fragen wir uns oft, ob die geplanten Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels oder zur Anpassung an den Klimawandel funktionieren, kosteneffizient und wünschenswert sind. Digitale Zwillinge des Ozeans ermöglichen es uns, den Nutzen und die Nebenwirkungen von Maßnahmen im Ozean zu erforschen – mit dem Ziel, einen gesunden und widerstandsfähigen Ozean zu erhalten, der für unser Leben entscheidend ist. Auf der COP28 herrschte großes Interesse an diesen Anwendungen und dem Programm Digitale Zwillinge des Ozeans der Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen“, berichtet Professor Dr. Martin Visbeck, Leiter der Forschungseinheit Physikalische Ozeanografie am 91̽. „Das ist wichtig, um vertretbare Entscheidungen über den Ozean zu treffen, den wir brauchen für die Zukunft, die wir wollen.“

]]>
Aktuelles2023 Transfer Presse2023 Top_Slider FB-News Ozean und Klima Klima Marine Ökosysteme Ozean
news-9231 Tue, 12 Dec 2023 10:00:00 +0100 Schlüssel zur Vorhersage von Hitzeereignissen in Zentraleuropa /news/article/schluessel-zur-vorhersage-von-hitzewellen-in-zentraleuropa 12. Dezember 2023/Kiel. Kalte Oberflächentemperaturen im Nordatlantik, kombiniert mit bestimmten atmosphärischen Bedingungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Hitzeereignissen in Zentraleuropa. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel jetzt in der Fachzeitschrift Tellus A: Dynamic Meteorology and Oceanography veröffentlicht haben. Dafür haben die Wissenschaftler:innen die Meeresoberflächentemperaturen des Nordatlantiks über einen Zeitraum von 40 Jahren mit dem Auftreten von Hitzeereignissen in Europa abgeglichen. Die Oberflächentemperatur des Nordatlantiks spielt eine wichtige Rolle für das Auftreten von Hitzeereignissen in Europa. Allerdings sind es nicht hohe Wassertemperaturen, sondern niedrige, für die Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel diesen Zusammenhang festgestellt haben. Für ihre Studie nutzten sie eine Kombination aus Beobachtungen und Wettermodellen, um die Beziehung zwischen den Meeresoberflächentemperaturen (Sea Surface Temperature, SST) des Nordatlantiks und den Hitzeereignissen in Europa über den Zeitraum von 1979 bis 2019 zu untersuchen. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in der Zeitschrift Tellus A: Dynamic Meteorology and Oceanography öڴڱԳٱ.

Die Wissenschaftler:innen fanden zwölf Ereignisse, bei denen auf eine ungewöhnlich kalte nordatlantische Oberflächentemperatur ein Maximum der Landtemperaturen in Europa folgte. Andersherum fanden sich 17 europäische Hitzeereignisse, denen ein Rückgang der SST-Werte vorausgegangen war. Neben dem Kontrast von kühlen Wasser- und heißen Landtemperaturen erwies sich das Zusammenspiel eines nordatlantischen Tiefdruckgebiets und eines europäischen Hochdruckgebiets als ein weiteres hervorstechendes Merkmal. Der Klimaphysiker Julian Krüger, Doktorand in der Forschungsgruppe Klimaextreme der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am 91̽ und Erstautor der Studie sagt: „Besonders gut sehen wir diesen Zusammenhang an den Sommern der Jahre 2015 und 2018, in denen der Nordatlantik ungewöhnlich kalt war und gleichzeitig Hitzeereignisse über Europa auftraten.“

Die Forschenden haben verschiedene meteorologische Faktoren analysiert, um den Zusammenhang zwischen Nordatlantiktemperatur und europäischen Hitzeereignissen zu verstehen. Dabei stellten sie fest, dass der subpolare Nordatlantik während dieser Ereignisse einen verstärkten Wärmestrom vom Ozean in die Atmosphäre sowie aufsteigende Luftmassen und Niederschläge erlebt. Die freigesetzte Wärme wird in Richtung Europa transportiert, was zur Bildung eines Hochdruckgebiets beiträgt. Dieses wiederum begünstigt einen klaren Himmel mit starker Sonneneinstrahlung, die für das Maximum der europäischen Oberflächentemperatur maßgeblich ist.

Krüger: „Die Ergebnisse der Studie tragen dazu bei, den statistischen und physikalischen Zusammenhang zwischen der nordatlantischen Oberflächentemperatur und europäischen Hitzeereignissen zu verstehen, was auch für eine bessere Vorhersagbarkeit von Hitzeereignissen in einem sich ändernden zukünftigen Klima entscheidend ist.“

Publikation:

Krüger, J., Kjellsson, J., Kedzierski, R.P. and Claus, M., 2023. Connecting North Atlantic SST Variability to European Heat Events over the Past Decades. Tellus A: Dynamic Meteorology and Oceanography, 75(1), p.358–374.

DOI:

Projekt-öܲԲ:

Julian Krügers Forschung wurde unterstützt mit Geldern aus den gemeinsamen europäischen Programmen JPI Climate (Joint Programming Initiative „Connecting Climate Knowledge for Europe“) und JPI Oceans (Joint Programming Initiative „Healthy and Productive Seas and Oceans“) (ROADMAP, Grant Nr. 01LP2002C).

]]>
Aktuelles2023 Presse2023 FB1News Ozean und Klima Klima
news-9220 Wed, 06 Dec 2023 11:00:00 +0100 Klimawandel könnte verstärkte Methanfreisetzung aus der Tiefsee auslösen /news/article/klimawandel-koennte-verstaerkte-methanfreisetzung-aus-der-tiefsee-ausloesen 06.12.2023/Newcastle upon Tyne/Kiel. Bei der Auflösung von Methanhydraten wird Methan freigesetzt, ein besonders starkes Treibhausgas – und das offenbar in größeren Mengen als bisher angenommen. Ein internationales Team von Forschenden unter Beteiligung des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, fand heraus, dass Methan von den tiefsten Stellen des Kontinentalhangs bis zum Rand des Unterwasserschelfs und sogar noch weiter ins Landesinnere vordringen kann. Dadurch kommt es auch jenseits der Regionen vor, an denen Methanhydrate normalerweise auftreten. So könnte eine beträchtliche Menge an Methan auf die globale Erwärmung reagieren, in die Atmosphäre gelangen und den Klimawandel weiter antreiben. Methanhydrate sind Strukturen im Meeresboden, die Methan enthalten, ein besonders starkes Treibhausgas. Lösen sich diese gemeinhin auch als „brennendes Eis“ bezeichneten Hydrate auf, gelangt Methan in den Ozean und die Atmosphäre und trägt zur globalen Erwärmung bei. Ein internationales Team von Forschenden, das von der Universität Newcastle koordiniert wurde und zu dem auch Expert:innen des 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zählten, fand heraus, dass sich Methanhydrate am Meeresboden in Richtung Land bewegen können. Hierdurch steigt die Menge an Methan, die freiwerden und den Klimawandel beschleunigen kann.

Die Wissenschaftler:innen setzten modernste dreidimensionale seismische Bildgebungsverfahren ein, um eine Region vor der Küste Mauretaniens in Afrika zu untersuchen, in der Methanhydrate zerfallen. Die heute in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlichte Studie identifiziert einen speziellen Fall, in dem Methan aus dem Zerfallsprozess mehr als 40 Kilometer durch den Boden unter dem Ozean wanderte und während vergangener Warmzeiten der Erdgeschichte in einem Feld krater-artiger Senken, so genannter Pockmarks, freigesetzt wurde.

Der Hauptautor der Studie, Professor Dr. Richard Davies, stellvertretender Vizekanzler Global and Sustainability an der Universität Newcastle, sagte: „Es war eine Entdeckung im Covid-Lockdown: Ich habe mir noch einmal Aufnahmen von Schichten direkt unter dem neueren Meeresboden vor der Küste Mauretaniens angesehen und bin dabei über 23 Pockmarks gestolpert. Sie bildeten sich, weil aus Hydrat freigesetztes Methan aus den tiefsten Teilen des Kontinentalhangs in den Ozean entwich. Die Wissenschaft dachte, dieses Hydrat sei nicht anfällig für die Klimaerwärmung, aber wir haben gezeigt, dass es das doch ist.“

Schon zuvor hatten Forschende untersucht, wie sich Veränderungen der Bodenwassertemperatur in der Nähe von Kontinentalrändern auf die Freisetzung von Methan aus Hydraten auswirken können. Diese Studien konzentrierten sich jedoch hauptsächlich auf Gebiete, in denen nur ein kleiner Teil der weltweiten Methanhydrate vorkommt. Dies ist die erste Studie, welche eine Freisetzung von Methan aus tiefen Teilen einer Zone der Hydrat-Stabilität untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass das aus der Hydrat-Stabilitätszone freigesetzte Methan eine beträchtliche Strecke in Richtung Land zurückgelegt hat.

Professor Dr. Christian Berndt, Leiter der Forschungseinheit Marine Geodynamik am 91̽, fügte hinzu: „Dies ist eine wichtige Erkenntnis. Bislang konzentrierten sich die Forschungsbemühungen auf die flachsten Teile der Hydrat-Stabilitätszone, weil wir dachten, dass nur dieser Teil auf Klimaschwankungen reagiert. Die neuen Daten zeigen eindeutig, dass weitaus größere Mengen Methan aus marinen Hydraten freigesetzt werden können. Wir müssen dem unbedingt auf den Grund gehen, um die Rolle der Hydrate im Klimasystem besser zu verstehen.“

Die Ergebnisse der Studie können entscheidend dazu beitragen, die Auswirkungen von Methan auf unser sich veränderndes Klima vorherzusagen und zu bekämpfen. Das Team plant nun eine Expedition, um die Pockmarks zu erforschen und herauszufinden, ob diese mit vergangenen Klimaerwärmungen in Verbindung gebracht werden können.

Original-Publication:

Davies, R.J., Yang, J., Ireland, M.T, Berndt, C., Morales Maqueda, M.A., Huuse, M. (2023): Long-distance migration and venting of methane from the base of the hydrate stability zone. Nature Geoscience, doi:

]]>
Aktuelles2023 Presse2023 Top_Slider FB4News Ozean und Klima Naturgefahren aus dem Ozean Klima Marine Ressourcen Plattentektonik Naturgefahren
news-9209 Mon, 27 Nov 2023 11:00:00 +0100 Wissen schaffen – auf transparente und verantwortungsvolle Weise /news/article/wissen-schaffen-auf-transparente-und-verantwortungsvolle-weise 27.11.2023/Kiel/Monaco. Wissenschaftler:innen haben einen Leitfaden für die Forschung zur Alkalinisierung des Ozeans entwickelt, um auf das wachsende Interesse und zunehmende Aktivitäten im Bereich dieses ozeanbasierten Ansatzes zur Kohlendioxid-Entnahme zu reagieren. Der „Best Practices Guide to Ocean Alkalinity Enhancement Research“ wird heute in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift State of the Planet veröffentlicht und am 2. Dezember 2023 auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in Dubai vorgestellt. Die Erstellung leiteten Professor Dr. Andreas Oschlies vom 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Professor Dr. Jean-Pierre Gattuso vom CNRS und der OACIS-Initiative der Stiftung Fürst Albert II von Monaco. Neben einer drastischen Verringerung von Treibhausgasemissionen muss eine beträchtliche Menge Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernt werden, um wie 2015 im Übereinkommen von Paris international vereinbart die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und Bemühungen zur Begrenzung dieser Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu verfolgen. Nach Angaben des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) müssen im 21. Jahrhundert zwischen 100 und 1000 Milliarden Tonnen CO₂ entfernt werden.

Derzeit werden verschiedene Methoden der Kohlendioxid-Entnahme (Carbon Dioxide Removal, CDR) bewertet und diskutiert, die von naturbasierten bis hin zu technologischen Ansätzen reichen. Eine Methode ist die Erhöhung der Alkalinität des Ozeans (Ocean Alkalinity Enhancement, OAE). OAE ahmt den natürlichen Prozess der Gesteinsverwitterung nach und beschleunigt ihn: Dem Meerwasser werden Mineralien wie Silikat oder Kalk hinzufügt, um seine Alkalinität zu erhöhen und seine Fähigkeit zur Aufnahme von Kohlendioxid zu verbessern.

Als Reaktion auf die rasch zunehmende Forschung und das Aufkommen von Start-Ups hat ein internationales Team von Expert:innen in einem kollektiven Ansatz der Wissenschafts-Gemeinde einen Leitfaden für die Forschung zur Ozean-Alkalinisierung entwickelt. Der „Best Practices Guide to Ocean Alkalinity Enhancement Research“ wird heute in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift State of the Planet veröffentlicht und am 2. Dezember 2023 auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in Dubai vorgestellt.

Der Leitfaden beleuchtet die Stärken und Schwächen verschiedener Ansätze, wissenschaftliche Unsicherheiten, biologische und ökologische Auswirkungen, Wissenslücken und Forschungsbedarf. Er zeigt bewährte Verfahren für den Versuchsaufbau von Labor-, pelagischen und benthischen Mesokosmen- und Feldexperimenten sowie für Modellierungsszenarien und die Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung auf. Darüber hinaus behandelt er Fragen zu Datenmanagement, rechtlichen Aspekten und der Einbeziehung der Öffentlichkeit.

„Ziel dieses Leitfadens ist es, die Wissensgenerierung und den Wissensaustausch zu beschleunigen und gleichzeitig Transparenz und Verantwortung in unserer Forschung zu gewährleisten“, sagt Professor Dr. Andreas Oschlies, Erdsystemmodellierer am 91̽ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Co-Vorsitzender der Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ (CDRmare) der Deutschen Allianz Meeresforschung. „Dies wird auch die öffentliche Debatte informieren und die Entwicklung einer effektiven Steuerung, Überwachung und eines Risikomanagements erleichtern.“

„Die Entwicklung des Best Practises Guides wurde durch einen ähnlichen Bottom-up-Ansatz inspiriert, der 2010 zur Entwicklung eines Leitfadens für bewährte Praktiken in der Forschung zur Ozeanversauerung verwendet wurde“, sagt Professor Dr. Jean-Pierre Gattuso, Biogeochemiker am Laboratoire d'Océanographie de Villefranche, dem französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (Centre National de la Recherche Scientifique, CNRS) und Vorsitzender einer Initiative zur Erforschung von Ozeanversauerung, anderer Veränderungen und entsprechender Lösungsansätze der Stiftung Fürst Albert II von Monaco (Ocean Acidification and Other Ccean Changes – Impacts and Solutions, OACIS). „Dieser Leitfaden hatte einen enormen Katalysator-Effekt für die Entwicklung des Forschungsgebiets der Ozeanversauerung, indem er Einstiegshürden senkte und den Vergleich verschiedener Studien und die Erstellung von Syntheseprodukten vereinfachte. Wir hoffen, dass der neue Leitfaden für die Forschung zur Ozean-Alkalinisierung eine ähnliche Wirkung haben wird, um vergleichbare und integrative Forschung für OAE und marines CDR im Allgemeinen voranzutreiben.“

„Wir wissen, dass der Ozean ein starker Verbündeter des Klimas ist. Zugleich mit der Erwärmung des Klimas nimmt er auch immer mehr Kohlendioxid auf. Die Säure greift die schützenden Schalen von Austern, Krebsen und anderen Tieren an, die für die Gesundheit der Ozeane und für die Menschen, die für ihren Lebensunterhalt von den Ozeanen abhängen, lebenswichtig sind. Die Alkalinität des Ozeans zu erhöhen, kann dem Meer ein Gegenmittel geben und den Klimawandel bekämpfen – doch ist über diesen Ansatz noch zu wenig bekannt. Der OAE-Leitfaden trägt dazu bei, die mit diesem vielversprechenden Ansatz verbundenen Herausforderungen und Chancen besser zu beleuchten“, sagte Dr. Jan Mazurek, Senior Director of Carbon Dioxide Removal bei der ClimateWorks Foundation.

Original-Publikation:

Oschlies, A., Stevenson, A., Bach, L. T., Fennel, K., Rickaby, R., Satterfield, T., Webb, R., and Gattuso, J.-P. (Eds.): Guide to Best Practices in Ocean Alkalinity Enhancement Research. Copernicus Publications, State of the Planet,

ʰٴöܲԲ:

Der Leitfaden wurde von der ClimateWorks Foundation und der Prince Albert II of Monaco Foundation finanziert.

]]>
Aktuelles2023 Transfer Presse2023 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Ozeanversauerung Ozean und Klima Klima Ozean
news-9210 Thu, 23 Nov 2023 11:27:07 +0100 Zwei Forschende des 91̽ erhalten renommierte ERC Consolidator Grants /news/article/foerderung-fuer-spitzenforschung-in-klima-und-meereswissenschaften 23.11.2023/Kiel. Zwei Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel erhalten jeweils einen der renommierten Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrates. Das Projekt „HighBorG“ der Paläo-Klimatologin Dr. Eleni Anagnostou konzentriert sich auf die Erforschung von Wechselwirkungen zwischen Kohlenstoff, Klima und dem Antarktischen Eisschild. In dem Projekt „SEA-THROUGH“ möchte der Meeresbiologe Dr. Jan Taucher mit seinem Team das Verhalten von Meereslebewesen in der Tiefsee mithilfe neuer Kameratechnologien entschlüsseln. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) hat heute bekanntgegeben, dass zwei Forschende des 91̽ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel mit je einem Consolidator Grant in Höhe von rund zwei Millionen Euro für fünf Jahre gefördert werden.

„Es freut mich ungemein, dass dieses Jahr gleich zwei Forschende des 91̽s die begehrte Förderung des Europäischen Forschungsrates erhalten haben. Ich wünsche Dr. Eleni Anagnostou und Dr. Jan Taucher bei ihren spannenden Untersuchungen zu der antarktischen Eisschicht und der Tiefseeforschung viel Erfolg und bin schon gespannt auf die ersten Ergebnisse“, sagt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des 91̽. „Die Gewährung der Consolidator Grants unterstreicht die Bedeutung und das Potenzial der beiden Forschungsprojekte und würdigt das Engagement und die Expertise der Forschungsteams und des 91̽s.“

HighBorG: Geologische Rekonstruktionen von Kohlenstoff- und Klimaprozessen

Die Vergangenheit birgt eine Fülle von Informationen über die Dynamik von Kohlenstoff und Klima. „Das ist meine Spielwiese“, sagt Dr. Eleni Anagnostou. Sie ist leitende Wissenschaftlerin in der Gruppe Paläo-Ozeanographie am 91̽: „Ich untersuche das Erdklima im Hinblick auf den Kohlenstoffkreislauf. Insbesondere schaue ich mir Phasen an, in denen es wärmer war als heute, um Kippelemente zu finden, die das Wachstum beziehungsweise den Rückzug des Antarktischen Eisschildes bewirken, um mit diesem Verständnis Vorhersagen über den künftigen Meeresspiegel zu machen.“

Ihr Projekt „HighBorG“ (High-resolution Boron and beyond Geologic reconstructions for carbon and climate processes) zielt darauf ab, die bisher unbekannten Zusammenhänge zwischen der Erdumlaufbahn und den Schwankungen von Temperatur, Kohlenstoff und Meeresspiegel zu einer Zeit zu erforschen, als der atmosphärische Kohlendioxidgehalt (CO2) höher war als heute, aber ähnlich hoch wie es für das Ende dieses Jahrhunderts erwartet wird. Konkret sind dies drei unterschiedliche Klimaabschnitte im Zeitraum von 52 bis 13 Millionen Jahren (Ma) vor der Gegenwart: eine sehr warme Erde mit hohem CO2-Gehalt (52-46 Ma), eine wenig erforschte Periode von 39-23 Ma, als der Antarktische Eisschild entstand, und einer kälteren Erde mit wiederum hohem CO2-Gehalt (17-13 Ma).

Dr. Anagnostou und ihr Team werden dafür verschiedene Forschungsmethoden kombinieren, wie etwa die Analyse chemischer Indikatoren in fossilen Überresten von Meeresorganismen, die in den Sedimenten der Tiefsee begraben sind, wobei sie sich insbesondere auf das Element Bor und seine Isotope konzentrieren werden – diese können zur Rekonstruktion des pH-Werts des Ozeans und der atmosphärischen CO2-Konzentration verwendet werden. Daneben werden für das Projekt innovative Automatisierungsansätze, neue Meeresarchive und Erdsystemmodelle genutzt, um so einzigartige geologische Rekonstruktionen im Jahrtausendmaßstab zu erstellen. Dr. Anagnostou: „Dies wird uns helfen, die Wechselwirkungen innerhalb des Erdklimas während der antarktischen Vereisungs- und Vereisungsperioden besser zu verstehen.“

SEA-THROUGH: Auf der Suche nach der „Leiter“ in die Tiefsee

Das zweite geförderte Forschungsprojekt beschäftigt sich mit den Tiefen des Ozeans, dem größten Lebensraum auf unserem Planeten, der aber noch weitestgehend unerforscht ist. Die Tiefsee birgt eine riesige Artenvielfalt und ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher im globalen Klimasystem. Die tiefen Meeresschichten sind mit dem Oberflächenozean durch die tägliche Auf- und Abwanderung des Planktons verbunden: Jede Nacht steigen unzählige Kleinstlebewesen aus mehreren hundert Metern Tiefe an die Meeresoberfläche hinauf, wo es mehr Futter gibt, und kehren dann tagsüber in die Tiefe zurück. Einer jahrzehntealten bislang unbewiesenen Theorie zufolge, könnte dies aber nur der erste Schritt auf einer „Leiter der Vertikalwanderungen“ sein, welche noch in viel größere Tiefen reicht. Demzufolge gäbe es eine Reihe von synchronen und miteinander verwobenen Vertikalwanderungen, welche das Nahrungsnetz über die gesamte Wassersäule bis in mehrere Kilometer Tiefe ausdehnen.

Mit dem Projekt „SEA-THROUGH“ möchten Dr. Jan Taucher und sein Team dieses Geheimnis lüften. Dafür soll modernste Kamera-Technologie eingesetzt werden, welche es erstmals ermöglicht, ein ganzheitliches Bild der Biodiversität und Nahrungsnetze in der Tiefsee zu erfassen, insbesondere auch hinsichtlich deren räumlicher und zeitlicher Dynamik in der Wassersäule. „Wir wollen uns quasi eine neue Brille verpassen, um in die Tiefsee zu blicken“, sagt Dr. Taucher. Der Meeresbiologe arbeitet bereits seit 2018 an der Entwicklung von innovativen Kamerasystemen, um das breite Spektrum von Lebewesen im Ozean besser beobachten zu können. „Um ökologische Schlüsselmechanismen wie die ,Leiter der Vertikalwanderungen‘ zu verstehen, brauchen wir zuallererst grundlegende Informationen über die Vielzahl der Organismen: Wer ist zu welcher Zeit wo, und was machen sie dort? Solche Daten sind aber ziemlich schwer zu sammeln“, formuliert Dr. Taucher die grundlegende Herausforderung der Tiefsee-Ökologie.

Um diese Hürde zu meistern, sollen in dem neuen Projekt mehrere moderne Kamera-Technologien entwickelt und miteinander kombiniert werden. Das neue Kamerasystem soll dann auf Schiffs-Expeditionen für ökologische Beobachtungen der Tiefsee und der vertikalen Bewegung ihrer Einwohner genutzt werden. Dazu sagt Dr. Taucher: „Wenn wir die Existenz der ,Leiter der Vertikalwanderungen' nachweisen können, wäre dies ein wichtiges Puzzlestück zur Lösung einiger großer Rätsel der Tiefseeforschung.“

Über den ERC:

Der ERC (European Research Council, Europäischer Forschungsrat) ist eine Einrichtung der Europäischen Union, deren Hauptzweck es ist, exzellente und wegweisende Grundlagenforschung in Europa zu fördern. Der ERC vergibt „Starting Grants“ für junge Forschende am Beginn ihrer Karriere, „Consolidator Grants“ für vielversprechende Wissenschaftler:innen zwischen sieben und zwölf Jahre nach der Promotion, deren eigene Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet, „Advanced Grants“ für herausragende Forschende mit einer nachgewiesenen Forschungsexpertise sowie „Synergy Grants“ für Teams von Forschenden, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Der Gesamthaushalt des ERC von 2021 bis 2027 beträgt mehr als 16 Milliarden Euro. Er wird über das EU-Rahmenprogramm für Forschung & Innovation „Horizon Europe“ finanziert.

 

]]>
Aktuelles2023 Presse2023 Top_Slider ǰܲԲöܲԲ FB1News FB3News Klimaarchive Tiefsee Ozean und Klima Klima Marine Ökosysteme Preise